Sonntag, 31. Oktober 2010

DER ANDERE. TEIL III: Der Abschied

Teil I der Erzählung "Der Andere": Hier. (Die Nachricht)
Teil II der Erzählung "Der Andere": Hier. (Die Schlacht)


Die gesamte Erzählung in der richtigen Reihenfolge: Hier.


Teil III: Der Abschied



Klima hatte Vera und Valentin zunächst an den Kondolierenden vorbei ins obere Stockwerk geführt. Im Treppenhaus hatten sie einen kurzen Blick auf das von Klima schon erwähnte Porträt Jakubs werfen können: ein strahlend blonder, junger Mann, der lachend eine Straße herunter rannte, seine Krawatte im Wind, der Mund aufgerissen, den Hut schwenkend. Es gab, dachte Vera, eine Familienähnlichkeit; so hätte ihr Vater als junger Mann vielleicht aussehen können, wäre er extrovertiert gewesen. Also eher nicht. Sie hatte nie ein Jugendfoto ihres Vaters gesehen. Valentin und sie wurden in zwei Gästezimmern untergebracht. Wie groß dieses Haus ist, dachte Vera. Wer waren meine Großeltern, die in einem so großen Haus lebten? Sie stellte ihren Koffer ab, wusch sich das Gesicht, trocknete die Haare, suchte einen grauen Pullover heraus und zog ihn über. Da klopfte Klima auch schon.„Ich möchte Sie den Mitarbeitern vorstellen.“ Vera und Valentin schüttelten sieben Paar Hände. „Und ihr Zweck?“, fragte Vera. „Wir fördern die Ausbildung von jungen Frauen und Männern für den tschechischen Film, insbesondere den Trickfilm: Stipendien für Drehbuchautoren, Zeichner, Kameraleute. Wir haben eine Professur an der Tomàs Batá Universität gestiftet. Und wir geben Gelder für konkrete Filmprojekte.“ Vera nickte. Das klang plausibel. Es war Valentin, der die Frage stellte, die sie die ganze Zeit beschäftigt hatte: „Woher hatte unser Vater das Geld, um so was auf die Beine zu stellen?“ Klima lächelte. „Sie wissen gar nichts über die Veverkas?“ Dann erzählte er ihnen, was Vera schon beim Anblick des Hauses vermutet hatte: Die Veverkas gehörten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur obersten Gesellschaftsschicht Zlins: Bauunternehmer, die maßgeblich beteiligt waren an der Neugestaltung der Stadt nach den Plänen von Corbusier und dem Bau der modernen Werksiedlungen, die Batá für die Arbeiter der Schuhfabriken bauen ließ. „Kapitalisten“, sagte Klima, „deren Besitz nach 1948 enteignet wurde.“ „Die Benès-Dekrete...“, warf Valentin ein.„Nein, damit hatte das nichts zu tun. Ihre Großeltern waren keine Volksdeutschen. Der hier enteignete kapitalistische Besitz wurde an tschechische Staatsbürger in den 90er Jahren zum Teil zurückgegeben. Und ihr Vater war wieder Tscheche.“ „Er war immer Tscheche.“, sagte Vera und trat ans Fenster. Das Leben ihres Vaters in München, dieser winzige Ausschnitt seines Lebens, den sie gekannt, in dem sie eine Rolle gespielt hatte, hatte mit dem hier gar nichts zu tun. „Was tun wir hier?“, wandte sie sich an Valentin. Der zuckte die Schultern: „Er war unser Vater.“ Klima begriff, dass es nicht der rechte Zeitpunkt war, weiter über die Stiftung zu sprechen. „Sie wollten“, sagte er,  „Trauerkleidung beschaffen, Vera, nicht wahr?“ Er zog eine Schublade auf, nahm einen Stadtplan heraus und zeichnete ihnen auf, wie sie ins Stadtzentrum laufen konnten. „Das ist nicht weit. Dort finden Sie genügend Geschäfte.“ Vera war dankbar für die Möglichkeit, aus dem Trauerhaus zu entkommen, diesen Menschen zu entfliehen, deren Trauer um den Tod ihres Vaters anscheinend mit Erwartungen an seine Kinder verbunden war, die sie nicht verstand und nicht verstehen wollte.



