Dienstag, 18. September 2012

DIE EINGEBILDETE KOPFGEBURT ("Da lacht sogar Athene")

Ein Beitrag von BenHuRum



Die fiktive Gebärmutter der genialen Kontingenz

„Sehen Sie, ich weiß nicht, wie weit ich Sie ins Vertrauen ziehen kann.“ Sie lächelte aufmunternd. „Es ist nicht so, wie es scheint.“ Das war offensichtlich. „Ich wollte nicht, dass jemand darunter leidet. Das müssen Sie mir glauben.“ Sie vertiefte das Lächeln um ihre Augen, aber die Mundwinkel hielt sie auf gleicher Höhe. Sie wunderte sich selbst darüber, wie leicht es ihr fiel, diesem Wesen in die Augen zu schauen. „Ich war verzweifelt. Glauben Sie mir.“ Die Muskeln um ihre Augen fingen an zu schmerzen. Sie senkte den Blick und rührte mit dem Löffel in ihrer Teetasse. „Alles hatte sich gegen mich verschworen.“ Er schaffte es, seine Stimme belegt klingen zu lassen und seinen Augen einen feuchten Glanz zu verleihen. Er war wirklich ein  kümmerliches Geschöpf, wie er da kurz und klapprig hinter dem Tisch kauerte und sein Wasserglas drehte. Er hätte ihr leid tun können, wenn sie nicht so heftigen Ekel verspürt hätte. „Sie glauben doch an mein Talent?“ Sie wusste, das war das einzige, was ihn interessierte. Er war sehr weit gegangen, weil er in seinem verhassten Körper eine Begabung verborgen wähnte, die ans Licht drängte. Er hatte seine Eltern verleugnet und geschmäht und die Geliebte, die seine Tiraden satt gewesen war, als Banausin verhöhnt. Er brauchte jemanden, der an ihn glaubte. „Sie sind ein Mutant aus der Röhre?“ Er zuckte zusammen. Dann schaute er sie aus wilden Reptilienaugen an. Sie schreckte zurück. „Wie können Sie es wagen?“, seine Stimme zitterte vor Zorn. „Ausgerechnet Sie.“ „Ich wusste, dass Sie  einen Rollator brauchen. Aber dass sie mir einen gebärfähigen Schoß anbieten wollen....“ Sie konnte ein Lachen trotz der plötzlich aufgekommenen Furcht nicht unterdrücken. „Ich habe geboren.“ „Sicher.“ Sie wollte ihn beruhigen. Im Grunde war es ihr schon vorher völlig gleichgültig gewesen und sie hatte sich nur widerwillig zu diesem Treffen überreden lassen. Sie wollte nur noch raus, weg von dieser widerwärtigen Kreatur, die aus der Maschinerie der Poetik geschlüpft war wie ein entfleuchter Virus aus dem biologischen Waffenlabor. „Sie werden ihr Kind schon unterbringen.“, säuselte sie. „Ganz bestimmt.“ „Helfen Sie mir.“ Das Monster versuchte tatsächlich mit seiner Kralle über den Tisch nach ihrer Hand zu langen. Das war genug. „Rühren Sie mich nicht an.“, fauchte sie und sprang auf. „Was für eine schreckliche Kopfgeburt muss das sein, die aus Ihnen gekrochen ist.“ Sie sprang auf. Er sackte in sich zusammen. Aber sie hatte seinen Blick noch aufgefangen, bevor er den Kopf senkte. Der Hass war grenzenlos. Sie würde sich von nun an vor  ihm und seiner Brut in Acht nehmen müssen.

(Text: M.B./J.S.P.)

5 Kommentare:

  1. Weil´s Fragen gab: Ähnlichkeiten mit Lebenden oder Toten sind nicht zufällig, aber auch nicht spezifisch, sondern unausweichlich ;-).

    AntwortenLöschen
  2. Wie einem beschränkten Hirn die Gegenständlichkeit ohne Gegenstand sich verschließt, zeigen Sie Tag für Tag auf amüsante Weise.

    AntwortenLöschen
  3. Danke! Nichts ist beruhigender, als das Bewusstsein, gegen diese Invasion immun zu sein. Ich wusste, dass Sie sich getroffen fühlen würden. Andere glauben sich aber auch gemeint ;-). Es steckt aber niemand "Bestimmter" dahinter. "A part, a large part, of travelling is an engagement of the ego v. the world.... " (Sybille Bedford)

    AntwortenLöschen
  4. dieser text ist wieder schönes beispiel dafür warum ich hier so gerne lese. ich musste sehr, sehr schmunzeln, warum nur? auch fehlt dem text zu seinem glück, der plakative feminismus. manchmal ist weniger eben doch mehr. ein wenig ist es wie beim joggen; am anfang konzentriert man sich noch sehr auf atmung, laufschritt, abrolltechnik; in der bewusstheit alles korrekt und richtig auszuführen. aber irgendwann einmal, fällt dies weg und dann läuft man, ausschließlich und dann ist man drin in dem flow, der einen trägt. trotzalledem, ab und an muss auch der läufer, strecken, distanzen und geschwindigkeiten reflektieren, aber weniger verbissen als am anfang.

    AntwortenLöschen
  5. @Frau Wunder Danke! Plakativ oder nicht -ich schreibe immer als Feministin.
    Laufen ist nicht so mein Ding - ehrlich gesagt! Ich mach Yoga - ganz ohne Ehrgeiz. Eine Grenze kennenlernen, ohne sich zu überhitzen ;-). Momentan ist die Schildkröte jenseits meiner Grenze. Das ist eine Asana, die den Geist nach innen richten soll. Eben das liegt mir nicht so. "Drum brauchst du es.", sagt meine Yoga-Lehrerin. Aber die Beine sperren sich (oder die Arme?).

    AntwortenLöschen