Sonntag, 18. August 2013

WUNDERBARE MÄNNER-FUSSBALL-FIKTIONEN

Es geht wieder los. 1. Heimspiel Eintracht Frankfurt Saison 2013/14


Schöner wär´s - wie immer - wenn´s schöner wär´. Das bezieht sich auf Titel, Themen und Thesen. Hier folglich: Ein Titel mit Alliterationen, ein Sieg gegen Bayern und die Fiktionalität der Fußballanhänger. (Achtung, Denksport!)

Erstes Heimspiel. "Fan geht vor!" kommt mit einer fetten Sonderausgabe zu Euro Drei. Gerechter Preis. Denn eingeschweißt ist auch noch eine DVD mit den schönsten Fan-Gesängen und Kurve-Choreographien. "Wenn ich eine Goregaphie machen tät´, dann hätt´ ich ´Lederhosen aus´ gemacht.", sagt der G. Der G. versteht das Riesentransparent, das heute über der Kurve ausgerollt wird, besser als ich, denn der Papa vom G. geht gelegentlich in die Bar, die der Chef von den Ultras betreibt. Oder so. Der Papa vom G. ist mein Bruder. Aber der G. sitzt bei mir, weil man von Reihe vier aus den Ribéry besser schnaufen hören kann, als weiter oben, wo der Papa vom G. und sein Bruder sitzen und wo man angeblich den besseren Überblick hat, weshalb wir auch immer in der Pause den Papa vom G. und E., das ist der Bruder vom G., fragen müssen, wie das denn so war. "War´n Tor, oder?", kreischt der G. Und ich rufe hinterher: "Betrug. Wie immer. Die Bayern bestechen die Schiedsrichter. Hoeneß in den Knast." Mein Bruder nickt. Was soll er auch sonst machen? Und nippt an seinem Bier. "Auf Sky war´s arschklar zu sehen.", sagt der A., der sich neben meinen Bruder in die Sonne gehockt hat. Der A. hat das, wie viele andere auch, gleich mal mit seinem Smartphone gecheckt. 1:1 ständ´s, wenn´s schöner wär´. Wenn der Gagelmann nicht wär, der Saubazi. Wenn´s wär, wie´s sein sollt. "Schiebung.", brüllen der E. und G. "Ganz genau", sag´ ich. "Merk dir den Namen." "Gagelmann", nickt der E. Ich weiß, dass ich dem E. vertrauen kann. Der kann sich Namen merken, anders als ich. Der Gagelmann wird nächstes Mal ausgepfiffen, kaum dass er aus der Kabine kommt. So sieht´s aus.

In Wahrheit sind wir alle gar nicht so frustiert, wie wir tun. Nach der Klatsche gegen die Hertha war das Schlimmste zu befürchten. Und jetzt ständ´s sogar 1:1, wenn´s gerecht zuginge in der Welt. Aber das ist ja das Schöne am Fußball: Dass du die Differenz zwischen Ideal und Wirklichkeit immer präsent hast. Und ihr mit Surrealismus begegnest. "Wir werden Deutscher Meister. MEISTER!!!", schallt es im Stadion-Rund aus 50.000 Kehlen. Elle witzelt: "Das erlewwe mer noch. Und wenn ich 85 werd´." "Denn sitze mer da owwe in unsern Rollstühle." Elle ist auch wieder da. Und Helmut. Helmut hat sogar schon eins von den neuen Trikots mit Alfa Romeo drauf. Plus eine neue Mütze. Helmut schafft´s immer noch vor dem Spiel in den Fanshop. Der E. will ein Trikot von Meier zum Geburtstag. Eintracht-Trikots sind teurer als Bayern-Trikots. Jedenfalls mit Beflockung. Das macht die Nachfrage. Die Eintracht gewinnt nix und das Stadion ist trotzdem immer voll. Deshalb fühlen wir uns den Bayern-Fans überlegen. "Erfolgsfans", sagt Elle abfällig über die. Zwei von denen haben sich tatsächlich in unsern Block verirrt, schauen sich unsicher um. Heben ein bisschen die Arme, als das Tor für ihre Mannschaft fällt. "Arm.", sagt K. neben mir. "Echt arm." "So was kann aber jeder passieren.", sag´ ich.  "Ich hab´  einen Bayern-Fan daheim." Die K. schüttelt ungläubig und mitleidig den Kopf. Die K. hat keine Kinder. Die glaubt, das hätte man im Griff.

