Sonntag, 4. August 2013

"Es ist unmöglich, sich nicht in Frances Ha zu verlieben..."

Mickey Sumner und Greta Gerwig in "Frances Ha" von Noah Baumbach

So steht es auf dem Film-Plakat. Was auf Werbeplakaten steht, stimmt sonst eigentlich nie, oder? In diesem Fall stimmt es. Jedenfalls bei mir. Ich bin verliebt. Bis über beide Ohren. In Frances Ha. Oder in ihre Darstellerin Greta Gerwig? 

Jedenfalls war es keine Liebe auf den ersten Blick. Ich fand sie hinreißend in "Damsels in distress", zugegeben. Aber mein Herz klopfte nicht schneller und ich konnte auch ganz gut schlafen, nachdem ich den Film gesehen hatte (Vielleicht konnte ich das heute Nacht nur nicht, weil zwischen 4 und 5 in der Früh ein Hubschrauber über diesem Wohngebiet kreiste?). Als Frances Ha aber hat Greta Gerwig mich erwischt. Nicht kalt, sondern heiß. Oder warm. Ich träume davon, mit ihr im Bett zu liegen und zu rangeln. Und natürlich zu schwätzen. Wie das so ist: das Leben, die Keine-Karriere, der Mischmasch von Liebe und Eigensinn, dem Wunsch nach Alleinsein und der Angst allein zu bleiben. Meinetwegen auch über Männer: welche mit künstlich auf alt getrimmten Baseball-Kappen, Doggy-Style-Fetischsten oder Paris-Liebhaber, Angst-vor-dem-Erwachsenwerden-Kultivierer und faszinierte Väter eines ersten Kindes. Aber nicht lange, nicht zu lange, sollte so ein Gespräch sich um Männer drehen. Das wäre mit ihr zum Glück ausgeschlossen. Witziger ist es nämlich, durch die Wohnung zu tanzen. Ein Ei aufzuschlagen. Die Treppe runter zu rennen. Immer in Bewegung. "Zieh die Socken aus im Bett; das ist eklig.", würde ich sagen. (Oder sie? Ich trage im Winter immer Socken im Bett.) 

Leider geht das ja nicht. Denn Frances Ha/Greta Gerwig hat schon eine "beste Freundin", Sophie/Mickey Sumner, und im Grunde handelt der ganze Film vor allem davon, wie diese Freundschaft in eine Krise gerät und trotzdem überlebt. (In den meisten Rezensionen zum Film, die ich im Nachhinein überflogen habe, steht diese Frauenfreundschaft allerdings nicht im Mittelpunkt, sondern wird er als Film über die Generation der jetzt 30jährigen verstanden oder mit Woody Allens auf heterosexuelle Beziehungsprobleme fixierten Großstadtkomödien verglichen. In nicht wenigen wird Sophie nicht einmal namentlich erwähnt. Das ist auch vielsagend, irgendwie.). Am Anfang wird das unperfekte, schöne Leben gezeigt, das die Freundinnen in New York führen, wie sie miteinander spielen, lachen, durch die Stadt flanieren, essen, kuscheln: "Wie ein lesbisches Paar, das keinen Sex mehr hat." Die Krise wird auch dadurch ausgelöst, dass beide heterosexuell sind und also in Beziehungen mit Männern verstrickt werden. Frances gibt ihrem Freund am Anfang den Laufpass, als er sie auffordert mit ihm zusammenzuziehen, weil sie weiter mit Sophie in der gemeinsamen Brookyliner Wohnung zusammen leben will. Aber Sophie hat schon andere Pläne: Sie zieht nach Tribeca, wo sie schon immer hin wollte und wo sich gerade die Möglichkeit ergeben hat, ein frei werdendes Zimmer in der Wohnung einer Freundin zu übernehmen. Frances kann es nicht zugeben, wie sehr sich verraten und verlassen fühlt durch Sophies Auszug. Von nun an driftet sie durch New York, wohnt mal hier, mal da in wechselnden WGs und bei Freunden auf der Coach. Sie ist Auszubildende bei einer Tanzkompagnie, in deren Studio sie auch Tanzstunden für Kinder gibt und träumt davon, mit dem Ensemble auf Tournee zu gehen, eine professionelle Tänzerin zu werden. Sophie schließlich liebt Patch, der irgendwann nach Japan versetzt wird, mit dem sie mitgeht, um in einem Blog witzige Fotos aus Tokio zu posten, aber sich in Wirklichkeit fern von ihren New Yorker Freunden, ihrer Arbeit in einem Verlag und vor allem ihrer Freundin Frances total unglücklich zu fühlen.