Valentin und Vera gingen eine Weile stumm nebeneinander her. Manchmal berührten sich ihre Ellenbogen beim Gehen; sie versuchten nicht, das zu verhindern, aber sie forderten es auch nicht heraus. Bis Valentin fragte: „Er kommt also nicht?“ „Nein.“ „Warum lässt du dir das gefallen?“ Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm: „Du konntest ihn nie leiden.“ „Papa auch nicht.“ „Der hat ihn so wenig gekannt wie du.“ „Vera, es geht mich nichts an. Das stimmt. So nah stehen wir uns nicht.  Trotzdem: Ich finde, er sollte jetzt bei dir sein. Wenn er dein Mann sein will.“ Sie wollte sagen: Das verstehst du nicht. Aber sie schwieg. Ging weiter. Wenn ich noch seine Frau sein will, dachte sie. Eine Frau bleibt bei dem Mann, der der Vater ihres Kindes ist. So ist das. Ist Mama bei Papa geblieben, weil er unser Vater war? Ist sie an der Seite eines Mannes gestorben, den sie nicht geliebt und nicht verstanden hat? Sie fühlte den Wind plötzlich eisig auf den Wangen, als würden ihre Lippen einfrieren. Vera zog die Schultern zusammen und riss den Mund auf. „Ich weiß nicht“, sagte sie in die kalte graue Luft hinein „wie ich zu ihm stehe. Ich weiß es nicht mehr. Ich sehne mich so sehr nach ihm. Immer noch.“ Valentin zuckte zusammen. Er hatte mit einer Antwort nicht mehr gerechnet. Er legte seinen Arm um Veras Schultern und sie presste für einen Moment ihren Kopf in die Achselkuhle. Man muss nicht über alles reden, dachte sie. Mit Reden kann man das nicht lösen. Sie erstanden ein schwarzes Kostüm für Vera und einen Anzug für Valentin zu sensationellen Preisen, wenn man in Euro umrechnete. In einem Kaffeehaus tranken sie eine Mélange und aßen jeder ein Stück Torte. Sie sprachen über Valentins Foto-Aufträge und über Veras Arbeiten für das Wissenschaftsmagazin und darüber, wie gut ihr Onkel Jakub ausgesehen habe. „Der hatte sicher Schlag bei den Frauen.“, sagte Valentin. „Und du?“, fragte Vera. „Kann mich nicht beklagen.“ „Nichts Ernstes?“ „Liebe ist immer ernst, Vera, auch wenn man keine Trauringe tauscht.“ „Du kannst nicht treu sein.“ „Ich lüge keine an.“ Sie rührten in ihren Tassen. „Betrügt er dich?“, fragte Valentin. „Ich weiß nicht“, sagte sie. „Es spielt auch keine Rolle. Er ist einfach nicht da, selbst wenn er da ist.“

Später im Trauerhaus mussten sie wieder Hände schütteln, nicken, als verstünden sie zumindest ein wenig, was die Trauernden, die ihnen auf die Schultern klopften oder den Arm tätschelten, ihnen sagen wollten. Klimas Simultanübersetzungen waren ganz offensichtlich notwendig gerafft, es war unmöglich, den Redeschwall komplett wiederzugeben, der sich über sie ergoss. Wir verstehen nix, dachte Vera. Wir sind hier komplett überflüssig, das läuft alles ganz wunderbar ohne uns. Ich bin so müde. Ich falle gleich um. Klima, immer aufmerksam, bemerkte es, fasste sie am Ellbogen und führte sie die Treppe hinauf. Wieder fühlte sie spontan Ärger darüber, dass er einfach über sie verfügte. Und wieder war sie zugleich dankbar, dass er ihr das Denken abnahm, dass er für sie sorgte. „Legen Sie sich hin, Vera. Mögen Sie noch etwas essen?“ Sie lehnte ab, schloss rasch, fast unhöflich die Tür vor seiner Nase. Auf dem Display ihres Mobiles sah sie, dass Jochen mehrmals versucht hatte, sie anzurufen. Sie schaltete das Gerät aus und warf sich aufs Bett. Ohne sich ausgekleidet zu haben, schlief sie ein.

