Samstag, 3. März 2012

Was ich mir wünschte (An alle Polizist:innen in Deutschland)

Ich wünschte, es gäbe jetzt eine Welle der Empörung deutschdeutscher Polizist:innen und Beamt:innen gegen die führenden Kräfte in ihren Gewerkschaftsverbänden, gegen  rassistische homophobe, sexistische und menschenverachtende Kolleg:innen, gegen den Verdacht, mit diesen Leuten in eine Ecke gestellt zu werden. Ich wünschte, wir lebten in Verhältnissen, wo Leute wie Hermann Benker sich nicht blicken lassen könnten, ohne mit Verachtung und Ablehnung bestraft zu werden, wo sich ihm keine Hand entgegenstreckte, die er schütteln will. Ich wünschte der Deutsche Beamtenbund träte mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit, in der er seiner Scham über Benker und die bayerische Deutsche Polizeigewerkschaft Ausdruck verliehe. Ich wünschte, der Vorsitzende des Beamtenbundes erklärte, dass seine Solidarität selbstverständlich nicht den Rassisten, sondern den Diskriminierten gehörte. Ich wünschte der DGB gäbe eine Pressekonferenz, in der er sich unmissverständlich von Mitgliedern distanzierte, die rassistische Publikationen herstellen und verbreiten. Ich wünschte, jede/r schämte sich im Stillen über jede Gelegenheit, bei der er oder sie selbst einem widerwärtigen, diskriminierenden Witz im Kollegenkreis nicht mit Schärfe entgegen getreten ist.  Ich wünschte, es wäre klar, dass Leute, die über solche Witze lachen nicht zu „uns“ gehören können.

Ich wünschte, ich lebte nicht in einem Land, wo als hysterisch und zickig gilt, wer über dämliche sexistische Anmache nicht lachen kann, wo als überempfindlich oder unrealistisch gilt, wer Rassismus Rassismus nennt, wo als Zensur gilt, wenn menschenverachtende und diskriminierende Äußerungen (in der Regel – wie auch hier -  aus ohnmächtigen Positionen) gebrandmarkt werden.

Nein, ich mag nicht ironisch und kühl bleiben, überlegen und gelassen; ich habe keinen Bock meine Verachtung und Wut gegenüber den Idioten auf argumentatives Niveau herabzudimmen; ich will mit denen nicht reden und ihnen nicht erklären, warum Rassismus Rassimus ist und Sexismus Sexismus und Homophobie Homophobie und Diskriminierung Diskriminierung und all das menschenverachtend und gegen Buchstabe und Sinn des Grundgesetzes, auf das sie vereidigt wurden. Ich bin nämlich sicher, dass die Idioten das alles wissen. Es ist kein Unfall, was sie tun und worüber sie lachen. Es ist das, was sie tun wollen und was sie witzig finden: Herrschaftsverhältnisse ausnutzen, die Dividende einstreichen, sich abgrenzen, ausgrenzen und Gewalt ausüben.

Und gegen alle Wahrscheinlichkeit wünschte ich jetzt, es träte ein Polizist oder eine Polizistin auf den Plan, die mir mit Verve widerspräche, die mir erklärte, warum meine Freundin Sirin und mein Freund Tawongo und meine Freundin Karin und mein Freund Holger und ich der Polizei in diesem Land vertrauen sollten.

8 Kommentare:

  1. Wahnsinn. Es gibt Polizisten, die sich für so etwas wirklich noch schämen. das Schlimme: Sie trauen sich nicht an die Öffentlichkeit, weil sie wissen: dann beginnt das Spießrutenlaufen.

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  2. Ich wünschte, ich lebte in einem Land, wo kein Künstler zu finden wäre, der solch ein Produkt herstellt. Dann würde sich das Problem mit den Auftraggebern auf ganz einfache Weise von selbst erledigen.

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  3. Es ist ja jetzt ein weiterer Polizeikalender aufgetaucht, dieses Mal von der GdP (Vorsitzender ist der fabulöse Rainer Wendt), der m.E. strafrechtlich relevant ist. Die Bilder findet man bei PI, falls man sich das antun will.

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  4. @kritikundkunst Das weiß ich, dass es PolizistInnen gibt, die solchen Dreck ekelhaft finden. Es stimmt aber auch, dass sie Mut brauchen, um das öffentlich zu machen. Das ist der perfide Trick: Der "Mainstream"-Rassismus schafft es, sich selbst als "verfolgte Unschuld" darzustellen, diejenigen, die die Herrschaft ausüben, behaupten dreist, sie seien die Unterdrückten ("man darf ja gar nix mehr sagen"), während sie in Wahrheit Verhältnisse schaffen und unentwegt stabilisieren, in denen die Diskriminierten nicht mal benennen können, was ihnen angetan wird. Die Figur der "verfolgenden Unschuld" ist einer der mir widerlichsten rhetorischen Tricks der rechten "Mitte". @exportabel --Und PI ist Ausdruck genau dieser widerlichen Strategie der gemeinen rechten "Mitte". (Höchstens einmal pro Monat ist es mir - mit Mundschutz - möglich, den Dreck zu ertragen.) Strafrechtlich glaube ich aber wird gar nix passieren. Mein Ansatz wäre ohnehin eher eine gesellschaftliche Ächtung. Leider läuft´s aber auf das Gegenteil hinaus: Jeder Dödel will gern mit dem Mob gesehen werden, gibt ihnen ungeniert die Hand, ohne sich nachher gründlich zu waschen und grinst fröhlich neben Diekmann und Konsorten in die Kamera. Ich sitze derweil hier und merke mir die Namen. Dann weiß ich wenigstens, wessen Ergüsse ich gleich überblättern kann, bevor ich wieder Bauchschmerzen kriege.
    @Hansi Stimmt schon, dass der oder die Karikaturisten auch rechte Deppen sind. Widerwärtig. Trotzdem kann ich persönlich besser damit leben, wenn ein paar bekloppte Zeichner rumrennen, als dass die Staatsgewalt rassistisch, homophob und sexistisch ist. Während ich die ersteren locker ignorieren könnte, ist das bei letzterer eben nicht möglich. Für mich macht es einen Unterschied, ob so ein Kalender von der Metzgerinnung oder von der Polizeigewerkschaft herausgegeben wird. Rassistische Metzger kann ich boykottieren. Die Polizei hat das Gewaltmonopol inne, das letztlich auch meine Sicherheit garantieren soll. Deren Rassismus bringt mich letztlich in eine Kohlhaas-Position.