Ich bin verliebt in Frances Ha, die durch New York wirbelt, immer mit vollem Körpereinsatz, aber wie alle anderen sehe auch ich sofort, dass Frances Ha niemals eine Profi-Tänzerin werden wird, zu groß ist ihr Körper, zu wenig grazil ihre Fußgelenke und Beine, zu breit ihre Schultern, zu individuell und widerständig ihr Gesicht. Frances/Gerwig hat nicht diesen fragilen Tänzerinnen-Körperbau; das Schweben, die Grazie, die sie ihrem großen Körper verleihen kann, ergibt sich nicht aus der Spannung zwischen Zerbrechlichkeit und disziplinierter Kraft, sondern aus dem entspannten Eigensinn, den sie in den Momenten entfaltet, in denen sie glücklich ist. Greta Gerwig ist der Star des Independent-Kinos, in deren Gesicht und Körper sich eine Idee von Schönheit jenseits von Kleidergröße Zero, klein operierten Nasen und perfekter Symmetrie manifestiert. 

Frances bewegt sich nach der Trennung von Sophie ohne Halt durch New York. Den Tiefpunkt erreicht sie, als sie zuletzt in ihrem ehemaligen College als Kellnerin einen Sommerjob annimmt. Was sie nie verliert, ist ihre naive Bereitschaft, Anteil zu nehmen am Kummer der anderen, nicht zu verurteilen und trotzdem nicht überall mitzumachen. Sie hält treu zu ihren Idiosynkrasien. Aber die Zweifel wachsen, ob sie nicht zu alt ist für dieses unbestimmte, stagnierende Leben. Frances ist 27 und sieht auch so aus. Sie ist kein Mädchen mehr, aber sie hat ihre Haltung als Frau noch nicht gefunden. Im traditionellen Hollywood-Film käme jetzt Mr. Right um die Ecke, um es zu richten. Hier nicht. Frances hat noch einmal Hoffnung, dass Sophie zu ihr zurückkehrt, als diese sich mit Patch zerstreitet und eine Nacht wie früher in Frances Bett verbringt. Aber diese Lösung wäre zu einfach. Das Mädchen-Leben ist mit 27 endgültig rum. Sophies Partnerschaft mit Patch ist, trotz und wegen so eines Streites, stabil, und Frances lernt ihr eigenes Leben zu organisieren: Sie gibt dem Traum, eine Tänzerin zu sein auf, verdient sich das Geld für ein eigenes Appartment als Sekretärin der Tanzschule und studiert nebenbei mit einer eigenen Truppe eine Choreographie ein. "Wem machst du schöne Augen?", fragt Frances ehemalige Tanz-Ausbilderin sie, als sie die erste Aufführung dieser Truppe in höchsten Tönen lobt. Frances hört ihr nicht zu. Ihr Blick sucht Sophie, die mit Patch am anderen Ende des Raumes steht. Ihre Blicke treffen sich und sie lächeln sich zu. Alles ist anders als erträumt: Frances wird keine berühmte Tänzerin und Sophie wird als Verlegerin kein dickes Coffee Table Book über sie herausbringen. Und trotzdem.

Was bleibt: Das Leben ist nicht perfekt. Niemals vollständig. Es ist immer noch Zeit für Träume. Für Ergänzungen. Weiterungen. Abstände. Frances schreibt am Ende in großen Buchstaben ihren Namen auf ein Schild für den Briefkasten ihrer neuen Wohnung. Aber so passt es nicht rein in den Schlitz. Sie knickt das Papier einfach ein. Aus Frances Haliday wird Frances Ha. Einfach so. Man kann sich nicht durchs Leben tanzen. Aber man kann manchmal so tun. Immer wieder. Ein bisschen.

Greta Gerwig hat das Drehbuch zu diesem Film zusammen mit Regisseur Noah Baumbach geschrieben (der "im richtigen Leben" ihr Lebensgefährte ist). Der Film ist in Schwarzweiß gedreht, als Hommage an Truffaut und Woody Allen, aber auch um der "einfachen" Figur Frances Ha von Anfang an das Gewicht und die Schönheit zu verleihen, die sie verdienen. Greta Gerwig hat in Interviews offen bekannt: Schwarzweiß schmeichelt jeder Schauspielerin. (Nun ja, nach meiner Meinung - aber ich bin eben nicht objektiv, s.o.-  hat sie das nicht nötig.)

Es ist natürlich nicht so schön, in eine verliebt zu sein, in die - wie das Plakat verkündet - sich auch alle anderen verlieben. Andererseits: Ich bin eh zu alt für Frances. Und bei so vielen anderen macht es auch nichts, wenn Sie noch dazukommen.

Verlieben Sie sich in Frances Ha!

Zur offizielen Seite des Films: http://www.franceshamovie.com

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