Donnerstag, 26. Juli 2012

VORFREUDE (?) AUF OLYMPIA - und "close-minded, ignorant chauvinistic twerps"

»Dieses Geschlecht, das sich nicht sehen lässt, das nicht ein Geschlecht ist, wird als kein Geschlecht gezählt: als Negativ, Gegenteil, Kehrseite, Mangel … Deshalb kann es nicht darum gehen, eine neue Theorie auszuarbeiten, deren Subjekt oder Objekt die Frau wäre, sondern der theoretischen Maschinerie selbst Einhalt zu gebieten, ihren Anspruch auf Produktion einer viel zu eindeutigen Wahrheit und eines viel zu eindeutigen Sinn zu suspendieren.« (Luce Irigaray)


Trotz der Häufigkeit und des damit verbundenen Gewöhnungseffektes bleibt es eine verwunderliche Tatsache, wie viele und wie häufig Männer sich dazu berufen, ja offenbar geradezu genötig fühlen, öffentlich kundzutun, was sie an Frauenkörpern attraktiv finden und wieso ihnen manche Frauen nicht so attraktiv erscheinen. Immer wieder geben gewisse Männer über diese ihre Blickweise auf Frauen ungefragt Auskunft, auf der Gasse, im Kaufhaus, in Leserbriefen und jetzt halt auch im Internet.

Am sonderbarsten ist es, dass dieselben Männer scheinbar keineswegs erwarten, der Blick könne erwidert werden. Man hat diesen Typus noch nie fragen hören, was möglicherweise einer Frau (oder einem anderen Mann) an ihm gefallen könnte. Es ist auch eher unwahrscheinlich, dass es da besonders viel Attraktivität zu entdecken gibt. Die Empirie zeigt, dass Männer, die Frauen auf den Arsch gucken und über ihr Schauerlebnis zwanghaft reden müssen, in der Regel selbst keinen in der Hose haben und sich ungern "zeigen". Noch interessanter sind diejenigen, die sich (von wem?) aufgefordert fühlen, ihre Definition von "weiblich" einem desinteressierten Publikum darzulegen und dann auch gleich mal ihnen unweiblich erscheinende Personen Tipps zu erteilen, wie sie ihr erotisches Interesse wecken könnten. Die gehen wie selbstverständlich davon aus, dass (alle?) Frauen sich wesentlich damit beschäftigen und ihr Selbstverständnis und ihren Selbstwert daraus beziehen von grenzdebilen, schwanzgesteuerten Langweilern attraktiv gefunden zu werden. (Da hat Mama was falsch gemacht bei der Erziehung! Denn: Die Frauen - speziell die Mütter -  sind immer schuld, so oder so, auch an denen!)

Während der Olympiade werden wir mit diesem Typus sicher einige Freude haben. Kommentatoren öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten haben sich schon mehr als einmal nicht zurückhalten können, die Körper der Athletinnen als erotisches Stimulanz zu betrachten, das extra für sie in Form gebracht wurde oder umgekehrt deren aus ihrer Sicht mangelnde Attraktivität zu beklagen. Anders als bei den zumeist aus der Anonymität agierenden Internet-Trollen können wir hier den Blick zurück werfen und stellen mit Schaudern und Erschrecken fest, dass eine Mehrzahl der Sportjournalisten, die sich bemüßigt fühlen solche Kommentare abzugeben, weniger schön gealterte Männer sind. 

In anderen Ländern ist´s auch nicht anders. Die australische Zeitung Herold Sun aus Melbourne fragte ihre Leser:innen online, ob sie Schwimmerin Leisel Jones fett finden (nachzulesen: hier). Die britische Gewichtheberin Zoe Smith wurde von Internet-Trollen nach einem Fernsehauftritt als "unweiblich" bezeichnet und beschimpft. Zoe Smith hat in ihrem Blog die passende Antwort gegeben: "This may be shocking to you, but we actually would rather be attractive to people who aren’t closed-minded and ignorant. Crazy, eh?!" Die Berichterstattung der britischen Presse aber, die sich vordergründig mit Zoe Smith solidarisiert, reproduziert einmal mehr die Stereotype und die heterosexuelle Norm, die diesen widerwärtigen Troll-Angriffen zu Grunde liegt. Denn es muss natürlich betont werden, dass Zoe Smith einen "boyfriend" hat und nicht dem "üblichen Bild" von einer Gewichtheberin entspricht: Sie ist - nach deren  Maßstäben - "pretty" und "intelligent".  Das sind Gewichtheberin also in der Vorstellungswelt auch ihrer eigenen Trainer sonst eher nicht?

Wie Macht sich in die Körper einschreibt, haben Michel Foucault und Judith Butler gezeigt. Die Art, wie das geschieht, ist weder geschlechtsneutral noch unhierarchisch. Ein weiblicher Körper soll geschwächt werden, um weiblich zu wirken (Schön ist´s vor allem, wenn die Frau sich bückt...);  ein männlicher Körper wird gehärtet, um männlich zu wirken (Panzer vor die Brust, Bad Man!). Die Dominanz des männlichen Blicks in den Repräsentanzen im öffentlichen Raum ist ungebrochen. Einerseits wünsche ich mir, dass Männer die Lust am eigenen Körper und seiner Darstellung entdecken, dass der weibliche, erotische Blick auf Männer zur Darstellung findet, andererseits werden die Verhältnisse sich nicht bloß durch eine Umkehrung ändern lassen, sondern nur durch Vervielfältigung der Möglichkeiten von Selbstdarstellung und Blickweisen beider Geschlechter. Dazu gehört ein Aufbrechen der heterosexuellen Normen, absichtsvolle Irritationen der Wahrnehmung von "Attraktivität" bei beiden Geschlechtern, die Inszenierung von "Rück-Blicken" und vielleicht ein spielerischer, wechselnder Umgang mit Voyeurismus und Exhibitionismus (d.h. die Auflösung der Positionen "männlich" = Schauender, "weiblich" = Angeschaute). Wer hinguckt und seinen Blick inszeniert (also darüber spricht, ihn als Bild vorzeigt), müsste sich dann auch "sehen" lassen. 

Auf ein interessantes Kunstprojekt in diesem Zusammenhang hat die Mädchenmannschaft hingewiesen: Heather Cassils "In 23 Wochen zum Mann". Und ich verlinke noch einmal auf "Andrew in Drags", meinen Lieblingssong und mein Lieblingsvideo von der neuen CD der Magnetic Fields.

2 Kommentare:

  1. der 'männliche blick' inszeniert idealisierende weiblichkei zuvörderst anhand des stummen (foto)models, welches meist zickig zu laufen hat ( selbstbewusst ) oder sich in der unwilligen pose fotografisch einzufrosten.
    so sehe ich das zeitläufig.
    ein paar jahre früher war das die potenzielle mutter im badeanzug mit einem gewissen augenaufschlagen-können.
    einem können der verstellung.
    da ist noch nichts betreffs etwaiger filmischer rolle.
    möchte ich nicht wissen, wie frauen ohne medialer welt einem macker die hölle heiss machen können oder ein soziales leben organisieren.
    never mind.
    lu

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  2. p.s.

    ist mir scheissegal.
    ich muss nicht gross sein wollen :
    no winners no losers
    ( no triumph )
    so it is 4 me.
    what of self-definition.

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