Samstag, 28. September 2013

BESUCH (ein Traum)

(Träume sagtest du mir einmal, müsse man sofort notieren, unmittelbar nach dem Aufwachen, wenn ihre Spuren sich gerade aus dem Bewusstsein tilgen. Dieser hier, spüre ich, verschwindet gerade wie eine Fußspur im Sand, wenn die Welle darüber gleitet.)

"Es ist besser, die Teller von Hand zu spülen.", schlägst du vor. "Jemand könnte die Spülmaschine hören und sich wundern, wer zu Besuch ist." "Es sind nicht viele.", sage ich und blicke auf das schmutzige Geschirr. Du trägst noch mehr Teller herbei. "Nur noch die und die und die." Ich stimme dir zu, aber ich tauche meine Hände nicht in das lauwarme Wasser. Ich schaue zu, wie du die Arbeite erledigst. Im Nebenraum klappert deine Schreibmaschine, aber du stehst noch am Becken und kratzt die Speisereste aus der Pfanne. Ich ziehe die Augenbrauen hoch und sehe dich an. Du legst den Finger an die Lippen. Ich halte ganz still. Wir lauschen.

Die Anschläge werden schneller. Blätter fallen auf uns hernieder. Wir stehen in einem  Sturm aus Papier. Ich lasse meine Arme baumeln wie ein Baum im Wind. Du beugst dich nieder und hebst einige auf, hältst sie mir vor die Augen. Zahlenkolonnen, sehe ich, unverständliche Zeichen, ein Code, den ich nicht kenne. Ein paar Worte kann ich entziffern: Gabentisch, Anwandlung, Liebestrank, Wahnvorstellung Abstandszahlung, Abendempfang. Überdurchschnittlich viele A, scheint mir. Ich nicke, ich weiß nicht warum. Du lässt die Blätter wieder fallen. Ich schließe die Augen. So stehe ich still und um mich versinkt die Welt in deinen Zeichen. "Die sind doch nicht von mir.", sagst du. Plötzlich stehst du hinter deiner Staffelei. (Ich weiß, dass du mir verboten hast, das Wort ´Plötzlich´ zu verwenden. Ich versuche, dich mit einem Kichern zu besänftigen.) "Willst du sehen, was ich gemalt habe?" Ich schüttele den Kopf, sanft. Ich schaue stattdessen aus dem Fenster. Im Hof wird gejohlt. Die Bäume sind kahl. Standen sie nicht gestern noch in herrlicher Blüte? Das muss ich verwechselt haben. Mir ist kalt. Ich reibe mir die Arme. Die Papiere reichen mir bis zum Knie.

Du beachtest mich nicht mehr. Das saubere Geschirr ist jetzt ganz von Blättern bedeckt. Die Zeichen verwirren mich. Das hat alles gar nichts zu bedeuten. Du bist ganz in deine Arbeit vertieft. "Ich male kein Bild.", sagst du. Mir ist das egal. Ich will jetzt gehen, aber ich kann mich nicht mehr bewegen. Deine Worte stehen mir bis zum Hals. "Ich verwende keine Worte. Dieser Code kann nicht geknackt werden." Wieder muss ich kichern. Es ist nur wegen dem Knacken. Deine Maschine klackert lauter. Dass du immer soviel schreiben musst. "Du verwechselst mich", sagst du. "Ich war das nicht." "Du steckst trotzdem dahinter." Ich kann nicht mehr weg, aus deinen trockenen Papieren. Das war eine Falle. Du hast mich zugetextet. 

"Wach auf.", befiehlst du. "Die Nachbarn könnten sich wundern, wer hier zu Besuch kommt." Du ziehst die Spülhandschuhe aus.

Ich gehorche.

(Der Traum ändert sich, während ich schreibe. Ich weiß eigentlich nicht mehr, was du gesagt hast. Nicht einmal, wer du bist. Deine Küche ist verdammt klein. Auch für das Wort "eigentlich" wirst du mich tadeln.)

2 Kommentare:

  1. Das neue Label gefällt mir sehr. Ich kann mich kaum entscheiden unter welchen Text ich meinen Kommentar setzen soll. Ich blieb schon am ersten kleben. Diesem. Erst las ich das Du männlich. Gestern dachte ich, steht doch nix davon da. Nochmal nachgeschaut und Recht behalten. Ich gehorche mir oder ihr ...

    Dann hab ich mir noch vor ein paar Tagen ne neue Hose gekauft. Senffarben. Und beim Anziehen nen blauen Fleck auf meinem linken Oberschenkel entdeckt. Ich kann das Bild gut nachvollziehen. Dagegenstoßen im Dunkeln: hier ist Begrenzung, ist Form, Orientierung und Identifizierung der Dinge. Anders als flüssig, warm, lebendig. Formlos Zerlaufenes. Komisch, wo Licht fehlt holen wir uns lieber blaue Flecken als in warme Soße zu sinken.

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    1. Ich hab auch ´ne senfgelbfarbene Hose. Sollten wir mal zusammen losziehen mit den Hosen. :-)

      Keine Ahnung, wohin mich dieses "Label" führt. Fing einfach so an. Auch das Schreiben ist sehr spontan: direkt ins Netz. Ohne "Schlummer-Frist" irgendwo auf dem Laptop.

      Du und ich. Ich habe mir das "Du" auch zu Anfang männlich vorgestellt. Aber es wechselt das Geschlecht. Gelegentlich. Das Ich auch. Glaub ich. Wer weiß. ... LG

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