Der Elle spinnt die Fiktion weiter: "Da trinke mer dann des Bier aus unsern Schnabeltasse da obbe." "Und wippe in unserne Rollstühle, wenn mer singe: ´Wer nicht hüpft ist Offenbacher." Der Elle weiß auch, wie er sich die Fiktion glaubwürdiger gestaltet. "Isch hab scho Vorsorge getroffe. Mit enner Tochter haw isch jemand, der misch hinschiwwe tut." Der Elle ist seit letzter Saison Vater, dadurch hat er ein wenig an Eleganz eingebüßt, ist aber umgänglicher geworden und brüllt kaum noch das "H"-Wort. Die Freundin oder Frau vom Elle, die früher manchmal mitgekommen ist zum Fußball, kann jetzt natürlich leider nicht mehr ins Stadion, denn sie muss auf die Kleine aufpassen. So sieht´s aus. Das mag ich an Typen wie Elle, auch wenn das manche überraschen wird: Dass er die Stereotype so raushängen lässt. Der Elle spricht aus, wie´s ist. Wie´s auch bei denen meistens ist, die so ein bisschen geschlechtergerechtes Blabla von sich geben und auf "neuer Papa" machen Nicht alle natürlich; es gibt wie immer und überall Ausnahmen. (Und sollte mehr geben.)

(Aber meistens ist es doch so: Papa bespielt die Kleinen, wenn ihm da nach ist und es Spaß bringt - und hält ansonsten an seinen Gewohnheiten fest. Der elaborierte Papa aus den Gentrifizierungsvierteln hat nur ein bisschen ausgedehntere Rechtfertigungsdiskurse zum Thema Notwendigkeit und Karriere drauf, die sich die gestresste Mama dann auch noch anhören soll. Und auch damit hat Elle natürlich Recht: Dass seiner Altersvorsorge und -pflege mit einer Tochter, wenn sich nicht noch ganz viel ändert, besser gedient ist als mit einem Sohn. Ich habe jedenfalls noch von keinem Mann "in den besten Jahren"  - also zwischen 40-50 - gehört, den der Hausarzt seiner Mutter oder seines Vaters aufgefordert hätte, Teilzeit zu arbeiten, um seine Eltern zu pflegen. Das ist aber schon mehreren meiner Freundinnen passiert. Und viele tun es auch. Deshalb gefällt mir Elles Art, die Dinge beim Namen zu nennen, besser als das ganze Gerede über Quoten und so weiter und so fort. Mag sein, dass es in der Hauptstadt und anderswo in den Metropolen alles schon ein bisschen anders ist, weil sich da Leute in Insider-Zirkeln treffen und theoretisieren, die keine Kinder haben und wollen oder welche mit Kindermädchen haben oder deren in der Provinz zurückgebliebene Eltern entweder praktischer Weise direkt tot umfallen oder von Schwestern und Schwägerinnen gepflegt werden können, die - wegen nachgewiesener Provinzialität, geistiger Beschränktheit und mangelnder höherer Interessen - eh nix Besseres zu tun haben. Die Polemik gönn´ ich mir in Klammer am Sonntag. Statt eines Bratens.)

Ich mag Männer. Und Männer-Fussball. Die heterosexuelle Frau will halt auch was für´s Auge. Dante sieht einfach klasse aus. Kann eine nix sagen dagegen. Obwohl er für Bayern spielt. Schöne Waden, wo Frau hinguckt. Und Gänsehaut-Feeling. Die letzte Viertelstunde tobt die Arena. Es geht noch was. Geht noch was? "Hier regiert die SGE!" Der Gagelmann treibt´s auf die Spitze. Das war doch ein Elfmeter! Es ist wie immer gegen Bayern. Dusel. Für die. Der G. schreit: "Bayern-Schweine." Soll ich ihn zurechtweisen? Was wahr ist, muss wahr bleiben. Fiktionäre,  wie wir sind.  Später im Frankfurter Hauptbahnhof torkelt uns ein Bayern-Fan auf der Treppe entgegen. "Ist das hier Frankfurt?", quakt er. Und dann: "Ich bin voll wie Sau." So ist es. Wir haben ihn nicht mal die Treppe runter geschubst. Ich mag Männer-Fußball. Wunderbar. Ehrlich. Fiktionär. 

HIER REGIERT DIE SGE!




4 Kommentare:

  1. "...
    Aber das ist ja das Schöne am Fußball: Dass du die Differenz zwischen Ideal und Wirklichkeit immer präsent hast.
    ..."

    :), eigentlich: ;)
    Ich stellte mir diesen Satz "aufm Platz" gesprochen vor und die Gesichter ... göttlich! :) (gaaanz breites Grinsen)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hehe! GAAANZ breit! (Das probier´ ich aus. Beim nächsten Heimspiel. Am Elle.)

      Löschen
  2. Mir gefällt die zitierte Aussage ausnehmend gut. "Aufm Platz" bzw. am Spielfeldrand hörte und sprach ich sie kurz: So's Fußball.

    Die poetischste Phrase, die mir auf dem Platz gerufen unterkam (unterm Laufen, entsprechend betont vorgetragen), war: "Gib mich die Kirsche!" :)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Schön! Ja, im Fußball zeigt sich das ganze Leben mit all seiner Poesie. Wie schon unser aller Ror Wolf weiß...

      Löschen