Sonntag, 13. März 2011

HÜLLENLOS

Louise Bourgeoise

Vor der Wand stehen wir nackt, kein Feigenblatt bedeckt unsere Blöße. Wir sehen uns nicht an. Da ist kein Spiegel, der unser Bildnis fängt. Die anderen sind wir, die stets unversehrt bleiben. Vorgeführt ohne schützendes Gewand stehen wir mit dem Rücken zum Herrn. Doch sein Thron bleibt leer. Keiner betrachtet mehr mit wissendem Blick unsere Bosheit und Schönheit. Die Zeit der Katastrophen ist vorüber. Alle Katharsis war vergebens. Halt meine unsichtbare Hand. Dreh dich nicht um. Wir laufen in Mauern. Wir werden Gestein. Die Außenhüllen stürzen ein. Wir sind erledigt. Alles Unerledigte bleibt liegen. Roll dich auf. Drück den Rücken durch. Wir lernen den aufrechten Gang und blinzeln in die Sonne. Ein neuer Morgen bricht an. Wir humpeln weiter den furchtbaren Engeln entgegen ins gleißende Licht.

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