Mitten in der Nacht wachte Vera auf, einen pelzigen Geschmack im Mund. Sie tastete sich zum Waschbecken, knipste das Licht an und drückte ein wenig Zahnpasta auf die Bürste. Der frische Mintgeschmack im Mund tat ihr wohl. Sie fühlte sich plötzlich hellwach. Die Armbanduhr zeigte fünfzehn Minuten nach eins. Sie öffnete ihre Tür einen Spalt und lauschte ins Treppenhaus. Alles still. Keine Trauerbesucher mehr, die Mitarbeiter nach Hause gegangen, Valentin, dachte sie, schläft wohl tief und fest im Zimmer nebenan - und Klima? Sehr wahrscheinlich war auch er längst nach Hause gegangen. Sie zog sich eine Strickjacke über und tastete sich die Treppe hinunter, öffnete die Tür zum Arbeitszimmer ihres Vaters und knipste das Licht an. Sie sah sich um. Im Regal hinter dem Schreibtisch hatte er Fotografien aufgestellt: ein Porträt ihrer Mutter aus den 70er Jahren in Gold gerahmt, einige Fotos, die sie und Valentin beim Spielen im Münchener Garten zeigten, ein konventionelles Familienfoto, Mitte der 80er Jahre in einem Fotostudio aufgenommen. Den eingefallenen Wangen ihrer Mutter, sah man den Krebs schon an, der sich langsam durch den Körper gefressen hatte. Daneben einige Schwarzweiß-Bilder: Pawel und Jakub, wie sie Arm in Arm vor dem Haus in Zlin standen, in dem jetzt Vera stand und erstmals im Leben ein Foto ihres Vaters als junger Mann sah. Ein Familienbild, das die zwei kleinen blonden Jungen mit ihren Eltern zeigte. Sie stellte das Bild zurück und drückte gegen die Drehtür, die in die Regalwand eingelassen war, so dass man sie erst bemerken konnte, wenn man so dicht an das Regal herantrat. Wie sie es erwartete hatte: Da war die Tür ins Reich ihres Vaters, in die Dunkelkammer, gerade so wie in München: "Zutrrritt verrboten. Schändlicherrr Tod, Verra." Du kannst mir nichts mehr anhaben, Papa, jetzt schaue ich mir an, was du hier so treibst. Die Leinwand stand bereit, der Projektor ebenso. Auf dem Tisch daneben lagen einige Filmrollen. „Für Vera und Valentin.“. Er hatte eine Kopie der "Eichhörnchen" hier. Sie lag da, als habe er sie angesehen, ganz zuletzt noch. Papa. Daneben zwei Rollen „Fips a Sova I-IV“ und „V-VIII“ und eine Rolle, die unbeschriftet war, das Etikett offenbar abgelöst, nur noch einige Fetzen waren hängen geblieben. Vera legte die Rolle ein. Das kann ich, dachte sie. Etwas, das mein Vater mich gelehrt hat. Filmrollen einlegen: Das braucht man heute nicht mehr. Alles auf DVD. Aber ich liebe das Surren des Projektors. Auf Papas Knien sitze ich und wir lachen zusammen, wenn die Eichhörnchen vom Baum purzeln.  

