Freitag, 6. Dezember 2013

HUTZELWEIBCHENFLEISCH (ein Traum) oder: "ICH KANN AUCH NICHT FLIEGEN"

(Am Ende von diesem Traum brennt immer alles lichterloh. Ich klatsche in die Hände und fühle mich wunderbar böse. Dann wird mir schlecht. Davon habe ich dir nie erzählt. Nur von dem Triumphgefühl. Du sollst eben doch nicht wissen, wie es in mir aussieht.)

Die Hutzelweibchen machen mir Angst. Sie sind ausgedörrt und aufgebläht. Nicht vor Hunger. Die Hutzelweibchen fressen sich die Wampe voll. Sie schwärmen von fettigen Soßen und tellerüberlappenden Schnitzeln. Aber sie trinken nichts. Sie tunken lediglich die Brotrinden, die sie weich gekaut haben, in den klumpigen Brei, der über ihre Teller schwappt. Die Hutzelweibchen wiegen die Köpfe und sprechen im Therapiertenkauderwelsch. "Irgendwie fühl ich mich dabei nicht wohl", stöhnen sie. "Du musst erst einmal zu dir selbst finden", rufen die andern. "Hör auf deinen Bauch." Dabei fallen ihnen die Krümel auf die Kittel und sabbert es eklig aus ihren Mündern. "Meine Mutter hat mich immer irgendwie..." "Als Kind bin ich irgendwie..." "Ich muss mir selber vergeben..." "Vor allen Dingen sollte ich es langsam angehen..." "Das hat mich irgendwie von ihnen ausgehöhlt..." "Ich hab´ irgendwie zuviel von mir gegeben..." "Ich kann mich nicht genügend abgrenzen..." 

Die Hutzelweibchen erzählen vor sich hin. Keine stellt jemals Fragen. Die Hutzelweibchen kennen alle Antworten: Wie sie so hutzelig und verbogen und böse wurden. (Unvorstellbar, sage ich dir, dass die Hutzelweibchen Eltern haben. Sie sehen aus, als wären sie vor tausend Jahren geboren; aus einer Rinde gewachsen wie ein grässlich wuchernder Pilz.) Die Hutzelweibchen machen mir Angst. Hutzelweibchen können nicht fliegen und kriechen mit ihren Hutzelbeinchen über den Boden. Sie kommen kaum voran. Sie sind immer am kauen und reden. 

Hutzelweibchen misstrauen der modernen Kommunikation und klingeln an allen Türen. Dingdong. Dingdong. Hier steht das Hutzelweibchen vor der Türe. Ich habe aus Versehen geöffnet und jetzt sitzt sie in meinem Wohnzimmer. Was sag´ ich? Eine wär´ keine. Aber kaum war sie da, folgte ihr die nächste nach. Sie verschrumpeln mir alles. Ich habe mich unter dem Tisch zusammengekauert; aber ich fühle schon, wie mir die Haut krumpelig wird, die Augen schwach und der Rücken krumm. Ich habe Angst. (Hol mich hier raus.) Die Hutzelweibchen behaupten frech, während sie meinen Kühlschrank leeren, wir wären befreundet. 

Sie wissen, dass ich verzweifelt bin und mich nicht leiden kann.(Es tut mir leid, sage ich dir leise, aber ich muss die Bude mit den Hutzelweibchen jetzt abfackeln.) Das Hutzelweibchenfleisch riecht schauerlich süß, wenn es brennt. Der Qualm dringt unter meinen Tisch. Ich kriege keine Luft mehr. (Wann holst du mich ab? Ich bin klein, mein Herz ist rein.) Die Hutzelweibchen kreischen und ich frohlocke ein letztes Mal. Aber es ist zu spät. Ich hätte früher anfangen müssen. Jetzt weiß ich es. 

(Weißt du, ich kann auch nicht fliegen. Das traue ich mich dir endlich zu sagen.) 

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