Montag, 27. Juni 2011

Blog-Wartung (7): DRUCKEN?

„Was mich angeht denke ich nur, was meine guten Freunde angeht, sage ich ihnen, was nur ein kleines Publikum bekümmern kann, schreibe ich, und was die Welt wissen soll, wird gedruckt. Von einem Gedanken brauche ich nur ein Exemplar, ebenso für den Freund und das kleine Publikum eben so viele, jedes auf seine Art gedruckt, wie es für sie am besten schickt und am bequemsten ist,  - die Welt muss mehrere Expemplare haben, und so lassen wir drucken. Wäre es möglich auf irgend eine Art mit ihr zu sprechen, dass das Zurücknehmen noch mehr stattfände, so es gewiß dem Druck vorzuziehen.“ 

(Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher I, B 272)


Ihm war es unheimlich, seine Gedanken, in Worte gegossen (denn gleich mir glaubte er nicht an die Identität von Denken und Sprache, noch viel weniger an die von Denken und Schrift), im Druck zu manifestieren. Diese Scheu teile ich. Was er ersehnte - mit „der Welt“ ins Gespräch zu kommen, ohne „Fest-Schreibung“ durch den die Worte materialisierenden Druck - hat die virtuelle Welt ermöglicht, in der meinereins bloggt. 


Ich greife in meine Texte ungeniert ein – und nehme „zurück“, was mir nicht mehr passt. Doch hindert mich, wie ich begreife, eben das Gespräch mit Leser:innen inzwischen an dieser rücksichtlosen Praxis. Denn mancher Kommentar einer Leserin oder eines Lesers würde gänzlich unbegreiflich, veränderte ich den Text, auf den er sich bezieht, nach Belieben. Und trotz aller Scheu gibt es auch den Fetischcharakter des bedruckten Papiers, das man in die Hand nehmen und durch die Finger gleiten lassen kann.

So viel habe ich geschrieben.“ – ich habe erstmals Teile meines Blogs ausgedruckt. „Punk Pygmalion“ (38 Seiten. Noch ist nicht einmal die Hälfte des Schuhkartons mit Briefen „verarbeitet“, dessen sie sich als Quelle bedient. Und Einiges ist zu überarbeiten, weil ich langsam etwas begreife... ) Die Erzählungen: Das Beben der Metaphysiker. Baader, Ensslin und die Zwergwerfer (Ein Witz zunächst, aufgebläht mit philosophischer Luft stieg ein phantastischer Ballon und zerplatzte. Lohnt es sich an dem Unfug zu arbeiten? 8 Seiten). Ungewöhnlich lang ist eine andere Erzählung geraten, die gleichfalls auf einen Dialog im Netz zurückgeht (mit Hans, dem sie auch gewidmet ist): Der Andere (18 Seiten. Die werde ich auf jeden Fall noch einmal gründlich lesen, überarbeiten, wahrscheinlich kürzen).  Pani Tau (mein Liebling und auch der vieler Leser:innen, wenn man den Aufrufzahlen glauben darf – ohne Melone, aber mit Hut!, 5 Seiten).  All die Jahre, Auto und Zugverkehr  (Ein auto-biographisches? Experiment, 45 Seiten). 


Ein Stapel auf meinem Schreibtisch. Überraschend. Gedruckt. Sieht alles ganz anders aus. 

(Heute ausgedruckt: 114 Seiten. Druckerpatrone ist leer.)

2 Kommentare:

  1. Welch' schöner Gedanke, liebe Melusine, das Erschriebene sich selbst auf Papier zum Geschenk zu machen! Ich hatte einmal die ausgefallene Idee, die (selbst)wirksamsten Texte zu einem Büchlein zu binden. Das wäre gar nicht so schwer. Allerdings habe ich mich seltsam weit distanziert von meinen eigenen Versuchen in der stillgelegten Schreibecke. (obwohl ich am "Anderen" mittlerweile doch sehr hänge)

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  2. Das ist ein Missverständnis, lieber Kienspan. Auf den Stapel, wie er so vor mir liegt, schaue ich nicht wie auf ein Geschenk, sondern eher wie auf eine Aufgabe. Ein Geschenk könnte es ja nur sein, wenn es mir abgeschlossen erschiene. Das Gegenteil ist der Fall. Das ist mir zugleich angenehm und unangenehm. Dass das Geschriebene zum Gegenstand wird, ist für mich ja auch eher ein Problem als eine Freude (wie für Lichtenberg!)

    (Ich schenkte mir auf jeden Fall eher ein Wellnessprogramm, ein Abendessen im guten Restaurant oder ein schönes Kleid. Da bin ich pragmatisch. Was soll man mit den eigenen Texten "machen", außer an ihnen weiterschreiben? Also arbeiten. Genießen kann man immer nur anderer Leute Texte. Jedenfalls geht es mir so.)

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