Der Film begann, indem schwarze Scherenschnittschnipsel sich auf der weißen Leinwand zu immer neuen Figuren zusammen fügten: Käfer, Bäume, Autos, Häuser, Schlösser, Landkarten, Menschen. Schließlicht bildeten die Schnipsel eine Figur mit Hut auf dem Kopf, im Anzug, mit schwarzem Mantel, dahinter ein verkürzter Schatten, der aufs Steinpflaster fiel. Kafka, dachte Vera, noch bevor der Schriftzug durch die Scherenschnittschnipsel gebildet wurde. Wie hatte er das gemacht, dass aus diesen einfachen Formen sich so unverkennbar das Gesicht Kafkas ergab? Der Filmtitel wurde eingeblendet: HRAD. Und es begann. Vera verstand kein Wort und doch verstand sie alles. Die Geschichte des Landvermessers, schwarzweiß, sich ergebend aus schwarzen Schnipseln, die sich auf dem weißen Hintergrund immer neu zusammenfügten. Phantastisch und beängstigend, beglückend und wüst, formvollendet und chaotisch, kafkaesk. Sie hörte nicht, dass Klima hereinkam, so gebannt war sie. Sie spürte ihn, ehe sie ihn sah. Ja, sie sah ihn gar nicht, sie fühlte nur auf der Lehne des Sessels seinen Arm. Er berührte sie nicht, keineswegs, und doch wusste sie gewiss, dass er es war, niemand sonst. Sie blieb völlig konzentriert auf den Film, der, sie hatte es sofort gesehen, ein Kunstwerk war, das Werk ihres Vaters, sein Vermächtnis und zugleich war ihr Körper sich der Nähe des Mannes bewusst, den ihr Vater geliebt hatte. Als der Film zu Ende war, wurde es stockduster im Raum. In der Stille hörte Vera ihren Atem im Gleichklang mit demjenigen des Mannes. Sie schwiegen lange. Dann begann Klima: „Diesen Film haben Pawel und Jakub 1968 gemacht. Er wurde im Juni 1968 in der Akademie der Wissenschaften gezeigt, in einigen Kinos in Prag, Brünn und hier in Zlin. Insgesamt haben ihn damals vielleicht 800 Menschen gesehen. Aber er wurde zur Legende. Mit Kopien war Ihr Vater im August in München. Dann war Kafka erneut verboten in unserem Land für viele Jahre.“ „Mein Vater hat nie wieder so etwas gemacht.“ „Er sagte, es sei Jakubs Film.“ „Aber es sind die Zeichnungen, die Bilder, die großartig sind.“ „Ja“, sagte Klima. „Doch ihr Vater wollte nichts davon hören. 1990 strahlte das tschechische Fernsehen ´Hrad´ aus. Als er davon hörte, wollte er dagegen klagen.“ „Ich verstehe das nicht.“ Klima legte seine Hand auf ihre Schulter. „Wir verstehen es nicht. Aber wir sind auch nicht in seiner Lage.“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber...“ Klima verstärkte den Druck auf ihre Schulter. „Lassen Sie es so stehen. Er hat Fehler gemacht. Am meisten hat er sich selbst bestraft. Und dann hat er versucht, es wieder gut zu machen. Durch die Stiftung.“ „Und wir, seine Kinder?“ „Haben Sie es nicht gesehen? Er hat gehofft, dass Sie kommen würden, Sie und Valentin.“ „Er hat uns nie gebeten. Er hat nur gesagt: Ihr könnt.“ „Er konnte nicht bitten.“ „Veverkas.“ Klima half ihr hoch aus dem Sessel. An der Treppe verabschiedete er sich: „Ich hatte noch einiges vorzubereiten für morgen. Deshalb blieb ich länger. Gute Nacht, Vera.“ Sein Handkuss blieb formell in der Luft hängen. Die Tür schlug hinter ihm ins Schloss. Diesmal war er fast unhöflich gewesen.

Die Trauerfeier war groß, katholisch, festlich und lang. Vera und Valentin in der ersten Reihe verstanden nichts, passten sich dem Aufstehen und Hinknieen an, wie es die neben ihnen Sitzenden, allen voran Klima, taten. Im Anschluss gab es im nahe gelegenen Wirtshaus einen Imbiss für den kleinen Anteil geladener Trauergäste. Manche sprachen ein wenig Deutsch und versuchten sich im  Small Talk mit den Geschwistern. Vera suchte den ganzen Tag über vergeblich Klimas Blick. Am Morgen hatte sie in Jochen Büro angerufen. Wie meist war er nicht zu sprechen gewesen. Sie bat die Sekretärin, einen Termin für sie freizuhalten für den kommenden Tag. „Einen Termin für Sie, Frau Binse?“, hatte die nachgefragt. „Ja“, hatte Vera geantwortet, „mein Mann hat so wenig Zeit, ich fürchte, er wird auch heute Abend nicht rechtzeitig zu Hause sein für ein Gespräch.“ „Nun ja, aber...“, wollte die einwenden, doch Vera hatte ihr das Wort abgeschnitten und gesagt: „Tragen Sie einen Termin ein. Ein halbe Stunde genügt. Aber streichen Sie ihn nicht wieder. Mein Mann würde Ihnen das nicht verzeihen, glauben Sie mir.“ Vera schaltete das Mobile aus. Sie wusste nicht, wie die Sekretärin zu Jochen stand. Vielleicht würde sie ihn gleich alarmieren. Vielleicht auch nicht. Vielleicht würde dieser Termin stattfinden. Vielleicht auch nicht.

Valentin hatte beschlossen über Prag zurückzufahren, weil er von dort einen besseren Anschlussflug zurück nach Barcelona hatte. Er nahm einen Mietwagen. Sie verabschiedeten sich mit einer festen Umarmung. „Lass dich nicht unterkriegen, Vera.“ Sie kniff ihn in den Arm: „Und du: Brich nicht zu viele Herzen.“ Sie wusste nicht, ob Klima selbst sie zurück nach Wien fahren würde. Sie hoffte es und fürchtete es. Er hielt es offenbar für selbstverständlich. „Fertig, Vera?“, fragte er und sah sie zum ersten Mal an diesem Tag direkt an. „Ja.“ Er nahm ihr den Koffer aus der Hand und hielt ihr die Tür zum Einsteigen auf. Es war kein gemütliches Schweigen zwischen ihnen auf der Fahrt. Sie dachte immerzu: Das kann doch nicht alles sein. Er hält mich für eine verwöhnte Puppe. Für kaltherzig und desinteressiert. „Ich hoffe, es war nicht zu langweilig für Sie.“, sagte er schließlich. „Wir haben nichts verstanden, aber er war doch unser Vater.“ Klima wandte den Kopf. „Ja?“ „Ja.“ Er nahm die rechte Hand vom Lenkrad und legte sie auf ihre linke, die in ihrem Schoß lag. „Konnten Sie Abschied nehmen?“ „Ein wenig.“ Und nach einer Minute fügte sie hinzu: „Ich werde wieder kommen müssen.“ Der Druck seiner Hand verstärkte sich. Sie lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. Keine Ahnung, was das bedeutet. Aber es stimmt. Ich will wieder kommen. Ich will wissen, wie die Stiftung meines Vaters arbeitet. Ich will seine Filme anschauen. Und ich will diesen Mann wiedersehen, dessen Hand auf meiner Hand liegt, um mich zu trösten. Dabei hätte er Trost nötiger als ich. Sie zog ihre Hand unter der seinen hervor und legte sie auf die seine. „Sie waren ihm ein Sohn.“ „Ich hatte ihn sehr gern Und ich bewunderte seine Arbeit.“ „Er hat immer voll Liebe von Ihnen gesprochen.“ Sie sah zu ihm hinüber. Sein Kehlkopf bewegte sich heftig, er versuchte vergeblich, die Tränen zurück zu halten. „Danke.“ Dann schwiegen sie wieder. Auch mit einer Hand lenkte der den Wagen sicher durch den Verkehr. Als er ihn vor dem Flughafengebäude zum Stehen brachte, sagte sie: „Lassen Sie nur, ich kann den Koffer selbst aus dem Kofferraum nehmen. Jan.“ Und sie beugte sich zu ihm hinüber, nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände und küsste ihn ganz schnell, bevor sie in sein linkes Ohr flüsterte: „Seien Sie bitte da, wenn ich wiederkomme.“ Dann sprang sie aus Wagen, riss ihren Koffer aus dem Kofferraum und stürzte in die Abflughalle. Sie drehte sich nicht mehr um.

Am Check In wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als ihr jemand auf die Schulter klopfte: „Frau Binse. Das ist ja eine Überraschung, dass ich Sie hier in Wien treffe. Fliegen Sie auch nach Hause?“ Für einen Moment war sie verwirrt. Dr. Höller, ein Kollege von Jochen. Sie schaute hoch auf die Anzeigetafel, auf der ihr Flug schon angezeigt wurde. „Ja“, sagte sie, „ich fliege nach Hause.“

2 Kommentare:

  1. Vielen Dank, liebe Melusine, für diese wunderbare Geschichte. Ein "Gedankenräderwerk" ist schnurrend in Gang gekommen.

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  2. Ich hoffe, lieber Hans, Sie lassen mich/uns an diesem Gedankenräderwerk wenigstens ein bisschen teilhaben...

    Herzliche Grüße

    Melusine

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