Dienstag, 24. August 2010

DAS WILDE BIEST




"If I am a wild beast, I cannot help it. It´s not my own fault."


Kaum eine, glaube ich, hätte das Zitat oben der braven Tante Jane zugeordnet, die ihre Manuskripte sorgsam unter dem Tisch verbarg, wenn Besucher sich angekündigten. Doch tatsächlich schrieb Jane Austen das 1813 in einem Brief an ihre Schwester Cassandra. Das Biest in Jane Austen - viele haben es erkannt in der Schärfe, mit der sie die Schwächen und Widersprüche des englischen Gentry-Personals aufdeckt, das ihre Roman-Welt bevölkert: die ökonomischen Abhängigkeiten und die parasitäre Lebensform dieser Gesellschaftsschicht.  Es steckt aber, meine ich, noch ein anderes Biest in Austen: eine Frau, die um die Leiden schaffende leidenschaftliche Liebe weiß und von dieser schreiben kann.

Leidenschaft bei Austen? Nicht mal ein Kuss wird beschrieben. Es sind aber auch keine körperlosen, gefühlsseligen Romantiker, die Austen uns vorstellt. Es sind Menschen, die um ihre Beschränkungen wissen, darum dass Armut jedes wahre Gefühl herabwürdigen kann, dass unvereinbare Moralvorstellungen und Lebensentwürfe auch die heftigsten Liebesschwüre nicht überwinden können. In kaum einem anderen Romanwerk dieser Zeit sind Frauen körperlich so bewegt. Elizabeth, Emma, Anne lieben ausgedehnte Spaziergänge, fühlen einen dauernden Drang ins Freie, wenn ein Regentag sie im Inneren der Häuser hält, rennen sie auf und ab wie Tiger im Käfig: wild beasts.  Der Vernunft, der sie sich unterwerfen, wird gehend und tanzend die Lust abgetrotzt. Doch trotz allem: Wenn Austens Heldinnen lieben, dann tun sie es entschieden und endgültig; sie verschenken ihr Herz, um es niemals zurück zu fordern. Doch zwingt sie die gesellschaftliche Konvention, die Heftigkeit ihres Fühlens fest in ihrem Busen zu verschließen; den Kopf zu senken, einen höflichen Knicks zu machen und sich niemals anmerken zu lassen, dass sie einem, einem einzigen nur sich verschrieben haben. Dieser Herzensneigung jedoch folgen sie mit einer Unbedingtheit, die sie jede andere Lebensperspektive ausschlagen lässt: diesen oder keinen.

Es passiert nicht viel in Austens Romanen. Ein paar Familien auf dem Land, heiratsfähige Töchter, mehr oder minder heiratswillige junge Männer in der Nachbarschaft, die Bildung „passender Partien“. Am Ende „kriegen sie sich.“ Immer.  Doch: Es kann nur EINEN geben. Alle Liebessehnsucht  ist nur auf den gerichtet. Und es geht darum, ihn erkennen zu lassen, dass es ihm eben so geht, denn er muss, so gebietet es die Konvention zuerst sein Herz und seine Hand anbieten , zuvor kann sie nicht raus aus ihrer Haut und sich ihm nicht hingeben. Alles läuft zu auf diese eine Unterredung, in der er sich erklärt und sie ihm gesteht.

Mir ist Anne Elliot aus „Persuasion“ die liebste von allen Heldinnen Austens, mehr noch als die witzige und charmante Elizabeth oder die sprühende Emma. Für mich ist Anne die leidenschaftlichste Frauenfigur, die Jane Austen geschaffen hat, gerade weil sie ihr unwandelbares Gefühl so entschlossen in sich verschließt.  

(Für jene, die „Persuasion“ nicht kennen, eine kurze Inhaltsangabe: Anne Elliot, jüngere Tochter von Sir Walter Elliot, schlägt als sehr junge Frau auf den Rat einer mütterlichen Freundin hin den Heiratsantrag des mittellosen Frederick Wentworth aus, den sie gleichwohl inbrünstig liebt. Tief gekränkt verlässt Wentworth sie. Jahre später begegnen sie sich wieder. Annes Vater hat inzwischen das Familienvermögen durchgebracht, hält aber an seinem Standesdünkel fest. Wentworth hingegen kommandiert als Kapitän sein eigenes Schiff und hat sich ein Vermögen erarbeitet. Er macht einer angeheirateten Verwandten von Anne den Hof. All die Jahre hat sie den Kummer über die verlorene Liebe unbemerkt von allen anderen mit sich getragen. Auch jetzt lässt sie sich nicht anmerken, wie sehr Wentworth´ Werben um die andere sie schmerzt. Doch schließlich erkennt auch er, dass es für ihn keine andere geben kann.)

Dieser Plot klingt kitschig, nicht wahr? Nun, es wird nicht kitschig dargestellt. Es ist wirklich herzzerreißend,  wenn Anne lächelnd dem munteren Flirten der jüngeren Kusine mit dem Mann, den sie immer lieben wird, zusieht. Kein Affekt könnte heftiger sein als der, den sie bleibend unterdrückt. 

Über die Meisterschaft Austens schrieb Virginia Woolf: „of all  great writers she is the most difficult to catch in the act of greatness.“ Das stimmt.  Wie Austen das Geschehen bis hin zur alles entscheidenden Unterredung entwickelt, das erscheint der Leserin so, als könne es gar nicht anders sein. Die Schnittkanten und Stiche, mit der die Autorin das zusammenfügt und aneinandernäht, sind so fein ausgeführt, dass man sie mit bloßem Auge nicht erkennen kann. Doch auch ihr fiel es nicht zu. Wie sehr sie an der Perfektion der Erzählung arbeitete, erkennt man, wenn man ein verworfenes Kapitel von „Persuasion“ mit der endgültigen Fassung vergleicht. Es geht eben um jene alles entscheidende Szene. In der verworfenen Fassung begegnen sich Anne und Wentworth im Hause der Crofts. Mr. Croft lässt die beiden allein. Wentworth ist überzeugt, dass Anne der Verlobung mit einem Verehrer, den ihr Vater unterstützt, zugestimmt hat. Beiden fehlen zunächst die Worte. Dann durchbricht Wentworth das peinvolle Schweigen und es stürzt geradezu aus ihm heraus, das lang angestaute Gefühl. Die Angst, sie ein zweites Mal zu verlieren, lässt ihn sich verhaspeln und nach Atem ringen. Er muss wissen, ob sie sich für den anderen entschieden hat: „This is all, Madam. A very few words in reply from you will be sufficient. That I should be the person commisioned on this subject is extraordinary! And believe me, Madam, it is no less painful. A very few words, however, will put an end to the awkwardness and distress we may both be feeling.“ Anne weiß kaum, wie ihr geschieht. Denn verklausuliert und dennoch offenkundig hat er es endlich ausgesprochen: wie sehr er darunter leidet, sie mit einem anderen zu sehen,was bedeuten muss, dass er sie immer noch liebt.  Schließlich stellt sie klar: Es gibt keine Verlobung mit dem anderen. Er muss sich hinsetzen, dreht seinen Stuhl zu ihr und schaut sie an: „with an expression which had something more than penetration in it – something softer. Her countenance did not discourage. It was a silent but a very powerful dialogue; on his side supplication, on hers acceptance. Still a little nearer, and a hand taken and pressed, and ´Anne, my own dear Anne´ bursting forth in the fulness of exquisite feeling.-.“

Das ist gut. Gut inszeniert und geschrieben. Seine Atemlosigkeit, der aufgestaute Druck durch die lange Unterdrückung, der Passiv, den sie wählt, als sie die Berührung beschreibt: Sie „machen“ ihre Liebe nicht, sie geschieht ihnen.  Die unbedingte Liebe ist das Naturereignis unter den Vernunftmenschen. Austen brauchte dazu keine kitschige Beleuchtung oder poetischen Liebesbezeugungen. Doch sie war nicht zufrieden. Sie verwarf die Version. Denn sie hatte den Kern der „Überzeugung“ nicht getroffen, von der „Persuasion“ handelt. Es geht nicht um Eifersucht und Verlust des Geliebten, der Geliebten. Es geht darum, dass man seinen eigenen Gefühlen trauen kann. Darum, dass alles, alles sich ändern kann, die Umstände, die Haartracht, Armut oder Reichtum, Manieren und Moralvorstellungen, die Liebe aber bleibt, unerwidert, hoffnungslos, ohne Erwartung. Für dieses Ungeheuer, das Biest Liebe, mitten in der rationalisierten Welt, sucht Austen nach einer Ausdrucksform, die nicht kitschig und überhöhend ist: kein „Liebe als Religion“ oder „Liebe als Kunst“, Liebe pur. Und sie findet eine Form für diese „revolution...almost beyond expression.“:

Die Unterredung findet nicht statt. Zumindest nicht – zunächst nicht – zwischen den Liebenden. Anne steht am Fenster mit einem Freund, während Wentworth ein paar Schritte entfernt vorgeblich einen Brief schreibt, jedoch in Wahrheit den beiden lauscht. Sie reden über die Liebe der Seeleute und darüber, wer mehr leide unter den häufigen Trennungen und wer beständiger liebe: Frauen oder Männer. Anne ist höflich: „I hope I do justice to all that is felt by you and those who resembly you. God forbid that I should undervalue the warm and faithful feelings of any of my fellow creatures.“ Doch sie ist auch entschieden, worin ihr Geschlecht stärker ist: „All the privilege I claim for my own sex (it is not a very enviable one, you need no covet it) is that of loving longest, when existence or when hope is gone.“ Wenthworth hat das gehört. Er und der Freund verabschieden sich, doch: „but from him not a word, nor a look. He had passed out of the room without a look.“ Austen zeigt mit wenigen Worten noch einmal die Verzweiflung Annes, deren ganzes Leben auf das Erhaschen eines Blicks von ihm gesetzt ist.  Aber Wentworth kehrt allein zurück, gibt vor, einen Handschuh vergessen zu haben, und deponiert auf dem Schreibtisch einen Brief an Anne: „On the contents of that letter depended all which this world could do for her!“

Und er schreibt: „....I must speak to you by such means within my reach. You pierce my soul. I am half agony, half hope. ...I offer myself to you again with a heart even more your own, than when you almost broke it ... I have loved none but you. Unjust I may have been, weak and resentful I have been, but never inconstant. ...Have you not seen this?...“

Er geht, unsicher, ob sie seine Liebe (noch) erwidert. Austen hat das Zentrum von „Persuasion“  erreicht: die unbedingte Liebe, stärker als die Wahrscheinlichkeit, die Hoffnung, die Vernunft, stärker sogar als die Existenz, also auch als der Tod. Dass Anne so liebt, weiß die Leserin längst. Es ist er, der sich so ausliefern muss. Sprechend, hatte Austen erkannt, kann er das nicht. Er schreibt. Bis zum Äußersten gehen kann er nur in der Distanz.

Als sie sich wiedersehen, auf der Straße, und er anbietet, sie nach Hause zu begleiten, müssen sie nicht mehr sprechen: „There could be no objection. There could be only a most proper alacrity, a most obliging compliance for public view; and smiles reined in and spirits dancing in private rapture.“

Das „wilde Biest“: die unbedingte Liebe, die nichts zurück- oder vorhält. Sie muss sich nicht aussprechen in überbordenden Gesten, lauten Versen und Beschwörungen. Dies Biest wird nicht gezähmt durch strenge Benimmregeln und eine uns antiquiert erscheinende Sexualmoral. Sie erhöhen bloß den Druck, unter dem die Energie des Biestes stärker zu spüren ist. Was wir Befreiung nennen: sexuelle Freizügigkeit, Partnerschaften „auf Probe“, „Lebensabschnittsbeziehungen“ – ist im Grunde das, was das Biest „erlegt“. Sich immer nur unter Vorbehalt und mit Hintertürchen einzulassen, bringt uns ums „Äußerste“, das eben nicht in exzessiven Sexualpraktiken besteht, sondern in „Promises of eternity.“


Jane Austen: Persuasion (Wordsworth Collection, € 2,30)
Jane Austen: Anne Elliot oder die Kraft der Überredung (dtb, € 8,90)

10 Kommentare:

  1. Ein Plädoyer für die Unbedingtheit, wie mir scheint. Dorthin gelangen, wo das Taktieren endet. Doch Achtung: den Luftzügen ist, anders als bei Austen, nicht beizukommen. Sie fahren trotzdem weiter.

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  2. Ja, es kann alles schief gehen. Wirklich scheitern. Wer kein Risiko geht, sondern immer schon taktiert, dem kann das nicht passieren. ---Allerdings ist es kein Plädoyer. Höchstens für Jane Austen. Ich glaube nur nicht an die "Emanzipation". Wir befreien uns immer nur in eine andere Beschränkung.
    Und: Heldinnen in der Literatur können ihren eigenen Gefühlen "trauen". Schlimmer als alles andere, finde ich, ist, dass wir "im richtigen Leben" das nicht können.

