Donnerstag, 27. Oktober 2011

LUG UND TRUG (8. Kapitel zu: Frauensachen)


„Das also ist das Ende.“
„Noch nicht. Ich hoffe immer noch... auf ein wenig Zeit.“
„Ich habe mir das so nicht vorgestellt. Dass sie...“
„Ihre Augen sind  so riesig geworden. Manchmal habe ich Angst hineinzufallen.“
„Die hatte ich immer schon. Angst. Vor Judith.“
Elke schaute Gabi von der Seite an. Die beiden Frauen waren auf den Balkon hinausgetreten, nachdem Judith eingeschlafen war.
„Vor Judith?“
„Sie ist so bestimmt. So und so und so. Zack, zack.“
„Ausgerechnet du sagst das. Du bist doch die Erfolgreiche von uns allen, die Karrierefrau.“
„Genau. Weil ich Kompromisse mache. Weil ich gucke, was geht. Sie verlangt. Wer nicht genügt, den legt sie ab.“
„Sie stirbt.“
„Und über die Sterbenden darf man nichts Schlechtes sagen? Deshalb? Hast du mal mit ihm gesprochen?“
„Sie will ihn nicht sehen. Das ist ihr gutes Recht.“
„Ihr Recht... Und er? Weißt du, wie er sehr er leidet? Er ist ihr Mann.“
„Er hat ihr weh getan.“
„Er hat Fehler gemacht. Jeder macht Fehler. Judith auch. Aber sie verzeiht keine.“
„Das stimmt nicht. Sie hat verziehen. Aber sie kann nicht...“
„Was? Von dem Mann Abschied nehmen, mit dem sie fast ihr halbes Leben verbracht hat? Den sie geliebt hat, wie sie behauptet?“
„Sie hat Abschied genommen, Gabi.“
„Mit einem Brief. Verdammt noch mal, Elke. Du weißt auch, dass es nicht fair ist.“
„Es geht nicht um Fairness. Er quält sie.“
„Womit? Er ist sanft und gut. Das ist er immer gewesen. Mr. Perfect. Die Prinzessin drückt eine Erbse.“
Gabi lachte hässlich. Elke biss sich auf die Lippen. Am liebsten hätte sie ihr eine geknallt.
„Er ist grausam. Auf eine Weise, die du nicht verstehst. Er bleibt bei sich. Er will, dass sie sich nach ihm ausstreckt. Aber sie kann nicht mehr so weit langen. Sie schafft es nicht mehr.“
„Lass das kryptische Gequatsche sein, Elke. Ich habe es so leid. Er hat sich falsch verhalten, damals, als sie das Kind verlor. Er war überfordert. Na und? Er liebt sie. Und sie behauptet, dass sie ihn liebt. Aber sie gibt nichts. Sie nimmt immer nur.“
„Du bist ungerecht. Und du weißt es auch. Es geht am Ende darum, ehrlich zu sein. Das neidest du ihr. Dass sie sich nichts mehr vormacht.“
„Ach ja? Darauf läuft es mal wieder hinaus, nicht wahr? Judith bricht dem Mann, den sie liebt das Herz. Aber: ehrlich! Und ich bin die Schlampe,  die den Kerl fickt, der ihr auf die Nerven geht, weil sie nicht aus dem großen Haus ausziehen will?“
„Das hast du gesagt. Hör auf damit. Das Ordinäre steht dir nicht.“
„Aber dir? Meinst du? Du hast doch immer ´Sex and City´ gespielt. Das dauernde Sex-Gequatsche, das nichts anderes beweist, als dass du in deinem Alter immer noch vor jedem blank rasierten Jüngling auf den Knien rumrutschst, so sehr brauchst du deren Bewunderung.“
Elke verkrampfte die Finger beider Hände in einander, um nicht zuzuschlagen. Sie waren laut geworden bei den letzten Sätzen. Sie drehte sich um und ging zurück ins Wohnzimmer. Judith schlief fest. Aber Gabi war schon wieder neben ihr. Sie zischte.
„Soviel Ehrlichkeit ist dann doch nicht erwünscht.“
Elke stieß sie ihn den Flur und schloss leise die Tür zum Wohnzimmer.
„Hau ab.“
„Sie ist meine Freundin, so gut wie deine.“
„So wie du über sie redest...“
„Judith und du – ihr denkt immer nur an euch selbst. Das nennt ihr dann Ehrlichkeit. Dabei ist es nix als Egoismus.“
„Und du bist feige. Das nennst du dann Kompromiss.“
„Fick dich.“
„Brauchst du das? Diese Ausdrücke – Machst du dir damit vor, du seist was anderes als eine Oberklassen-Nutte mit Ehevertrag?“
Gabi hob den Arm. Elke reagierte schnell und hielt ihn fest in der Luft.
„Wir werden uns nicht schlagen an Judiths Sterbebett, hörst du? Du kannst wieder kommen, wenn sie es will. Aber danach will ich dich nie wieder sehen.“
Elke ließ los.
Gabi schlug die Tür hinter sich zu.

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