Freitag, 19. August 2011

DAS ERSTE MAL (1983)

Die Blutschmiere auf dem Laken ist hauchzart, helles Rot, das rosa verbleicht. Das klingt romantisch, als wäre Liebe im Spiel gewesen. Man muss aber wissen, dass das Laken nicht weiß war, sondern aufgehelltes Cadmiumgrün. Ein Primärkontrast, tatsächlich. Ich könnte das bedeutsam aufladen. Es war aber nichts dabei. Rein und raus, eben. Es tat auch fast gar nicht weh.

Ein Entschluss, den ich schon einige Zeit zuvor gefasst hatte: Zeit ist´s. Mit 18 wird allerspätestens entjungfert. Ich war ohnehin Spätzünderin. Als mir im Umkleideraum der Turnhalle das Sängertier an die Brüste gefasst hatte, war mir kaum klar, was sie trieb. Aber ich hatte mir danach immer einen Platz möglichst weit entfernt von ihr gesucht. Das rettete mich nicht.  Einige Monate später, auf der Klassenfahrt, hatte sie mir aufgelauert und  ihren gewaltigen Körper im Stockbett auf den meinen gepresst. Ich glaubte zu ersticken und bemerkte kaum, dass sie mit ihren Wulstfingern versuchte, meinen Hosenbund zu öffnen. Dann kamen die anderen Mädchen herein. Ich schlief keine Sekunde auf dieser Fahrt; ich lehnte nachts an der Wand und lauschte. Aber sie ließ mich in Ruhe, nachts. Tagsüber drängte sie sich in der Schlange im Speisesaal hinter mich und berührte wie zufällig meinen Hintern. Sie war viel weiter entwickelt als die meisten von uns, riesige Brüste, die sie in der Gemeinschaftsdusche lang und ausgiebig einseifte. Man versuchte nicht genau hinzusehen, aber sie erwischte einen immer, wenn man doch mal draufguckte. „Dolle Melonen, was? Neidisch?“ Dann kam sie auf mich zu, ich hielt den Atem an, sie legte eine Hand um meine kleine Brust und drückte zu. Ich quietschte, konnte mich aber wegen des Schocks nicht bewegen. „Süß.“, sagte sie und drehte sich um. Da waren wir 16. Kurze Zeit danach ging sie von der Schule ab, weil sie schwanger war. In der Nacht vor ihrer kirchlichen Trauung randalierte sie mit ein paar angetrunkenen Typen vor meinem Fenster. „Komm raus.“ Ich beobachtete durch die herabgelassenen Jalousien, wie sie ihren fetten Körper auf den Rücksitz eines Mopeds hievte, bevor sie aufgaben und abbrausten.

Nachdem ich auf das Gymnasium in der Kreisstadt gewechselt war, sah ich das Sängertier kaum mehr. Mit einer Freundin, die ich auf der neuen Schule kennengelernt hatte, fuhr ich in den Sommerferien in die Camarque. Wir übernachteten auf Campingplätzen, in billigen Jugendhotels oder in unseren Schlafsäcken am Strand. Dort verliebte ich mich. Wir hatten abends mit Jugendlichen aus München, die wir beim Schwimmen kennengelernt hatten, um ein Lagerfeuer gesessen; ein Kanister Sangria kursierte, jemand spielte Gitarre. Zwischen Imke, die Freundin, und mich setzte sich ein schlaksiger Junge, dem eine dunkle Haartolle tief in die Stirn fiel, die er immer wieder mit der Hand zurückstrich. Er legte uns die Arme um die Schultern und zog uns enger an sich, eine links, eine rechts. Mein Körper reagierte; ich gab ein wenig nach und rutschte tiefer an ihm herunter. Ich dachte: „Aber Imke gefällt er auch.“ Sie hatte mir das noch am Nachmittag gesagt. Er flirtete, machte Witze und erzählte ihr von seiner irren Fahrprüfung, während er meine Hüften streichelte. Ich fühlte, dass Imke näher an ihn heranrückte und sah, wie sie ihre Hand auf seine legte. Ich versuchte unauffällig ein wenig abzurücken. Da drehte er sich ruckartig zu mir rum und küsste mich hart auf den Mund. Im ersten Moment presste ich die Lippen fest zusammen, aber seine Hände glitten warm über meinen Rücken, alle beide, und dann öffnete ich mich. Später suchten wir uns eine Sandkuhle etwas ab vom Lagerfeuer. Wir fielen übereinander her, betrunken wie wir waren, dennoch hatte ich die Geistesgegenwart ihn zurückzuhalten, bevor er eindrang. „Ich nehme nicht die Pille.“ Er seufzte. Nur kurz. Dann zeigte er mir, was sonst noch geht, mit den Händen und Lippen. Am Ende ließen wir den warmen Sand durch die Hände auf unsere Körper rieseln.

Seine Name war Remy. Wir schrieben uns sehnsüchtige Briefe. Dann verliebten wir uns in andere. Das schrieben wir uns auch. Die Briefe wurden seltener. Ich beschloss, dass es jetzt Zeit sei. Meine Frauenärztin gab mir ein Rezept für die Pille. „Das kriegen wir schon hin. Ist doch nicht o.k., dass ihr jungen Frauen dafür bezahlen sollt.“ Der Nächste also sollte es sein. Er war ein guter Küsser. Dass ich noch Jungfrau war, überraschte ihn. Aber erst hinterher, als er das Blut sah; ich hatte ihm das nicht gesagt. Ich glaube, er fühlte sich in dem Moment sehr geliebt. Doch ich überlegte schon, wie ich ihn los werden konnte. Es war nicht so schlecht, aber ich erkannte, dass ich noch viel lernen musste - und dass ich es nicht mit ihm lernen wollte. An Remy schrieb ich: „Mit dir wäre es schöner gewesen.“ Er antwortete nicht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen