Mittwoch, 11. Juli 2012

FRATTA POLESINA: Tempel als Landhäuser und Don Camillos Glockenturm


"Ich habe immer gesagt, er ist ein verkappter Bolschewist."
(Don Camillo und Peppone)

Loggia del Capitaniano
Es wird wohl nichts mehr mit mir und Andrea Palladio. Ich wollte dem nicht nur von Goethe, sondern von so vielen anderen Verehrten, noch eine weitere Chance geben, nachdem wir in Vicenza gescheitert waren, uns einen Einblick in seine Baukunst zu verschaffen und lediglich von der Staatsstraße „Riviera Berica“ aus die „Le Rotonda“  kurz bewundern konnten, wie auch die noch immer in Renovierung befindliche „Basilica“, die Loggia del Capitaniano (mein Lieblingsbau gegenüber der wuchtigen „Basilica“) oder den von außen ergrauten Palazzo Valmarana Braga Rosa (welch klingender Name), weil wir eben vergessen hatten, was eigentlich jede/r weiß, dass nämlich Montag kein Museumstag ist. Dienstag aber, dachten wir, schauen wir uns eine andere viel gerühmte Villa nun doch von innen an, um vielleicht das ein wenig oberflächliche Geschmacksurteil zu revidieren, das wir getroffen hatten, nachdem wir die Rotunda seufzten hinter uns ließen: Ein bisschen protzig steht das Pseudo-Landhaus wie ein Tempel in der Gegend.

Villa Badoer, Fratta Polesine
Wir planten einen Ausflug nach Fratta Polesine, wo neben einigen anderen ruhmreichen Villen, die sich stadtflüchtige Venetier bauen ließen, die Villa Badoer als ein weiteres Bauwerk des nach Pallas Athene benannten Meisters steht. Sie ist eindrucksvoll, die Villa, wie sie in der Mitte dieses verschlafenen Dorfes an einem kleinen Kanal aufragt, im Halbkreis umgeben von Dienstgebäuden, die wie Arkadengänge zu einer Tempelanlage wirken. Rings herum führten die Pfeile auf den Hinweisschildern uns zu einem Seiteneingang, hinein in eine vollklimatisierte moderne Eingangshalle, wo zwei in öffentlichen Diensten stehende Villenwächter in Uniform uns freundlichst mit einem Wortschwall in Empfang nahmen, dessen Aussage sich zuletzt aber als überaus frustrierend für uns erwies: nur Donnerstagnachmittag, Samstag- und Sonntagvormittag sind die eifrigen Hüter des palladianischen Erbes angewiesen, dem interessierten Publikum Zugang zu verschaffen. Anderntags lassen sie lediglich ein paar archäologisch  Scherben, die in den kühlen Räumen ausgestellt sind, ansehen. Da also ist sie, die italienische Strukturkrise, die ich bisher nicht wahrhaben wollte, bei so viel Schönheit, Eleganz und Dolce Vita. „Da hätte ich doch gleich ein Effizienzprogramm parat.“, schimpfte ich den Weg am Kanal entlang, so dass mich der Morel kaum beruhigen konnte, bis wir den „giardino romantico“ erreichten hinter der sehr viel bescheideneren Villa Labia, wo riesige, uralte Zypressen und Magnolien um einen verwunschenen Teich wachsen und wir uns auf einer schattigen Bank ausruhen konnten. Auf der anderen Seite des Sees pickte ein rotbkammter Hahn in der dunklen Erde herum, doch hob er nicht das Haupt und krähte nicht zu uns hinüber. Mein Urteil stand jetzt aber (erstmal?) fest und der Morel pflichtete mir bei: In der Stadt, in Vincenza, hatten uns die Bauten des Palladio gefallen, als Landhäuser sind uns die an antiken Tempelanlagen orientierten Bauten zu wuchtig, zu wenig integriert in diese eher anmutige und kleinteilige Landschaft mit den sanften Hügeln und den zierlichen Kanälen. Wir fühlten uns im bescheidenen Steinhaus des Petrarca wohler (das übrigens an jedem Wochentag zu besichtigen ist, was vielleicht – nur vielleicht – unser Urteil beeinflusst haben mag).

Durch die Polesina, die Po-Ebene,  fuhren wir zurück, die so gelb leuchtete unter dem strahlend blauen Himmel, dass die Erinnerung an die schwarzweißen Don Camillo-und Peppone-Filme verblasste, bis irgendwo aus dem weiten Nichts ein hoher Glockenturm aufragte neben einem einsam stehenden Kirchenschiff mit verfallendem Pfarrhaus anbei. Da hörte ich sie dann wieder, die Gebete des Don Camillos um Hilfe und Beistand gegen seinen kommunistischen Widersacher Peppone. In Este, jenem schönen Städtchen ganz nahe bei Baone, wo eine Burgruine einen Rosengarten umrahmt, genossen wir ein Granité mit Minzgeschmack zur Abkühlung. Denn die Tage bleiben heiß. (Erst als ich meine wunden Füße in Ca´Orologio hochlegte, fiel mir ein, dass wir der Dame in Blau nicht ein einziges Mal begegnet waren.)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen