Sonntag, 13. Mai 2012

SONNTAGSNOTIZEN (mit: den Idioten vom DFB, der deutschen Mutter, Märchen-Zirkus und Lackmustests)


Die Idioten vom DFB
Das Pokalendspiel ist überstanden. Der häusliche Bayern-Fan (hier auch als Mastermind bekannt) leckt die Wunden. Bei der Siegesfeier sah man entrückte Dortmunder, einen Vorstand mit Tränen in den Augen und einen freudestrahlenden Trainer unter einer Kappe mit der ominösen Aufschrift „Pöhler, was im Ruhrpott-Deutsch was bedeuten soll (Bitte um Aufklärung!). Was frau auch sah, war, wie blöde die DFB-Führungsriege unter Wolfgang Niersbach ist. Da wir (hier ist der Plurals majestatis angebracht) an die Einheit von Form und Inhalt glauben, erkannten wir an diesem Abend auf einen Blick, welches Frauenbild im DFB unter neuer Führung unfröhliche Urständ´ feiert: statuettenhafte Modelfrauen in Goldreifröcken und mit starr vom Körper ab gestreckten Armen rahmten den Weg der Besiegten und Sieger zum Podest. Frauen (in den Augen der Deppen an der Spitze des DFB) sind schön anzuschauen, wenn sie still, steif, stumm und starr sind, töricht und grotesk wie Puppen aufgestellt. Vollpfosten, die eine Inszenierung, wie die von gestern Abend in Auftrag geben, sind enttarnt, da erübrigt sich jeder zweite Blick und jedes zweite Wort (siehe unten).

Herzlichen Glückwunsch aber, trotzundalledem an den BVB: tolle Saison, klasse Abschluss!

Die deutsche Mutter
Es ist Muttertag. In der Küche steht  der Blumenstrauß bereit, mit dem ich die meine beglücken werden. Man tut was man kann und was erwartet wird. Meine Mutter ist die Beste, sowieso! Ich liebe sie und es gibt tausend Gründe ihr zu danken. Der Muttertag allerdings und das ganze Mutterbrimborium bedeuten mir nix. In Deutschland zumal ist die Mutter-Chose kaum zu ertragen. Die Mutter besorgt´s, macht´s, die Mutter kann´s, die Mutter ist immer und an allem Schuld. Mamma mia. Die deutsche Mutterschaft ist ein abscheuliches Konstrukt, dessen böses Gift sich in die Blutbahnen fast aller weiblicher (und männlicher?) biodeutsch aufgewachsener Kinder (jedenfalls im Westen, über den Osten kann ich da nicht reden) gemischt hat, so dass es noch Generationen dauern wird, es wieder rauszuspülen. In diesem Zusammenhang habe ich (in der Rezension und den Kommentaren zu „Unsereiner Kriegsundführerkinder“ von Heike Schmitz) schon mal auf das Nazi-Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ von Johanna Haarer hingewiesen. Dieses Machwerk war auch nach 1945 in der alten Bundesrepublik in nur minimal veränderter Form unter dem Titel „Die Mutter und ihr erstes Kind“ ein Bestseller. Es ist ein Klassiker der „Schwarzen Pädagogik“, die lehrt, das Kind als tyrannischen Feind zu betrachten, dem der Teufel durch Härte und Konsequenz ausgetrieben werden muss. Es lohnt sich aber auch der Blick auf das Mutterbild, das diese Nazi-Propaganda so erfolgreich verbreitet hat. Es ist in der deutschen Kultur weiter wirksam, obwohl oder sogar weil die Erziehungsmethoden der „guten Mutter“ sich geändert haben. Verinnerlicht haben viele „deutsche“ Frauen, dass Muttersein ihre „natürliche“ Bestimmung sei, dass Kinder „vor allem die Mutter brauchen“ und dass für die „gedeihliche“ Entwicklung des Kindes allein die Mutter die Verantwortung trägt. Das Bild, das Haarer zeichnet, ist das eines übermächtigen Muttertiers, das jede unmütterliche Regung in sich, jedes Verlangen nach Tätigkeit und Bestätigung jenseits der Mutterschaft als Unnatur zu bekämpfen hat. Im Inneren des Hauses hat dieses Monsterdrachenweib unumschränkte Gewalt über das Kind, solange es sich selbst gewaltsam alle Vernunft austreibt. Ach, ich erkenne auch in der fürsorglichen Mammi unserer Tage, die an der Uni anruft, um zu klären, „wie viele Scheine wir in diesem Semester brauchen“ noch den Abglanz von Haarers ideologischer „deutscher Mutter“ wieder.

(Auf „Blütenblätter“ hat Iris den Tag genutzt, ihrer Mutter ein wunderschönes Gedenken zu schreiben, das ohne Kitsch und Verklärung auskommt: Hier.)


