Samstag, 15. September 2012

"The womb is the tomb"...

ist einer jener Sätze, mit denen er mir metaphorisch in die Magengrube schlug: der dunkle Ritter, Annie/Armgards Liebhaber. Ich hatte den Ehe-Roman "Melusine featuring Armgard" begonnen, ohne dem düsteren Liebhaber, der Ende der 70er Jahre in Sydney geboren wurde, hinreichende Aufmerksamkeit zu schenken. Das rächte sich. Denn er forderte sie ein, nahm sie sich. Wollte verstanden werden, was mir unmöglich war. Ich musste ihn reden lassen, einreden gegen meine Gewissheiten. Alle romantische Projektion haben seine Haßtiraden zerstört. Die Süchte, denen er sich überließ, und die Exzesse, die sie gebaren, entzauberten seine düstere Ausstrahlung. Ich musste wieder lieb gewinnen, was mich ekelte, um weiter schreiben zu können. "The womb is the tomb." Er sagte, seine Mutter habe ihn gehasst. Die Melusine blieb kinderlos, während ich, Armgard, die Söhne aufzog. Es führt immer wieder alles auf diese Spur zurück: Mütter und Söhne. Eine Hexe unter dem Meer. Sie werden das nicht verstehen. (Ich kann es Ihnen nicht erklären.)

Der in umgekehrter Chronologie erzählte Ehe-Roman "Melusine featuring Armgard" (Inhaltsangabe), mit dem ich nach 20 Jahren Pause wieder zu schreiben begann, wurde monatelang nicht fort- bzw. zurückgesetzt. Ich hatte die Bindung verloren, die Beziehung zu Tom Hell, dem Katalysator, ohne den es nicht vorangehen kann und der mir immer fremder, aber nicht unheimlicher wurde. Aus Mitleid kann keine Erotik entstehen. Stattdessen schrieb ich einen anderen Roman "fertig". (Der im Oktober, wenn ich zwei Wochen frei habe) zu überarbeiten ist, gründlich, indem die Hinweise und Überlegungen eingearbeitet werden, die mir unter anderem Claudia, Iris und der Bücherblogger als kritische Erstleser:innen gaben. Ganz herzlichen Dank dafür!) 

Nun spricht er wieder: Tom Hell. Seiner Verzweiflung muss ich mich stellen. Aber ich werde ihn nicht entblößen, indem ich sein Drogendelirium nachstelle. Er soll nicht Mitleid erregen, sondern schön sein. Er ist schön. Er weiß es. Das ist immer ein Problem. 


Das nächste Kapitel von MELUSINE FEATURING ARMGARD ist erschienen:


...


"Nächste Woche, Annie, nächste Woche sind sieben Tage, sieben Tage, die ich damit verbringe, mir in der S-Bahn Mädchen auszusuchen, schöne Mädchen, dunkelhaarige mit aparten Gesichtern, langbeinige Blondinen, zierliche, blasse Rotschöpfe, kühle Brünette, keine älter als zwanzig, mit langen Haaren, die ihnen über die Schultern fallen und  Lippen, die sie zu einem ironischen Lächeln schürzen, das sie mir schenken: „Geht was?“ Weißt du das eigentlich, Annie, weißt du das, wie die Mädchen hinter mir her sind, immer schon? Nie habe ich Schwierigkeiten gehabt, eine zu finden, die mich mitnimmt. Ich gehöre nicht zu den Männern, die sich einbilden, sie könnten jede haben, aber ich kriege immer genug. Da ist was an mir, sagt Karim, was sie hinreißt, was Dunkles, Brodelndes. Ich brauche das nicht zu inszenieren, das ist einfach da, mein dickes widerspenstiges Haar, das ich wüst um den Kopf stehen lasse, die tiefliegenden Augen, vor allem die Falte über die Stirn, die mich älter und erfahrener macht, als ich bin. Sie wollen mich. Sie wollen diese Düsternis mit ihrer Heiterkeit erhellen. Sie wollen mich lachen machen, um mich dann zu verlassen. Denn das weißt du auch nicht, Annie, dass ich sie haben kann, aber keine halten. Du brauchst mich nicht zu bedauern, deswegen, denn ich habe das auch nie versucht. Mir reicht es, sie zu erobern, sie hinzureißen und niederzuwerfen und ihr Glucksen zu hören an meinem Ohr, wenn sie sich ergießen. Das reicht mir."

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2 Kommentare:

  1. Nicht zu fassen, wie fleißig Du bist. (Ich versuche, mir ein Beispiel zu nehmen.)
    Schön, dass es weitergeht!

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  2. Es ist kein "Fleiß". Ich muss es tun. Jetzt. Und schnell. Ich habe 20 Jahre "aufzuholen". Denke ich manchmal. Dann wieder mühe ich mich, gelassener zu sein. Ich schreibe, weil ich muss und will. Und ich will keine Schriftstellerin sein. Das macht mich frei. Deshalb "fließt" es. (Wenn es nicht stockt.) ;-) LG

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