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  3. In meinem Falle wäre das Plädoyer eh überflüssig; ich hab' Jane Austen verschlungen von vorne bis hinten. Ich mochte die Langsamkeit und die Gefügigkeit, die keine war. Den Wind. Innerhalb der Form die Form unterwandern. Die Courage. Das Beharren. Und tausend andere Dinge. (Bin heute in Fragmenten unterwegs, sorry)

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  4. Sie haben recht: Für Jane Austen muss man nicht werben. Mir ging es darum, noch einmal von einer anderen Seite (mir selbst?) zu verdeutlichen, dass die Voraussetzung der leidenschaftlichen Liebe darin liegt, im Inneren Druck zu erzeugen. Eine libertinäre Haltung erschöpft die Leidenschaft und treibt sie in eine lächerliche Wiederholungssucht. Fellini zeigt das in seinem Casanova-Film. Zum Beispiel.

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  5. Sie verstand es auf ihre Art und Weise den Leser zu fesseln und in ihren Worten die Liebe für den Leser bildlich zu gestalten ohne auch nur annähernd über die Anziehung im körperlichen Sinne zu schreiben. Man kann mitfühlen und wie hier auch deutlich wird, das die Leidenschaft von innen kommt. Doch vielleicht sollte man bei diesen ganzen Überlegungen mal in betracht ziehen, das sie eine Aspergerin war. Sprich sie hatte eine Wahrnehmungsstörung aus dem Autistischen Spektrum. Selber habe ich dies auch erst vor ein paar Monaten in Erfahrung bringen können, doch es ändert den Blick auf vieles und ich habe mir vorgenommen mir ihre Werke nochmals unter diesen Gesichtspunkten vorzunehmen. Danke für diesen Blog.;o)

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  6. Das habe ich noch nie gelesen, dass Jane Austen Aspergerin war. Woher stammt diese Information? Das würde mich auch sehr interessieren.

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  7. Diese Informationen habe ich erhalten im Rahmen einer Recherche Arbeit die ich zum Asperger Syndrom zwecks Aufbau einer deutschen Seite bei My Space machte. Es gibt viele berühmte Persönlichkeiten bei denen man im nachhinein erst feststellen konnte das es eindeutig Asperger waren. Menschen zu denen wir wegen ihrer Arbeit aufschauen, die aber in ihrem Alltag sehr viele Probleme hatten und kaum wirkliche soziale Bindungen. Asperger können dies schon in einem gewissen Maße, es kommt immer auf den Stärkegrad ihrer Besonderheit an, doch das sind dann auch nur sehr ausgewählte, vereinzelte und die einzigsten Personen. Und wenn man dann auch nochmals das Leben der Jane Austen betrachtet, dann passt es wie die Faust aufs Auge. Viele amerikanische Seiten berichten darüber, da die mit den Themen offener umgehen als es hier leider getan wird. Vereinzelt auch deutschsprachige. Sie finden darüber aber auch Informationen im Netz, denn zur allgemeinen, fundierten Fachliteratur, ist dies die beste und umfassenste Recherche über dieses Thema finden kann. Schließt aber eine fachliche und zusätzliche Konversation mit Medizinern, Wissenschaftlern und Therapeuten nicht aus. Kommt immer darauf an wie intensiv man sich in die Materie einarbeiten muss oder möchte.

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  8. @Emma / Asperger Syndrom
    Ich glaube, Sie haben etwas missverstanden. Wenn überhaupt verhalten sich die Charaktere Austens manchmal ähnlich dieser psychischen Veranlagung und wenn dann soll eher ihre ältere Schwester Cassandra daran gelitten haben. Was mich grundsätzlich an diesem Ansatz stört ist das Biologistische. Ich habe nichts gegen Literatursoziologie oder Literaturpsychologie, nur keine veraltete Nur-Text-Hermeneutik, aber wenn ich mir vorstelle, die "Recherche" von Proust aus seiner Homosexualität oder seines Asthmas erklären zu wollen, dann halte ich das doch für lediglich einen biographischen Teilaspekt, der über das Werk wenig oder zu wenig aussagt. Ich fände es schade, wenn ein so wunderbarer Beitrag mit dieser biologistischen Diskussion endet. Deshalb zu einem anderen Aspekt: In meiner alten Ausgabe von "Anne Elliot" vergleicht die australische Schriftstellerin Angela Thirkell im Vorwort den sprachlosen, die Hand ausstreckenden Wentworth, (ein Mann der sprechen möchte und es doch nicht kann) mit dem linken Ausschnitt eines Gemäldes von Antoine Watteau, das "Ladenschild des Kunsthändlers Gersaint":
    http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Gersaint.jpg&filetimestamp=20061025112843
    Ich fand diesen Vergleich nachvollziehbar und nicht uninteressant. Bei aller Diskussion beschreibt dieser Beitrag, dass Liebe ein tief empfundener Augenblick ist, der ewig dauert. Es gibt eben Dinge, die zeitlos sind.