Der Märchen-Zirkus
Aus Gründen, die ich jetzt nicht nennen mag, recherchierte ich in meinem eigenen Blog, was ich im Sommer 2010 aus Cornwall geschrieben hatte und stieß auf den Link zum „House of Fairy Tale“ Ich werde diesen Sommer in Italien und in der Mark, aber nicht in England sein und also auch nicht in Kent, wo diese Veranstaltung (hier: ) stattfindet. Das ist ein wenig schade. (Wiewohl ich mich sehr auf Venedig und die Colli Euganei, auf den See und die Wälder freue.) Derweil lasse ich die Ballons auf der Seite tanzen und mische Gifte, um Bärte zu färben, träume von sonderbaren eisernen Gestellen und schwebenden Körpern ("Equipment of an Angel"), von Brummkreiseln und Spitzenkragen, von Tanzbären und bunten Lichterketten, von Varieté und Wackelpudding. Das ist genau das, was ich jetzt brauche, heute zum Beispiel, an so einem Morgen, an dem ich so grundlos traurig bin, dass ich mich versenken mag in ein Hexenbad. (Und das auch tue.)


Die Lackmustests
Es ist nicht nett, Leute in Schubladen zu stecken. Man sollte jedem eine Chance geben (außer den Idioten vom DFB). Vor allem Pädgog:inn:en sollten da mit gutem Beispiel voran gehen. Usw. Jedenfalls. Ist ja wahr. Nee, keine Lust. Wenn die Hälfte des Lebens hinter einem liegt und ungewiss ist, ob die andere Hälfte überhaupt noch mal so lang wird, ist Ungeduld kein Laster, sondern eine Tugend. Einige Schubladen müssen zu bleiben oder schnell wieder zugedrückt werden. Sonst bleibt keine Zeit für die interessanten Leute und die witzigen Gespräche, für heftige Leidenschaften und ernstgemeinte Worte. Deshalb habe ich ein paar Tests eingeführt, die mir beim Zudrücken helfen. Sogleich weggesperrt wird zum Beispiel, wer davon spricht „Geld zu machen“ (Es hat sich zu meiner Überraschung herausgestellt, dass diese Leute nicht unter einer besonders unangenehmen Form der Inkontinenz leiden und kein Mitleid erwarten.), wer mit Preisvergleichen langweilt, wer fragt, „was das einbringt?“ und dabei Daumen und Zeigefinger tatsächlich oder gedanklich aneinander reibt, wer „ich habe ja nichts gegen..., aber...“ sagt, wer findet, dass andere „den Gürtel enger schnallen“ sollen und sofort, wer so was sagt, wie:  „Jede Arbeit ist besser als keine Arbeit.“ Das sind nur so ein paar Beispiele. Das hat sich sehr bewährt. Die Gegenprobe (als Experiment mehrfach durchgeführt) hat immer zum gleichen Ergebnis geführt: Lohnt nicht. Klappe zu!  (Sehen Sie, ich bin eben nicht nett. – Und lege mit 47 auch nicht mehr so großen Wert drauf.)

Schlechte Laune heute. Muss besser werden.

Trotzdem: Schönen Sonntag, allerseits!

4 Kommentare:

  1. Liebe Melusine,
    ich hab das Spiel (als Dortmund-Fan) nicht live gesehen, weil ich in einem Konzert war. http://nwschlinkert.de/2012/05/13/hohe-kunst/ Gemeinhin sehe ich mir Spiele im Fernsehen an, aber auch nur die Spiele selbst, ohne alles Drumherum. Jetzt mußte ich mir das aber mal als Aufzeichnung ansehen, was Sie ansprechen, und tatsächlich, das ist eine überaus beknackt-kitschige Inszenierung, blöde und geschmacklos. Ihre Kritik ist vollkommen berechtigt. Der DFB ist eben die letzte Diktatur auf deutschem Boden, doch so lange die Ästhetik des Spiels an sich davon nicht berührt wird, kann ich mit sowas grade noch leben, vor allem, wenn ich den Fernseher vorher ausmache.
    Der Begriff "Pöhler" kommt vom Fußballspielen auf Boltzplätzen (wie habe ich das geliebt, vor allem die 11:9-Siege!), gemeinhin Pöhlen genannt. "Ich geh pöhlen" heißt, sein Glück suchen zu gehen. So, nun muß ich aber mal telefonieren!

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  2. Liebe Melusine,
    zu gerne würde ich Dir zum Trost ein Picknick an der Küste Cornwells rüberreichen, an Ideen mangelt es mir nicht, nur an der technischen Durchführbarkeit. Aber vielleicht hat ja auch schon das Bad geholfen. ;-)
    Liebe Grüße und danke fürs Verlinken!
    Iris

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  3. @ Norbert W. Schlinkert Ja, gell, diese Goldpuppen sind krass? Danke für die Aufklärung zu "Pöhler". Ich mag den ja, den Jürgen Klopp, mochte ihn auch schon, als er noch bei Mainz Trainer war, was man als Eintracht-Fan gar nicht laut sagen durfte. Dieses Jahr fällt´s mir deshalb besonders leicht, dem BVB zu gratulieren, weil "meine" Eintracht wieder aufgestiegen ist. (Dass ich indes einem Bayern-Fan seit nurmehr 16 Jahren Kost und Logis biete, macht mich immer noch fassungslos. Wie konnte das passieren?)

    @Iris Geht schon wieder besser. Danke! Ich war in der Kirche, wo am Mittwoch die Ausstellung von BenHuRum aka Thomas Hartmann eröffnet wird und: Es wird TOLL! Ich bin völlig begeistert und deshalb auch wieder viel besserer Laune. HG M.B.

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