Sonntag, 13. Februar 2011

WIE BILDET SICH DER MANN?

Undressing Mr. Darcy
Männer, hatte ich, resigniert im Sommer festgestellt, Männer bilden sich nicht, jedenfalls nicht nach dem Männer-Bild von Frauen. Frauen dagegen orientieren sich bewusst oder unbewusst, affirmativ oder kritisch an dem Bild von Weiblichkeit, durch das Männer ihr Begehren über die Jahrhunderte ausdrückten. Die Männern geschaffenen Bilder der attraktiven Frau sind jeder Frau unentwegt in Massenmedien wie in Kunstwerken präsent. Umgekehrt können Männer sich nicht in gleicher Weise repräsentiert sehen in Bildnissen, die Frauen von ihnen entwerfen.

Falsch wäre es aber anzunehmen, dass Männer in ihrer Selbstbildung frei wären. Statt sich jedoch am Bildnis abzuarbeiten, das das andere Geschlecht von ihnen entwirft, müssen sich Männer mit Männlichkeitsvorstellungen auseinandersetzen, die in der Sphäre der „ernsten Spiele des Wettbewerbs“, der Hackordnung unter Männern also,  entworfen werden. 


Wie also bildet sich der Mann? In bürgerlicher Gesellschaft eröffnen sich ihm zwei Selbstbildungsstrategien: einmal über die Arbeitstätigkeit und zum anderen durch die Liebe, in häuslicher Idylle, wo er „Mensch“ ist und sein darf. Für beide Strategien ist die Geschlechterdichotomie Voraussetzung: Der Ausschluss der Frauen aus der Berufsarbeit ermöglichte die aushäusige Arbeit des Mannes erst, indem sie die Familienarbeit unentgeltlich übernahmen. Im Haus wartete dann die liebende Frau, die den Mann (beziehungsweise den männlichen Knaben) als „Mensch“ wahrnahm. Auf unterschiedliche Weise ist dieser Prozess der Selbstdisziplinierung (durch und für die Arbeit) und Selbstzivilisierung (für das Ideal der bürgerlichen Ehe) durch Entfremdung geprägt. Aus beiden männlichen Ich-Konzeptionen nämlich bleibt Sexualität ausgegrenzt – und gerade über diesen Ausschluss entwickelte sich auch ihre enorme Bedeutungsaufladung.

Die Konzeption des allgemein-menschlichen Subjekts, "der Mensch", wurde irrtümlich als geschlechtsneutral vorgestellt. Die Haltung ist bis in die Gegenwart weit verbreitet; sie äußerst sich in Form einer Schein-Egalität, die das Geschlecht leugnet: „Es gibt keinen Unterschied zwischen Männer- und Frauenliteratur, nur gute oder schlechte Literatur.“ (Das, was als Qualität anerkannt wird, stellt sich dann zufällig, aber grundsätzlich, heraus, stammt überwiegend, wenn nicht fast ausschließlich von Männern. "Es gibt eben so wenige bedeutende Autorinnen.") Die Konsequenzen dieses Prozesses können auch deshalb so gut verdeckt bleiben, weil sie paradox sind: Indem der Mann sich individualisiert, verschwindet sein Geschlecht im „Menschen“. Indem die Frau ein Geschlecht hat und ist, verliert sie ihre Individualität (ist ganz "Weib").

Die (männlichen) Künstlermythen sind nur vor der Folie dieser (bürgerlichen) Männlichkeitsbilder zu verstehen. Sie versuchen – häufig im Bild der Frau – zurück zu gewinnen, was sich der zivilisierte und disziplinierte Mann versagt hat. Verharren sie jedoch in diesem Gegenentwurf, so werden sie ebenso zwanghaft, wie das „stahlharte Gehäuse“ (Max Weber), das sich in der Moderne um das Herz des Mannes gelegt hat. Die Versteifung auf eine Anti-Haltung, wie sie einen Teil der Avantgarden in der Moderne kennzeichnet, weist aus dieser Beschränkung und Enge männlicher Lebensentwürfe keinen Ausweg. Stattdessen müssten Männer (und – auf andere Weise – Frauen) spielen lernen, ohne gewinnen und herrschen zu wollen. Nähe zwischen Mann und Frau wird sich nicht einstellen über gewaltsame Öffnung der getrennten Sphären oder definitorische Schärfung des „Männlichen“ bzw. „Weiblichen“, sondern durch Schaffung eines „Zwischenraums“, in dem für die Liebe nichts anderes aufgegeben werden muss. 

1 Kommentar:

  1. Zum "Zwischenraum" ein toller Text: http://www.bzw-weiterdenken.de/2011/02/eine-ethik-des-dazwischen/

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