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  9. Vielen Dank für diesen Hinweis und für Ihren schönen Kommentar. Ja, darum ging es mir: "das wilde Biest", zeitlos, tief empfunden und eingepfercht, in denen, die sich nicht ausdrücken können, dürfen, wollen.

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    1. Obwohl es schon so lange her ist, möchte ich es jetzt doch noch einmal klarstellen: Es gibt keinen seriösen Hinweis darauf, dass Jane Austen an Asperger Syndrom "litt". Diese "Ferndiagnose" ist kompletter Unsinn. Sie verstand im Gegenteil, wie jede Leserin weiß, sehr viel von der Psyche der Menschen und konnte sich sehr gut in andere hineinversetzen.

      Jane Austen blieb allerdings unverheiratet. Dafür mag es viele Gründe geben. Sie war jedoch Teil einer eng verbundenen Familie. Ihre engste Vertraute, mit der sie ihr ganzes Leben verbrachte und in einem Zimmer wohnte, war ihre Schwester Cassandra. Einer jungen Tante, die später im Kindbett starb, gestand sie in einem Brief, dass sie sich sehr davor fürchte, nach einer Heirat schwanger zu werden und zu sterben. Eine Angst, die viele Frauen ihrer Zeit und aus gutem Grund mit ihr teilten. Klar ist auch, dass Jane Austen - wie so viele andere Autorinnen der "bürgerlichen Epoche" auch - wesentlich mehr Möglichkeiten hatte, ihre literarischen Ambitionen zu verwirklichen, wenn sie unverheiratet und kinderlos blieb.

      Es ist, wenn ich darüber nachdenke, sicher kein Zufall, wie viele Autorinnen in enger Verbundenheit zu einer anderen Frau gelebt und gearbeitet haben, statt sich auf eine eheliche Gemeinschaft entweder einzulassen oder auf sie zu beschränken. Dabei scheint es keine Rolle gespielt zu haben, ob die Autorinnen heterosexuell oder lesbisch waren. Lesbische Autorinnen konnten nur ihre Sexualität in einer sie stützenden Beziehungen auch ausleben. Dagegen hat sich die häusliche Gemeinschaft mit einem Mann offensichtlich nur sehr selten positiv auf die literarische Tätigkeit einer Frau ausgewirkt (Mir fällt als Beispiel nur Virgina Woolf ein, die aber ihre Sexualität eben woanders ausleben musste/konnte.) Bestenfalls war sie, die Gemeinschaft mit einem (Ehe-)Mann, keine Behinderung der Frau als Autorin. Meistens aber doch. Auch Bettina von Arnim schrieb erst selbst, nachdem Achim von Arnim tot war. Und sie schrieb über und aus den Beziehungen zu Frauen heraus: Die Günderode und Aja Goethe. Barbara Pym lebte mit ihrer Schwester. Nancy Mitford lebte nie mit dem Mann in einer häuslichen Gemeinschaft, den sie liebte. Gertrude Stein hatte Alice B. Toklas. Katherine Mansfield Ida Baker. Und so weiter und so fort.

      Wenn eine Frau keine heterosexuelle Beziehung, keine Ehe eingeht und/oder keine Kinder hat, wenn eine Frau allein leben will ("a room of down´s one") oder mit einer anderen Frau, die Geliebte sein kann oder "nur" enge Freundin, ist das kein Hinweis auf eine psychische Störung. (Eher könnte eine für das Gegenteil reichlich Argumente sammeln. Die Fixierung auf einen Mann oder Männer hat sich selten positiv auf Leben und Arbeit von Frauen ausgewirkt. Eigentlich nie. Männer eignen sich selten als "Museriche" - und tippen können sie meistens auch nicht so gut.)

      Musste noch mal gesagt werden, nachdem ich heute von einem Post über Alice Munros "Corrie" auf diesen hier verlinkt habe.

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