Montag, 4. Oktober 2010

DAS BILD AUS DER DUNKELKAMMER

Keplers wiedererfundene Camera obscura

Hans Belting: Florenz und Bagdad
In der Renaissance meinte man, den Blick des Auges selbst im perspektivischen Bild abzubilden. Kepler, indem er die Camera obscura, mit der schon Alhazen seine lichttheoretischen  Thesen zu prüfen suchte, nachbaute, entzog dieser Vorstellung die Grundlage. Das Bild auf der Netzhaut des Auges gleicht keinesfalls dem auf der Leinwand. Es wurde deutlich: das perspektivische Bild bildet sich nicht im Auge, sondern im Hirn. Alhazen hatte Recht gehabt. Doch er bezog – wie Belting gezeigt hat – diese Erkenntnis nicht auf eine Bildvorstellung, sondern auf seine Lichtheorie. Bild und Wahrnehmung trennen sich auch im Westen nach Kepler erneut. Das Auge - so sieht man es jetzt - ist eine „natürliche“ Camera obscura. Es sieht noch kein Bild. Doch bildet es den geschlossenen Raum (die Kammer), der die Voraussetzung des Bildes ist.

Hans Belting schreibt in "Florenz und Bagdad" : „Der Bilderapparat der globalen Moderne, den alle Welt seit der Methode von Kodak (1888) benutzt, hatte in der „Dunkelkammer“, deren Name im Fotolabor erhalten blieb, einen direkten Vorläufer. Er führte das Bildprinzip der Perspektive mit anderen Techniken fort. Und noch im Rückblick beweist er, dass es in der westlichen Kultur immer um das Bildermachen gegangen ist, seit sie die arabische Sehtheorie, mit ihrer Mathematik, in eine Konstruktionshilfe für Bilder verwandelte.“

Eine technische Vorstellung vom Sehen entwickelt sich, die unabhängig wird vom privilegierten Augenpunkt des menschlichen Betrachters: die Schau des Apparats.  Die Bilder entstehen jetzt ohne Beteiligung des Subjekts. Das ist freigesetzt. Der Euphemismus, mit dem in der Gegenwart die Arbeitslosigkeit umschrieben wird. Das freigesetze Subjekt, dem die Apparate jetzt die Abbilder liefern, die es zuvor sich selbst zu schaffen glaubte, kann seine Bildungskraft anderswo einsetzen: Ein-Bildungskraft.

Die Freisetzung der Ein-Bildungskraft jenseits der Metaphysik (in deren Dienst sie die Religionen Jahrhunderte lang stellten) setzt die „Zähmung des Auges“ voraus. Eine Zähmung, die sich ihrerseits aber nicht erneut in den Dienst der „Hüter der Sittlichkeit“ stellen darf. Davon handelt der letzte Teil der „Zähmung des Auges“ (in der Kolumne: Körpersprache), den ich heute auf der Veranda von Michael Perkampus einstellte: Hier.

Die vollständige Serie „Augen-Blicke“ werde ich sukzessive auch auf einer Extra-Seite in „Gleisbauarbeiten“ einstellen: Hier: , da sie eine mir wichtige Ergänzung zur Rubrik „Was ist ein Bild? ist.

2 Kommentare:

  1. Tolles Bild von Carolee Schneemann! Warum kann man auf der Seite "Augenblicke" nicht kommentieren?

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  2. Bei den sogenannten "Seiten" ist das offenbar nicht vorgesehen. Muss ich noch mal prüfen, ob sich das ändern lässt.

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