Donnerstag, 9. August 2012

PRANAYAMA: Yoga-Weisheit


Jede Veränderung beginnt in uns.

Ausgelaugt war ich gestern Abend, enttäuscht auch auf sonderbare Weise, dass sich keine Erleichterung einstellte, kein Hochgefühl, obwohl oder weil ich mir gesagt hatte: „Das war´s. Das ist der Schluss.“ (des Romans „PUNK PYGMALION“). Vielleicht liegt es daran, dass „der Roman“ als Gattung mir fragwürdig ist und mir diese Form eher „unterlaufen“ ist, als dass ich sie angestrebt hätte. Alle meine Schreib-Projekte beziehen sich auf das Format des Blogs, das für mich eine Entdeckung war und es mir ermöglichte jene Form des Schreibens zu verwirklichen, die ich schon vor mehr als 20 Jahren gesucht, aber für die ich damals kein Format gefunden hatte: das Serielle, Erzählstrukturen auflösende, Vernetzte, Korrigierbare, Flüssige, Unfertige, das sich aber eben nicht mehr als „romantisches Fragment“ doch auf „das Werk“ als „Urtyp“ bezieht; die Unabschließbarkeit nicht als Wunde oder Versagen ausstellend, sondern als Chance nutzend. Vor allem hat mich die Frage der Zeit (erzählte Zeit  im Verhältnis zur Erzählzeit) und die Chronologie im Erzählen interessiert, für deren Behandlung sich im Blogformat aus meiner Sicht ganz neue Möglichkeiten eröffneten. Auch die PUNK PYGMALION-Idee entstand aus solchen Überlegungen. Indem aber Briefe aus den frühen 80er Jahren als Material benutzt wurden, aus einer vordigitalen Zeit also (den ersten Computer als Schreibgerät benutzte ich im Jahr 1989), ergab sich der Bezug zum Briefroman fast zwangsläufig – und der Inhalt der Briefe und der Rahmenhandlung weckte Erinnerungen an den Prototyp einer solchen Dreiecksgeschichte im "Briefroman-Format": Goethes Werther. Über diesen Umweg geriet  dann auch die Rolle des Herausgebers (in meinem Fall der Herausgeberin) in meinen Fokus. So entstand unter der Hand „ein Roman“ aus dieser Blog-Serie, den ich schließlich auch so nannte: „Ein Blog- und Brief-Roman“.  Ob es so was geben kann und das so was geworden ist, das „am Stück“ funktioniert, kann ich (noch) nicht beurteilen. Ich selbst habe das „Werk“ noch nicht komplett ausgedruckt, sondern bloß eine Rohfassung auf meinen Kindle geschickt. Andere lesen es jetzt und ich bin gespannt auf deren Reaktionen.

Gestern Abend also fühlte ich, wie dringend ich eine Entspannung brauchte, ein auch körperliches Loslassen dieses Projektes. Meine Yoga-Übungen halfen mir. Ich ergänzte sie gestern mit ausführlichen Atem- und Mediationsreihen, die mir sehr wohl taten. Heute früh noch spürte ich die sanfte und gelöste Stimmung, in die mich das Üben versetzt hatte. Ich erinnerte mich daran, wie ich zum Yoga gekommen bin. Das war, als ich an einem Seminar zu vergleichender Religionswissenschaft teilnahm. Wir waren 25 Teilnehmer:innen. Im Anschluss an einen Vortrag über den Buddhismus bot die Professorin an, am Abend an einer Yoga-Einführung teilzunehmen. Etwa 15 von uns nahmen das Angebot an. Unter denen, die sich nicht dafür entschieden, sind mir zwei unangenehm in Erinnerung geblieben. Während die meisten ihre Entscheidung mit ihren persönlichen Präferenzen begründeten, konnten diese beiden sich nicht enthalten, das Erkenntnispotential dieser alsiatischen Lehre rundweg zu leugnen oder lächerlich zu machen. Der eine war ein evangelikaler Fanatiker, von dem wir diese intolerante Haltung schon gewohnt waren. Was seinen Glaubengrundsätzen nicht entsprach, war aus seiner Sicht nicht nur Unfug, sondern sogar Frevel. Es war ihm auch ein Bedürfnis, uns "Ungläubige" bei jeder Gelegenheit über seine Position und seine Abscheu aufzuklären. Wir lernten ihn zu ignorieren. Der andere war ein Philosophie-Student, der uns in jeder Veranstaltung mit Kant, Hegel oder sonst was traktierte und alles, was die Dozenten, die Religionshistoriker waren und im Wesentlichen deskriptiv arbeiteten, vortrugen mit Hohn, Spott und Verachtung überzog. Als von Yoga die Rede war, musste er uns sofort mitteilen, wie lächerlich er die Sache mit dem „OM“ fand und wie bescheuert aus seiner Sicht alle waren, die sich solchen Methoden hingaben und einbildeten, dabei etwas lernen zu können. Während die anderen, die kein Yoga ausprobieren wollten, ihre Entscheidung (wenn überhaupt) ganz schlicht mit ihrer Lust oder Unlust begründeten, mussten diese beiden die Teilnehmenden als Idioten abwerten. Das wurde auch mehrfach wiederholt. 

Ich fand das damals schon sehr interessant. In unserer Gruppe war beispielsweise auch ein orthodoxer Jude, der gleichfalls nicht an den Yoga-Übungen teilnahm. Er hatte einfach gesagt: „Das steht im Widerspruch zu meinem Glauben und ich möchte nicht teilnehmen.“ Damit war das erledigt. Ihm fehlte offenbar das Bedürfnis, Aussagen über die anderen zu treffen, deren intellektuelle Fähigkeiten oder ihre moralische Integrität in Frage zu stellen. Was treibt dagegen jemanden, der zwanghaft das Andere, ihm Fremde bekämpfen, abwerten, herabwürdigen muss? Eine ähnliche Haltung habe ich auf beiden Seiten auch in der Diskussion (gerade in den „Sozialen Netzwerken“) zur Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen beobachtet. Auch da fühlten sich einige  Atheisten bemüßigt, jede religiöse Überzeugung als Grenzdebilität zu markieren, während umgekehrt einige religiöse Fanatiker jede Kritik an religiösen Praktiken als „gottlose“ Amoral brandmarken mussten.

Mir hat der Einstieg in die Yoga-Praxis in vielerlei Hinsicht neue Perspektiven eröffnet, wofür ich der Referentin von damals noch immer sehr dankbar bin.

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