Mittwoch, 29. August 2012

IN DER MANEGE. Kevin Rowlands Wiederkehr


Ein Betrag von Morel

"Oh mein Elend...ich beschloss, alter Rockjournalist zu werden, einzig um dieses reife Alterswerk beloben zu können." (Clara Drechsler)

Wenn irgendein junger, kraftstrotzender Popstar mit einem Überraschungshit im großen Popsommer 1982, einem Lied über katholische Mädchen und die Lächerlichkeit einsamer Junggesellen, voller Geigen und keltischer Volkstanzmelodien, ein Lied, das in den nächsten Jahrzehnten auf jeder Abiturjahrgangsfeier kurz nach Mitternacht gespielt würde, wenn dieser Popstar seinen Hitparadenruhm konservieren wollte, würde er auf Nummer Sicher gehen und dieses Lied immer weiter spielen, sich selbst plagiieren, bis er die Band durch vorproduzierte Synthesizer-Tracks ersetzen könnte. Aus den Erlösen würde er sich ein Landhaus in der irischen Provinz kaufen, hin und wieder eine Benefizveranstaltung, Interviews mit alten Rockjournalisten die für Zeitschriften mit Anzeigen für Pink-Floyd-Box-Sets  und Geländewagen schrieben, eines Tages wäre das Geld endlich verbraucht und die Zeit gekommen für die Reuniontour mit einem Orchester voller Bläser und Geigen, drei Sängerinnen und irgendjemand schriee aus dem Publikum: Judas, oder Halt.

Da es aber nicht so ist, Kevin Rowland, folgte auf Ihren Nummer 1-Hit Come on Eileen nicht Come on Eileen II, sondern Don't stand me down. Statt zerrissener Jeans und zu weiter Pullover, war die Band plötzlich gekleidet wie für ein College-Jahrbuch, gedruckt an der amerikanischen Ostküste (und das ca. zwei Jahrzehnte bevor New Yorks Hipster diesen Preppie-Stil für sich entdeckten). Darauf dann ein über zehnminütiger Song, in dem Sie sich mit irgendeinem Freund in der Gastwirtschaft Ihrer Wahl darüber unterhalten, wie eine mysteriöse SIE eigentlich so sei (This Is What She's Like), ein Vorhaben, das wie so viele in Ihrem Leben scheitert, wenn auch auf glückliche Weise, die Italiener meinen Sie ganz am Ende, hätten ein Wort dafür. "What word - what is it? - A thunderbolt or something. What, you mean the italian word for thunderbolt? Yeah something like that. I don't speak Italian myself you understand. No. But I knew a man who did. Diese Art von Humor, die immer kurz vor jeder Pointe abstirbt. Außer der großen deutschen Poppoetin Clara Drechsler (und in aller Bescheidenheit mir) wollte da keiner zuhören, diesen Reminiszenzen an vergessene Popsingles, dem Ärger über das Radio und dem Ekel vor Kompromissen. Also stahlen Sie die Tapes aus den Electric Ladyland-Studios und sich heimlich aus der Manege. Ihre Auftritte hatten immer etwas von Zirkus und Vaudeville, mit ungefähr 20 Musikerinnen und Sängern, vorher liefen Lieblingslieder, Otis Redding, Aretha Franklin, Van Morrison, dann erstrahlte die Bühne in gleißendem Licht und tausend Farben und die Vorstellung begann. Jetzt war die Bühne eben leer. Was Clara Drechsler in ihrer Spex-Eloge aus den 80er Jahren noch befürchtet hatte, wurde wahr, die nächste Platte widmeten Sie dem Country. Vorzeitiges Altern.

Dann aber wie in der Geschichte von F. Scott Fitzgerald, The Lost Decade, ein Jahrzehnt lang nichts, Drogen, zerbrochene Beziehungen, Dunkel, hin und wieder fragt sich jemand, was macht eigentlich Kevin Rowland, bis Sie am Ende der 90er wieder die Manege betraten mit My Beauty, einer Kollektion von Schlagern, von Daydream-Believer bis The Long and Winding Road, so gerne wären sie Judy Garland gewesen oder Frank Sinatra, aber Ihre Schönheit war nicht die Schönheit der männlichen, Bier trinkenden Rockkritiker, die nur immer voller Entsetzen auf das Coverbild des Mannes in Strumpfhosen, Straps und halb ausgezogenem Abendkleid schauen mussten, des Mannes, der Frauenkleider einfach nur schön fand. Also wieder ab in die Vorhölle der One-Hit-Wonder, aber sie hatten es in ihrem Vorwort zu My Beauty versprochen, dass diese Lieder ihre "frightened world" durchdrungen hätten.  Das Publikum auf der Galerie wartete.

Es gingen also wieder mehr als zehn Jahre ins Land, bevor erste Fotos Ihrer neuesten Inkarnation als Londoner 30er Jahre Gangster auf Facebook auftauchten. Musikalisch dagegen kehrten Sie auf One Day I'm going to soar (erschienen 2012 auf Buback) als der wiedergeborene Isaac Hayes, Mavin Gaye oder Curtis Mayfield zurück, der zornige, zerknirschte und flehende Mann, der Mann, der nicht lieben kann, wie ein fröhlich trällernder Frauenchor im Refrain bestätigt, incapable of love. Und so stellen Sie Ihr ganzes Leben auf die Bühne, weil die Wahrheit ja eh nur auf der Bühne zu ertragen sei, wo keiner sie glaubt, dort machen Sie der großartigen Madeleine Hyland Ihre hohlen Versprechungen bis diese explodiert und Ihnen sagt, Sie sollten endlich einmal das Maul halten, atemberaubend, der schmeichelnde, werbende und lügnerische MANN zum Schweigen gebracht von der lauten, starken und energischen FRAU, I'm always going to love you. Hört man diese Platte, könnte man denken, dass Sie sich nun, wie es in einem Ihrer Songs heißt, lang genug bestraft hätten, um endlich an die eigene Seele zu glauben. Sicher aber ist auch das nicht.   

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen