Freitag, 24. Januar 2014

"Und worum geht es in deinem Buch?"

...fragen Freundinnen, Kolleginnen und Bekannte, wenn sie jetzt erfahren, dass ich einen Roman geschrieben habe. Und regelmäßig gerate ich ins Stottern, frage mich auch selbst: Worum geht es (mir) eigentlich?

Ich schreibe für Buchbesprechungen oft Inhaltsangaben zu Romanen und kann es, glaube ich, auch ganz gut. Nur bei meinem eigenen Buch fällt´s mir schwer. Manchmal antworte ich: Freundinnen. Manchmal: Eine alte Liebe. Manchmal erwähne ich die zwei Zeitebenen: die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts und die Gegenwart. Oder die Form: Briefroman im Netz. Oder die Musik: The Clash, Velvet Underground, David Bowie, Dead Kennedys, Hüsker Dü und so. Oder den Pygmalion-Mythos. Verrat. Dreiecks-Geschichte. Identitäts-Diebstahl.(Ich muss immer aufpassen, damit es kein Spoiler wird.) "Ist es ein Krimi?" (Warum glauben alle, dass ich Krimis schreibe, wenn ich schreibe?)

Angst habe ich auch, merke ich. Natürlich auch vor schlechten Kritiken. (Immer noch besser als gar keine.) Mehr noch aber vor dem, was mit dieser Veröffentlichung unter dem Namen, der in meinem Pass steht, noch offenkundiger wird: der Spannung zwischen der, die ich für die bin, die mich außerhalb des "Netzes" kennen und der, die ich "im Netz" bin oder zu sein vorgebe und der, die ich mir bin oder zu sein glaube. (Darum geht es in diesem Buch. Vielleicht?)

So ist das: Ich freue mich. Und habe Angst. Weil es noch ein Schritt weiter ist (oder eher seitwärts) auf jenem Weg "sich" öffentlich zu machen, der mir unheimlich ist. (Das ist kein autobiographischer Roman, nur damit das klar ist! Aber mein Name steht drauf.) Er, der Roman, endet nicht umsonst mit den Sätzen: "Als es zu spät war, habe ich sein Gesicht gesehen und er nannte meinen Namen. (Deinen behalte ich für mich!)" 

Es gab eine Zeit, da hätte ich meinen auch gerne behalten, zurück gehalten. Ich habe mich anders entschieden. Das hat etwas mit Wahrheit zu tun und Bürgschaft. (Ohne daraus eine Regel machen zu wollen: Jemand kann wahrhaftig und verbürgt auch unter einem Pseudonym schreiben. Es ist vielleicht eher ein Ausdruck der Schwäche meines Schreibens, dass "ich" es nicht kann.)

Also: Worum geht es in PUNK PYGMALION? Eine Amour fou zwischen einem deutsch-dänischen Punk und der Abiturientin Emmi in den 80er Jahren, die vor allem in Briefen statt findet. Diese Briefe veröffentlich mehr als ein Vierteljahrhundert später eine alte Freundin dieser Emmi in ihrem heimlich betriebenen Blog. Emmi erzählt, dass sie den Ex-Punk wieder trifft. Die vergangene Liebe scheint aufzuleben. Aber es gibt - wie stünde es auf dem Klappentext eines Thrillers ? -  mehr als ein "dunkles Geheimnis". Denn alle Beteiligten haben verschwiegen, umgedichtet, gelogen. 

Es gibt (mindestens) eine Leiche, aber keine Verdächtigen. Es gibt Schuldige, aber keine Verhaftungen. Es gibt Erklärungen, aber keine Aufklärung. Keine, die erzählt, ist zuverlässig. (Denn darum geht es, selbstverständlich, auch: um das Erzählen.)

Genug. Ich werde weiter schreiben. Wer immer das ist: "Ich", wenn ich schreibe. Die oder die oder die oder der oder die: Melusine, Armgard, M., Emmi, Ansgar, Jutta, Sabine. 

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13 Kommentare:

  1. Sie beabsichtigen sicher etwas mit dieser Art von "Werkstatteinblick" - was ist es?

    Denn, wo hätte es das schon einmal gegeben? Im Nachlaß vielleicht, wenn man lange schon eine schöne Leiche zurückgelassen hat; aber wieso sollte es denn die Leser interessieren, was der Verfasser für Zweifel, statt Stolz und Freude hegt, wenn sein Werk verlegt wurde? Und obendrein: Was der Autor zu sagen hatte, sagte er in seinem Werk. Jedes weitere Wort ist überflüssig.

    Den Rest besorgen Germanisten. Suum cuique.
    K.

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    1. Ich (oder "Sie") beabsichtigt zweifellos etwas mit diesem Post. Es könnte sein, dass sie ihre Ängste ausstellt, um sich ihnen zu stellen.
      Bloggen ist etwas anderes, als "Werke" zu schaffen. Deshalb blogge ich u.a. Weil mir das Begehren nach dem "Werk" und die Fähigkeit dazu abgeht. (Darin besteht ein Widerspruch zum "Druckwerk" und zur Freude darüber unter anderem. Ich kann an diesem Punkt nicht konsistent argumentieren. Diese Schwäche können "Sie" oder jede/r andere nutzen. So ist es.)
      Ansonsten antworte "ich" mit dem Link auf den Text eines anderen:
      Auszug aus Alban Nikolai Herbsts Kleine Theorie des literarischen Bloggens

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    2. Ich misch mich einfach mal ein (ohne damit für Melusine sprechen zu wollen, das kann sie selbst viel besser).
      Zurückgefragt, @K.: Warum sollte sich die Autorin mit dem, was sie schreibt nach dem Interesse der Leser richten? Wie können Sie einfach so behaupten, "jedes weitere Wort" sei "überflüssig"? Woher nehmen Sie die Sicherheit für ein solches Urteil? Überflüssig für wen? Für sie selbst offenbar nicht, sonst hätte sie es nicht veröffentlicht.
      Es mag den Anschein haben, als sei das Äußern von Zweifeln und Unsicherheit unsouverän und stünde einer, deren Roman des Verlegens und Druckens für würdig befunden wurde, nicht zu Gesicht. Ich meine aber, dass gerade darin sich die wahre Souveränität zeigt, in der Ablösung vom Üblichen und den damit verknüpften Erwartungen, im Zeigen auch der Schwäche (der Ängste, wie Melusine sagt).

      Entschuldige, Melusine, ich will hier, wie gesagt, nicht für Dich sprechen, sondern, weil dies ja hier öffentlicher Bereich ist, allgemein Partei ergreifen für eine Freiheit des Schreibens, die sich nicht am Publikum, sondern am eigenen Bedürfnis orientiert.

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    3. Ich empfinde das nicht als Einmischung, Iris! Denn es ist genau so, wie du schreibst: Das hier ist eine öffentlich geführte Kommunikation. Andernfalls hätte K. das ja als Mail schreiben können.

      Es ist dieser Aspekt auch genau ein wesentlicher Unterschied zwischen Blog und Druckwerk. Zwar halte ich auch jedes gedruckte Buch für ein Medium der Kommunikation, aber diese unterliegt anderen Bedingungen als das Bloggen. Die Autorin (interessant, dass K. die männliche Form benutzt, obwohl sie/er in seinem/ihrem Beitrag sich doch ausdrücklich auf eine weibliche Autorin, nämlich mich, bezieht) tritt bei gedruckten Werk viel weiter "zurück". Sie stellt den Text aus als etwas "Abgeschlossenes", das der Kritik, dem Urteil ausgesetzt wird. Im Blog geschieht etwas anderes: Jeder Beitrag steht unmittelbar "zur Debatte", als Vorläufiges, als Vorschlag, den die Autorin (die ich an der Stelle gar nicht mehr so nennen mag, da sie sich ja der Autorität hier begibt) in ein Gespräch einführt, dessen Ausgang sie selbst nicht kennt.
      PUNK PYGMALION ist nun ein Druckwerk, das aus dem Bloggen entstanden ist. Und insofern ein Zwitter.
      Das war und ist so gewollt. Aber eben auch ... irritierend.

      Ich denke, K. vertritt eine Idee vom "Werk" bzw. vom "Text" als autonomem, die ich nicht teile, die aber keineswegs nur ihre/seine ist, sondern von vielen vertreten wird. Für mich steht auch das Buch in seinem Kontext, zu dem die Bedingungen seiner Entstehung, seiner Öffentlichung und seiner Wirkung (auch auf die Autorin) gehören. Dabei hat selbstverständlich das Wort derselben nicht mehr Gewicht, als das eines jeden und einer jeden anderen.

      LG

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  2. Ich schrieb: "...wieso sollte es denn die Leser interessieren, was der Verfasser für Zweifel, statt Stolz und Freude hegt, wenn sein Werk verlegt wurde?"

    Die Hausherrin antwortete: "Es könnte sein, dass sie [wer wohl gemeint ist?] ihre Ängste ausstellt, um sich ihnen zu stellen."

    Nun, das ist eine Antwort auf meine Frage. Ob sie befriedigend ist oder nicht, spielt hier keine Rolle. Es geht um Funktionen; und es geht, wie hier immer wieder geschrieben wird, um "literarisches Bloggen".

    Dazu fällt mir folgendes ein: Kleist, aus seiner Dachkammer kommend, stürzt in die Dachkammer seines Freundes und schluchzt. Der Freund fragt, was geschehen sei. Kleist antwortet, schluchzend: "Sie ist tot!" Wer um Himmels willen tot sei, fragt der Freund. Darauf Kleist: "Phentesilea! Phentesilea ist tot!"
    (Kleist hatte soeben sein Drama "Phentesilea" beendet.)

    Wir können uns einmal vorstellen, Kleist führte ein Weblog, und hätte eben dies "Sie ist tot!" gepostet, statt es seinem Freund zu offenbaren. Wäre es deswegen Literatur? Nein. Sein Drama "Phentesilea" ist es, diese Gefühlsregung ist es nicht.

    Die Hausherrin hat recht: Ich "vertrete" hier, in meinem oben stehenden Kommentar, der selbstverständlich eine Provokation war, eine Methode der Literaturwissenschaft, die ausschließlich auf den Text sieht. Es ist eine der vielen Methoden; daneben gibt es u.a. auch die psychotherapeutische und die feministische Methode. Oder lassen Sie uns das Wort Methode durch Brille ersetzen.

    In anderen Zusammenhängen "vertrete" ich andere methodische Auffassungen, trage also eine andere Brille. Dies ist meine Art, zur Produktivität in Situationen des Austausches beizutragen. Persönliche Überzeugungen interessieren mich nicht, nicht hier.

    Der Text ist klüger als der Autor, sagte Heiner Müller. Das war gemeint. (Ich sollte vielleicht einfach immer Müller zitieren, das geht schneller.)
    K.

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    1. Das ist angekommen. Als Provokation. Und als solche freigeschaltet. Hausherrinnenlich. (Jetzt fehlt nur noch ein "sozusagen".)
      Gefühlsäußerungen interessieren Sie nicht. Ich finde hier auch keine. Denn sie stürzte nicht ins Zimmer. Sie verfolgte eine Absicht und schrieb auf (Möglicherweise war es keine "kluge" - Absicht. :-) )
      Manche lesen analytisch, d.h. sezieren "Texte". (Auch um zu bestimmen, ob es sich bei diesen um "Literatur" handelt, zum Beispiel.) Mich interessiert das nicht sehr. Lesen ist für mich - wie für Stephen Greenblatt und andere - ein "Gespräch", meistens eins mit den Toten.

      (Diese Dame, die den Namen Jutta Pivecka trägt, und für die ich hier spreche, beharrt freilich darauf, sich nur gemeint zu wähnen, wenn von Autorinnen die Rede ist. Sorry.)

      Worin ich Ihnen unbedingt recht gebe: Autorinnen sollten nicht die "Deutungshoheit" über Ihre Texte anstreben. Der Post wollte vielmehr ein Thema fortsetzen, das in diesem Blog, lange vor dem ersten Post aus der Serie "PUNK PYGMALION" oder gar der Idee jemals ein Buch daraus zu machen, von Anfang an eine Rolle spielte: nämlich die Angst davor, "sich zu veröffentlichen". (Das ursprüngliche Versteckspiel hinter dem Pseudonym "Melusine Barbe.") Und bleibt damit auch einem anderen, so eng damit verbunden Thema auf der Spur, um das es auf "Gleisbauarbeiten" immer wieder in unterschiedlichen Zusammenhängen ging: der Scham.

      Ein Post - mehr als jedes "gedruckte" Werk - steht im Kontext; in einer Reihe mit all den anderen Posts, die vorher und nachher erschienen sind. Das zumindest war die Idee, mit der ich begann zu bloggen und die mich an diesem Medium faszinierte: dass es keine abgeschlossenen "Texte" ausstellt, sondern unabgeschlossene, vielleicht umabschließbare Serien beginnt.

      Diese Idee ist auf Widerspruch gestoßen und sie verwirklicht sich auch nicht in jedem Beitrag, den ich hier einstelle. Durch Verlinken versuche ich sie immer wieder zu beleben. Ich (an)erkenne allerdings, dass selten so gelesen wird, wie ich mir das vorgestellt hatte. Dazu wäre eine auf ein dauerhaftes und regelmäßiges Interesse angewiesen, das nicht vorauszusetzen ist.

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  3. Das ist sehr interessant; Sie schreiben als Antwort: "Gefühlsäußerungen interessieren Sie nicht."

    Ich schrieb: "Persönliche Überzeugungen interessieren mich nicht, nicht hier."

    Das ist ein Unterschied, und er ist wichtig.
    K.

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    1. Das stimmt.
      Wie die (Kleistsche) Gefühlregung und Ihr Desinteresse sich in meiner Projektion verbanden. Ich f ü h l e mich ertappt.
      Ist interessant. Dieser Tausch.
      (Mit den Überzeugungen ist es so eine Sache. Ich fürchte oft, dass sie mir fehlen - und ich sie daher so sehr simuliere.)

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  4. Noch eins: Sie mit der grammatisch maskulinen Form als Autor anzusprechen war ein Stöckchen, über das Sie ja auch gesprungen sind. Aber es war - ich bin ja nicht unfreundlich - natürlich auch zu lesen im Zusammenhang mit meinem Hinweis auf die Literatur der Morgner. Im Land der Morgner führten Frauen, wie Sie sicher wissen, mit Stolz die grammatisch maskulinen Bezeichnungen ihrer Arbeit.

    Und mit einer kleiner Schnurre illustriert: Eine Kranführerin im Braunkohletagebau, die vor der Kamera des Dokumentarfilmers erschien, hat diesem fast eine gescheuert, als er es wagte, sie als Kranführer_in anszusprechen.

    "Ich bin Kranführer, Sie Künstler!" waren ihre entrüsteten Worte.

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    1. Das ist ebenso interessant, weil es diese Differenz häufig zwischen Frauen aus der ehemaligen DDR und aus der BRD gibt: Dass die einen eine feministische Sprachkritik für überflüssig halten und die anderen nicht. Nun - ich kann und will meine Herkunft hier nicht verleugnen. Zumal ich auch politisch von der "Lösung der "Frauenfrage" im Sozialismus (dem "Nebenwiderspruch" und der Orientierung an einem männlichen Lebensentwurf, in dem es irgendwie doller ist Kräne zu führen als Kinder zu füttern) nicht überzeugt bin.

      Morgner lese ich noch. Eifrig. Mal schauen.

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  5. Gott, was ist dieser anonyme K. für ein blasierter, selbstgefälliger Knacker, der "über Stöckchen springen lässt"! Wenn dieser Blogpost für Sie, K., nicht interessant ist ("wieso sollte es denn die Leser interessieren, was der Verfasser für Zweifel, statt Stolz und Freude hegt, wenn sein Werk verlegt wurde"), was nerven Sie dann hier mit Ihren Desinteresse-Bekundungen? Wieso haben sie ihn überhaupt gelesen? Und wozu die Mühe, dafür extra Kommentare zu verfassen? Worum es geht, ist klar: ein angekacktes, höchstwahrscheinlich männliches Ego soll hier durch pseudo-gebildete Abwertung anderer (hier: Melusine Barby) aufgepuscht werden. Was bietet sich dafür nicht besser an als eine, die gerade ihre Ängste und damit eine wunde Stelle offenbart. Und diese hat zudem die Frechheit, ein eigenständiges Werk veröffentlicht zu haben. Vermutlich im Gegensatz zu K. Ja, das kann neidisch machen und ruft doch geradezu danach, ihr eins auf den Deckel zu geben. Pfui Deibel.

    Und nun zum Angenehmen, dem Blogpost selbst. Ich finde es sehr spannend, zu hören, was in einer Autorin nach dem Veröffentlichen vor sich geht, und mutig und vertrauensvoll, das hier preiszugeben. Identität, Selbst- und Fremdbild, das ist ja oft auch in anderen Bereichen wichtig. Und dass das mit dem Roman selbst zu tun hat, macht mich neugierig, ihn zu lesen. Danke für diesen Einblick!

    G.

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    1. Meine spontane Antwort hat´s irgendwie nicht auf die Seite geschafft :-). An den anonymen K. habe ich lang nicht mehr gedacht. (Ich kann das gut: Unangenehme/s vergessen. Ein Sonntagskind eben.)
      Ich freu mich sehr über jede Leserin und jeden Leser. Und noch mehr über Rückmeldung.
      Herzliche Grüße

      Jutta Pivecka

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