Dienstag, 3. August 2010

NICHT-ICH. Wovon die Hysterie erzählt...

Christina von Braun: Nicht-Ich. Logik. Lüge. Libido

Die Utopien …nehmen in den verdrängten, removierten Erinnerungen der Hysteriker Form an…Die Erinnerung, die auf diese Weise bewahrt bleibt, ist nicht die an ein verlorenes Paradies, an eine “heile” Welt, sondern eine ganz andere: es ist das Wissen um die “Unvollständigkeit” des menschlichen ´ichs´; es ist die Erinnerung an zwei gespaltene Sexualwesen, an Sexualität und Sterblichkeit selbst. Kurz, es ist eine Utopie des Bewusstseins. Die Tatsache, dass es vor der Entstehung der Schrift Kulturen gab, die das Bewusstsein menschlicher “Unvollständigkeit” bewahrten, bedeutet nicht, dass diese Kulturen das Paradies waren, in das sie oft verwandelt werden. Die “spiegelbildliche” Vorstellungswelt vermittelt nicht die Geborgenheit, die das abendländische Denken so gerne projiziert. Aus unserer Sicht erscheint sie vielmehr als Ausdruck eines Denkens, in dem die menschliche Unvollständigkeit gegenwärtig ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Denn immerhin haben diese Kulturen selbst das Instrumentarium entwickelt, mit dessen Hilfe der Mensch sich aus seinem Bewusstsein der Unvollständigkeit herauszulösen vermochte: die Schrift.

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