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  5. "Deren Rassismus bringt mich letztlich in eine Kohlhaas-Position."

    In der bin ich längst (und Du vermutlich auch). Seit ich ca 16 bin weiß ich, dass ich von Verbrechern regiert werde (Stichworte: Heckler & Koch, Waffendeals, Kindersoldaten).

    Polizeigewalt habe ich selber gesehen (zweimal, wenn auch noch realtiv "maßvoll", wobei das Wort schon lügt, sogar erlebt). Meine - mehrfach schon erzählte - "Lieblings"story betrifft aber nicht Polizisten sondern den S-Bahn"sicherheitsdienst". Ich war noch Student, damals mit dem hamburger Semesterticket ausgestattet. Mitten auf dem Bahnsteig - also nicht während der Fahrt - steuerten zwei Kontrolleties zielsicher auf einen Schwarzen zu, der neben mir stand: "Die Fahrkarten bitte!" Und zu mir: "Von Ihnen natürlich auch!" Ich fummelte in meiner Tasche. Nachdem sie den Schwarzen kontrolliert hatten - "leider" hatte der ne Karte -, gingen sie weiter. Ich zu ihnen "Äh Moment, ich muss mein Semesterticket noch rausfummeln" Die göttliche Antwort: "Glauben wir Ihnen so! Wir haben Sie nur auch nach der Fahrkarte gefragt, damit der Neger da nicht behaupten kann, wir hätten ihn wegen seiner Hautfarbe gefragt." Sie wissen, was sie tun. Gesindel, Pack! Pointe nebenher: ich hatte mein Semesterticket an dem Tag vergessen...

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  6. Die "Pointe" dieser Geschichte ist auch: Sie wiederholt sich beinahe täglich. Ich fahre viel S-Bahn und Regionalverkehr. Dass der Schaffner ein Rassist ist und sich genauso benimmt, kann man nicht "die Regel" nennen, aber es ist auch keine Ausnahme. Ich musste da schon mehrfach laut werden, wenn bevorzugt und in rauhem Ton Migrant:inn:en kontrolliert und schikaniert wurden.

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  7. Soeben erreicht mich die Stellungnahme der GdP (Gewerkschaft der Polizei, DGB-Mitglied) zu den Vorfällen um die Karikaturen. Ich gebe sie hier im Wortlaut wieder:
    "GdP distanziert sich von zynischen und diskriminierenden Karikaturen
    Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) distanziert sich ausdrücklich von in den vergangenen Tagen durch Medienberichte bekannt gewordenen ausländer- und frauenfeindlichen Zeichnungen. Nach Überzeugung der GdP überschreiten diese Zeichnungen nicht nur die ethisch-moralischen Grenzen von Satire, sondern sie spiegeln ein Weltbild wider, das von der GdP mit aller Entschiedenheit abgelehnt wird.
    Menschenverachtende, diskriminierende Karikaturen haben in der Polizei nichts zu suchen. Sie widersprechen den Werten, für die nicht nur die GdP, sondern auch die bei der Polizei arbeitenden Kolleginnen und Kollegen eintreten.
    Zugleich weist der Bundesvorstand der GdP darauf hin, dass weder die GdP selbst noch ihre Tochterunternehmen auf Bundesebene (VDP und OSG) die in Rede stehenden Karikaturen veröffentlicht haben. Ein Exemplar des vermeintlichen Kalenders liegt der GdP nicht vor.
    Auch der Landesbezirk Bayern der GdP hat den Urheber der Zeichnungen weder mit der Erstellung eines Kalender mit den diskriminierenden Karikaturen beauftragt, noch sind die Karikaturen von ihr veröffentlicht worden.
    Die GdP ist sehr an einer Aufklärung der Umstände interessiert, wann, wo, in welchem Zusammenhang diese Karikaturen aufgetaucht, mit der GdP in Verbindung gebracht und durch wen sie veröffentlicht worden sind.
    Berlin, den 5. März 2012"

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  8. Bezeichnend: Der Deutsche Beamtenbund und die Deutsche Polizeigewerkschaft, die ich auch angeschrieben habe, antworten nicht! Die öffentlichen Äußerungen des Herrn Benker sprechen ja auch für sich. Der Beamtenbund sieht offenbar keine Notwendigkeit sich zu distanzieren.

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