Samstag, 25. August 2012

Ich muss mich dran gewöhnen...


„Was willst du? Er ist achtzehn.“, sagt der Mastermind. Vor einer halben Stunde hat es geklingelt und der Amazing ist von seinem Laptop aufgestanden und in den Flur gegangen. Vorher hat er noch schnell sein Mobile gegriffen. Mehr braucht er nicht. Wir stellen jetzt erst fest, dass er offenbar abgeholt wurde. Ich schimpfe: „Kann er nicht mal sagen, wenn er weg geht. Und ob er zum Essen kommt.“ Der Mastermind amüsiert sich: „In ein paar Wochen zieht er aus. Dann muss er´s dir auch nicht sagen.“ Das stimmt. (Der Amazing hat einen Studienplatz  In Gießen. Wenn Sie also ein Studentenzimmer oder eine 2-Zimmerwohnung  - gemeinsam mit einem Freund zu beziehen - dort wissen, dann melden Sie sich! Das wäre toll! melusinebarby@googlemail.com.)  Ich bin sauer. „Solange er mit uns wohnt, kann er auch mal Bescheid sagen, ob er mit uns isst oder nicht.“, sage ich. „Das ist doch kein Hotel.“ (Den Spruch klopfe ich dauernd!) Der Mastermind zuckt die Achseln. Ich rufe den Amazing auf seinem Mobile an: „Kannst du nicht mal....?“ Der Amazing vergisst zwar manchmal eine Ansage zu machen oder eine Aufgabe zu erledigen; im direkten Kontakt ist er aber immer ganz der Diplomat und nimmt mir den Wind aus den Segeln: „Ja. Tut mir leid. Mach ich nächstes Mal.“

Unsere Kinder sind keine Kinder mehr. Sie gehen aus. Nachts. Sie kommen mit einem blauen Auge von der Kirmes in der Provinz. („Wer war das? Ich ruf die Polizei.“ „Krieg dich ein, Mutter, halb so wild.“) Der Mastermind geht zum Bundesäppelwoifest und ändert dauernd die Ansagen: „Kannste mich so nach Mitternacht abholen?“ „Der M. kommt dann auch mit, der pennt hier. Geht das o.k.?“ „Bleibt der zum Frühstück?“ „Kann sein.“ Dann wird gechattet oder noch mal telefoniert. Planänderung. „Also ich fahr dann mal zu dem F. Vielleicht penn ich bei dem.“ „Und der M.?“ „Na, der auch, aber das geht dich doch nix an.“ Kurz vorm Abzug: „Leg mal dein Mobile neben dich. Könnt sein, dass sich noch was ändert. Damit du uns holen kannst. Nur für den Fall...“ Ich gehorche, maulend. Um halbelf kommt der Anruf: „Also wir übernachten beim T.“ „Wer ist der T.?“ „Kennste nicht. Das geht klar.“ „Bis morgen dann.“

Sie sind keine Kinder mehr. Ich mache mir Sorgen, manchmal. Besonders wenn sie in die Provinz fahren. Wie sich die Leute vom Land einbilden, dass man in der Stadt dauernd überfallen wird, so gehe ich davon aus, dass in der Provinz hinter jeder Ecke ein rechter Sack lauert und dauernd Besoffene Bierflaschen werfen. Manchmal klettere ich um drei Uhr nachts aus dem Bett und guck nach, ob sie sicher heimgekommen sind. „Was wolltest du denn heut Nacht“, fragt der Amazing dann am Morgen, „als du in mein Zimmer geguckt hast.?“„Dich sehen.“ Wie damals, als er grad geboren war und in seinem Kinderbettchen schnaufte. Er lächelt. Demnächst zieht er aus. Ich muss mich dran gewöhnen. 

2 Kommentare:

  1. Ja, das ist schwer, das Loslassen, wenn es dann wirklich konkret wird. Ich bin ja noch in einer Vorstufe zu dem, was Sie da beschreiben, aber die "artgerechte Männerhaltung", das merke ich schon jetzt, ist nicht möglich, ohne das Muttertier immer wieder zu überlisten, im Zaum zu halten.

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  2. Ich übe mich. Schon beider Auslandsaufenthalt (in Neuseeland und Kanada) hat mich geschult. Schön ist Ihr heutiger Beitrag über Patti Smith. Dieser Widerspruch - zwischen der Wahrnehmung des Mutter-Seins als wertvoll und dem "Opfer" - treibt mich immer wieder mal um. Drum ist es ja so wichtig, an der Differenz festzuhalten. Die (Wahn-)Idee einer autonomen Existenz, die sich eben nicht verpflichtet und bindet, und die sich allein über bezahlte Arbeit oder das Herstellen von Werken definiert, sollten wir nicht länger als Orientierung akzeptieren. (Die Unverschämtheit der Aussage gegenüber Patti Smith, sie habe in diesen Jahren ja "nichts gemacht", zeigt das überdeutlich.) Andererseits ist die Mutterschaft in unserer Gesellschaft auch eine Falle oder kann zu einer werden. Denn: Die Kinder sind - wie ich jetzt erlebe - nur "Gäste" in unserem Leben. Viele Jahre habe ich keine Zeit für was anderes gehabt, als Mutter zu sein und einer - im Großen und Ganzen sehr befriedigenden - Berufstätigkeit nachzugehen. Das bereue ich nicht. Es hat mich verändert und zu der Frau gemacht, die ich heute bin (und die sich eben nicht aus "Texten" begreift. Ich habe immer viel gelesen, aber mein Leben ist kein Text und ich möchte auch keine Texterin/Schrifstellerin s e i n, sondern s ch r e i b e n als Teil dieses Lebens.). Jetzt - in der neuen Situation, mit den beinahe erwachsenen - Kindern habe ich nach meinem Empfinden sehr viel Zeit. Und ich kann sie nutzen... Das ist doch eine wunderbare Erfahrung. Ich habe Patti Smith im vorigen Jahr on stage gesehen, an einem Abend, an dem es ihr gesundheitlich schlecht ging und sie trotzdem unglaublich präsent war. Sie strahlt genau das aus: Dass sie ein Leben hat u n d dass sie dichten und singen und spielen kann, ohne dass eines das andere beschädigt. Aber: Nicht alles gleichzeitig. Genau. Babel Revisited

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