Freitag, 18. Juni 2010

MELUSINE

Melusine featuring Armgard
(2009-1989)


Dass die Erzählenden selbst noch nicht wissen, was sie erinnern werden, entspricht dem Erlebten: Wenn wir einander berichten, wie wir miteinander gelebt haben, kann es scheinen, als hätten wir auf verschiedenen Kontinenten gewohnt. Ozeane trennen uns. Doch die Gewässer verbinden auch. Selbst stille Binnenseen, die von der Verbindung abgeschnitten scheinen, werden von untergründigen Bewegungen erfasst: der Stechlinsee drückt sie aus.

Ausgangspunkt dieser Erzählung ist Neuglobsow am Stechlinsee, von dem Theodor Fontane schrieb, es sei still dort: „Kein Kahn zieht seine Furchen, kein Vogel singt, und nur selten, dass ein Habicht drüber hinfliegt und seinen Schatten auf die Spiegelfläche des Sees wirft.“  Und doch, hält Fontane fest, werde es an eben dieser Stelle von Zeit zu Zeit lebendig. Das sei, wenn weit draußen die Welt ein Ereignis erschüttere. Seit 1990 versucht der See, der unterdessen der Kühlung des Atomkraftwerkes Rheinsberg diente, seine Normaltemperatur zurück zu gewinnen.

Wie es bisher endet:

Am 30. Oktober 2009 betrinkt sich in Sydney (Australia, NSW) ein junger Mann, namens Tomasz Hosni, Mitglied der Band "Poor Heirs", in einer Bar und schleppt eine Willige ab. Doch kommt es nicht zum Verkehr, da ihn plötzlich die Zärtlichkeit „über-mannt.“ Im indischen Ozean gleitet in der Nacht zuvor Melusine durch die Wogen, singt von der Mutter, die sich verlor und der Schwester, die sich vergab. In der Mark, am See, streitet wenige Tage später Anne Barnhelm (Armgard) heftig mit ihrem Sohn Carl. Weinend versöhnen sie sich. Anne gesteht ihrem Sohn die Sehnsucht nach „Darlinghurst Nights“ und dieser ihr, dass er ihre Stimme auf MySpace in einem Song der Band „Poor Heirs“ erkannt habe.  In der historischen Nacht der Deutschen vom 9. auf den 10. November hört man erneut die Melusine im Ozean singen. Sie versucht die Schwester zu warnen vor dem Betrug des Kindmannes, der als Dunkler Ritter sich nur ausgibt, um ihr heiliges Begehren zu wecken. Am 9. November gratuliert im Facebook-Chat Tomasz Hosni, alias Tom Hell, Anne Barnhelm zu 20 Jahren deutscher Einheit. Sie weist ihn darauf hin, dass es auch die Nacht der brennenden Synagogen gewesen sei. Sie erinnern sich ihrer Liebesgier in den Berliner Nächten. Doch alles endet im Streit. Tom schreibt: „I´m fucking sick of thee, Annie.“ Dann meldet er sich nicht mehr. Drei Tage später, am 13. November, findet Annes Mann in einer Gewässerprobe des Stechlinsees ein silbriges Haar. Als Limnologe erforscht er am Leibniz-Institut, Zweigstelle Neuglobsow, die Verhältnisse in stehenden Gewässern. Das Haar im See beunruhigt ihn ungebührlich. Schließlich verbrennt er es. Annes Nächte bleiben schlaflos. Sie sucht im Netz nach Spuren des verschollenen Liebhabers, erfolglos. Am 16. November schließlich bucht sie einen Flug nach Sydney. Zum Abflug bereit steht sie am Gate in Frankfurt. Da erreichen sie zwei SMS: von Melusine und von ihrem Sohn Carl.

Time out:
Melusine + Armgard – eine zu viele.
Beide wollen bleiben, eine muss gehen.

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