Montag, 6. August 2012

LAKONIE (Das Ende der Handschrift)



(Ff. zu "Fabelwesen")

Diese Datei musste auf dem Rechner durch ein Spezialprogramm rekonstruiert werden. Es ist offenbar Mühe darauf verwendet worden, sie endgültig zu löschen. Indes sind solche Versuche heutzutage meist zum Scheitern verurteilt. Wer sicher gehen will, muss mechanische Kräfte zum Einsatz bringen oder die ganze Hardware im Fluss versenken.
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Was mit jener Begegnung im Reptilienhaus begann, hat mich über meine Grenzen geführt, obwohl er mich später nie mehr berührte mit seinen eigenen Händen. „Schlangen verfügen nicht über Extremitäten“, ließ er mich wissen. Auch das Wort richtete er nur noch vermittelt an mich. Er schickte mich zu diesem und jenem. Er riet mir zu solider Technik, der Geisttöter. Er wünsche mich, so ließ er mir ausrichten, ausgestreckt auf dem Waldboden liegend, nackt, die Arme aufgestützt, sollte ich auf dem feuchten Laub meine Empfindsamkeit schulen. Das gelang vorzüglich, denn ich holte mir eine Blasenentzündung. Das entzückte ihn merklich. Er ließ sich berichten, wie es in meinem Loch brannte. „Halt das Phone dicht an den Strahl“, bat er und hörte dem Plätschern zu bis es verklang. Es glühte in meiner Leibeshöhlung und er, so behauptete er, konnte dieses Glühen spüren auf seiner Haut. Es errege ihn sehr.

Das trieb G. in den Wahnsinn, wie man so sagt. „Glaubst du, es war Liebe?“, schrie er mich an. Das glaubte ich nie. Ich gestand ihm ohne Weiteres zu, wie verknautscht der Andere sei und wie zerknirscht ich mich fühlte, wenn ich mich vorführte und dass die Reue mich erfüllte, später, wenn ich in G.s Armen lag, der offenbar stark getrunken hatte, aber mich dennoch erfrischte und stärkte mit seiner Wut. Sein Name sei...wir sprachen ihn niemals aus. Es war gegen den Brauch, an den wir uns hielten, fast bis zum Schluss. Es waren öde Kerls, zu denen er mich sandte. Dennoch erfüllte mich jedes Mal von Neuem die Neugier. Dabei war es immer geschmacklos, wie ich G. später berichtete. „Hättest du geschwiegen.“, stöhnte er, bevor auch er Schindluder mit meinem Körper trieb, hasserfüllt. „Ich sterbe zu langsam“, wollte ich ihm sagen, als ich am Ende war. Da hatte er das Gespräch schon beendet. Die Leitung war tot.

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Die Patientin B. so geht aus dem Bericht hervor, beantwortet keinerlei Fragen. Es kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, wer diesen Text verfasst hat. 


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3 Kommentare:

  1. Diese "Fabelwesen"-Serie fixt mich wirklich an! Geht hoffentlich noch weiter.

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  2. Liebe Melusine,
    mich interessiert sehr, wieso Du dieses Fragment mit 'Lakonie' betitelt hast. (Wo mich doch Lakonie prinzipiell sehr reizt. Aber Du musst es mir nicht verraten, wenn es dem Denken Deiner Leserinnen überlassen sein soll.)
    Im Übrigen schließe ich mich Sanne an. Diese Serie übt auf mich eine ähnliche Faszination aus wie der Melusine-Roman.
    LG, Iris

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  3. @Sanne Das freut mich und ich hoffe auch, dass es weiter geht. Manchmal weiß ich es aber nicht genau. Bei FRAUENSACHEn" dachte ich auch, sie müssten weitergehen, mindestens bis zu Judith Tod. Aber so war´s nicht. (Wer weiß, allerdings...)

    @ Liebe Iris, ja, warum? Die Texte zu "Fabelwesen" entstehen aus einer Mischung aus autobiographischen Fragmenten, Palimpsest und...ich nenn es Poesie, aber ob es das ist?. Dieser nun hier ist nicht sehr "poetisch" (im Vergleich zum Beispiel zu Übertragungshäute, sondern eher lakonisch. Er wird ja auch "Hinter Gittern" veröffentlicht (Vielleicht wäre das passender gewesen als Titel?) Das Wort "Lakonie" stand in einem der Texte, die überschrieben wurden. Ich glaube, bin aber nicht sicher, es war der von Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein ;-).

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