Donnerstag, 29. Dezember 2011

Jahresrückblick (melancholisch): KRISEN-HAFT. MIR DOCH EGAL!?

Januar

Rettungschirm für Paradeiser
Wieder mal wurde die Frage Ist Revolution auch gütig denkbar?“, diesmal in der arabischen Welt,  verneint. Sonderbarer Weise geht die Revolte doch immer von Leuten aus, die was zu verlieren haben (Studenten, Gelehrte, Frauen), obwohl stets das Gegenteil behauptet wird. An die Macht kommen, weniger seltsam allerdings das, am Ende doch noch ganz Andere (mittelalte, reiche Männer), die noch mehr zu verlieren gehabt hätten, aber jetzt noch sehr viel mehr zu gewinnen haben.







Februar
Thomas Hartmann in der
 Galerie Perpetuél
BenHurRum hatte eine grandiose Ausstellung in Frankfurt/Sachsenhausen:  Denn alles Fleisch, es ist wie Gras!“. "Gleisbauarbeiten" feierten 1jähriges (erster Eintrag: 18. Februar 2010), aber ich verpasste den Termin, weil ich im Märchenwald war. Ansonsten pflegte ich meinen  „total ahnunglosen Hardcore-Feminismus“ und verfolgte im Radio weiter die „arabischen Aufstände“. Außerdem ärgerte ich mich ausnahmsweise mal nicht über Guido Westerwelle, sondern über den homophoben Unterton der „seriösen“ Berichterstattung über ihn.






März
Grabmal Paula Modersohn-Becker
Worpswede
Im März setzte sich das Reisen fort. Statt in den Märchenwald fuhr ich auf Faschingsflucht nach Bremen mit der Frau Mama und später mit Morel zum Wandern ins Taubertal. Frau K. s Mordpläne wurden redundant und ich ungeduldig. Sie sollte endlich zuschlagen oder für immer schweigen. Sie tat natürlich weder das eine, noch das andere. Womit erwiesen wäre, wieder mal, dass der Satz: „Es gibt keinen Teufel!“, den mir im Herbst des vorangegangenen Jahres einer gesteckt hatte, unwahr ist. Das zeigte sich auch im fernen Japan, wo die Erde bebte und das Meer tobte und sich – Überraschung! – herausstellte, dass es ein Restrisiko gibt (was unsere Kanzlerin dazu brachte, den Notstand vorauszusetzen und die Gewaltenteilung eben mal aufzuheben).




April
Schlagende Beispiele
Im April gabs in GB die lang erwartete Prinzenhochzeit. Ich sah sie nicht im TV, aber erinnerte mich an Diana, eine andere Gerissene, die es zerrissen hatte. Und fragte mich nicht zum ersten Mal, was es auf sich hat mit uns Frauen und unseren rosaroten Prinzessinnen-Träumen. Die aufzugeben wäre nicht schwer in SEXTOPIA; dem jedoch steht eine Wirklichkeit gegenüber, in der sich die hintere Körperfülle von Hottentotten ins weich gezeichnete Bild drängt.





Mai

Das Auge uriniert mit
Im Wonnemonat Mai tat mir alles weh. Sonnenkönige verstellten das Licht. Ach, ich kann mich nicht erinnern an den Mai. (Außer: Obama killed Osama – mir doch egal!)












Juni
(Ohne) Beißhemmung
Ein Blick auf das politische Tier darf im Jahresrückblick nicht fehlen. Aber eigentlich ist alles gesagt. Dummerweise ließ ich mich wählen. Wie zu erwarten war, gelang es nicht, das hässliche Tier zu befreien. Es will eingehegt sein, gemein und verstockt. Die freie Wildbahn ist ihm ein Greuel. Ich dagegen hege noch immer  Groll und muss aufpassen, dass er die Mundwinkel nicht dauerhaft nach unten zieht. Aber die Beobachtung des Figurenpinkelns der Provinzfürsten war es vielleicht sogar wert. Ganz vielleicht.








Juli
ROMA
"In diesen schmalen Gassen, wo man auch mit Gedanken überall aneckt: in diesem Serpentinenbündel eines von der Welt längst abgewandten Hirns, wo man, aufgeregt und abgespannt, die vielen Kirchen, die Brunnen heimsucht - da gibt es kein Halten (wie bei der Nadel,  die über die Schallplatte humpelt und in der Mitte vergisst: es ist Schluss.) Der ungestalte Rest des Lebens wird hier erträglich, man wundert sich, dass Vergangenes zu einem Ganzen werden, sich vollenden kann. Die Sohlen trommeln Arien aus dem Pflaster, sie tanzen Serenaden - die Zeit stimmt ihre frohen Lieder auf die Zukunft an. Das alles kommt dem Hündchen auf dem Plattenlabel wie ein Auftritt von Caruso vor, falls es nicht schon weggelaufen ist - ins Leben." (Joseph Brodsky: Römisch Elegien)



August
Beziehungskisten (mit ganz viel Glück)
Im August wurde der Anschein erweckt, es gäbe neue Beziehungskisten (flotte Dreier?). Es bleibt aber alles beim Alten. Schlimmer war der Abflug Masterminds ins ferne British Columbia. Der heulte nicht, kein bisschen. Aber ich. In Schleswig-Holstein war man scheinheilig, lese ich, aber den Namen des Unheiligen habe ich schon wieder vergessen.










September
Erhitzte Meteoriten
Es begann mit der Hörigkeit (der Frau).  Was denn? Das treibt mich um und um.  Märchenhafte Warterei ("Meer und leer“), tiefschürfende und unbeachtete Gedanken über das „Literarische Schreiben im Web 2.0“ sowie „Öffentlichkeit und Erfahrung“ (1 + 2).
Der Papst kam nach Deutschland, beleidigte den demokratischen Rechtstaat und alle waren begeistert.





Oktober
Birnen oder Äpfel
Zur Buchmesse wurden alle Feuilletons noch systematischer als sonst von mir ignoriert, aber trotzdem vieles gelesen. Schön war die Reise in die Mark, weniger schön das schlechte Gewissen. Es geht nicht recht voran mit dem Roman der Ehe. (Immerhin hat´s Gaddafi erwischt. Mir doch egal.)











November
Hogarth: Finis!
Der Kino-Monat: Melancholia totalitär (der langweiligste und lebensfeindlichste Film des Jahres für mich), ein wunderbarer neuer Film von Pedro Almodovar: „Die Haut in der ich wohne...“, ein tröstlicher Film über das Sterben von Andreas Dresen „Halt auf freier Strecke“, ein lustiger „Tim und Struppi“ als 3D-Film von Steven Spielberg (keine Kritik vorhanden).









Dezember
Untergangsstimmung Triple A
Noch mal richtig viel Krise: Eurokrise, Kreditkrise, Architekturkrise, Staatskrise usw. Passend zur Krise, wie immer, die Mode: klassisch. Wenn Krise ist, kommt es selbstverständlich auch zur Kitsch-Verklärung: „Früher war´s doch mal schöner...“






Schöner wär´s, wenn´s schöner wär....sowieso...kein gutes Jahr, irgendwie.
Es lässt mich ratlos zurück, ein bisschen erschöpft, auch traurig, manches verloren, wenig gewonnen, nicht klüger geworden, ein paar Falten mehr.

Ach was, weiter geht´s!
(Und: Die Krise kann mich mal!)


Einiges hab´ ich erzählt: hier. Vieles nicht.

2 Kommentare: