Zu Guido Rohms Kurzer Geschichte der Brandstifterei
Nach einem Erzählungsband und einem Roman veröffentlicht Guido Rohm nun mit Eine kurze Geschichte der Brandstifterei seine Poetik. Während in Blut ist ein Fluss (hier:), dem sarkastischen Hard-Boiled-Avant-Kriminalroman, nach gefühlt jedem dritten Wort ein Punkt steht, ein Stakkato also, muss der Leser im neuen, im Textem-Verlag erschienen, Werk, das in Form einer handlichen Broschüre vorliegt, schon bis zum Ende auf Seite 34 gelangen, bevor er den abschließenden Punkt erreicht. Suada sozusagen. Ansonsten nur Kommas und auf Seite 32, als Vorwegnahme des Endes, ein Doppelpunkt, nach dem sich die Geschichte zu verdoppeln beginnt, der Anfang nämlich noch einmal wiederholt wird. „Früher hat mein Vater die Zeitung benutzt, um damit die nassen Schuhe im Winter auszustopfen…“ In der kurzen Erzählung gibt es eine Kaskade von Erzählebenen. Immer wenn der Leser es sich gemütlich machen möchte, öffnet sich eine weitere Falltür auf die nächste Ebene. Ein Sohn besucht seinen Vater, den passionierten Zeitungsleser, und beginnt die Schlagzeilen der offen auf dem Tisch liegenden Regionalzeitung zu studieren. Darin liest er von einem Brandstifter und beginnt sich vorzustellen, wie so ein Leben als Brandstifter wohl verläuft: „…dann fährt man ein wenig mit seinem alten verbeulten Mercedes spazieren, im Kofferraum einen Benzinkanister, in der Hosentasche ein Feuerzeug…“ Als nächstes fällt ihm, der Leser ist zunächst ein wenig ratlos, der ägyptische Professor ein, der von religiösen Eiferern von seiner Frau zwangsgeschieden wurde. Die Geschichte von Nasr Hamid Abu Zaid war vor einigen Jahren in allen Zeitungen zu lesen, sie endet aber nicht in Flammen, sondern in einem Krankenhausbett. Der Literaturwissenschaftler und liberale Denker starb in diesem Sommer in Kairo. Dessen Geschichte findet sich genau in der Mitte des Buches und in ihr stoßen zwei Arten des Feuers aufeinander: „…Feuer fordert Gegenfeuer, das hatte er selbst oft gesagt, aber er sprach stets vom Gegenfeuer der Liebe und der Fantasie, nicht von einem vernichtenden Feuer…“ Nachdem diese Möglichkeit eines Gegenfeuers aufgeschienen ist, kehrt sich die Geschichte ins Düstere, denn der Sohn denkt sich im Blick auf den Vater eine andere Geschichte eines Feuerteufels aus: eines Kindes, das von seinem Vater in der Bibliothek mit dessen eigenen Werken verprügelt wird. Um diese Qual zu verdrängen, denkt sich der Sohn einen „Endzauberer“ aus, einen Anti-Goethe, der die Klassik, verbrennt, naturgemäß auch die Anna-Amalia-Bibliothek und die Aufklärung gleich mit: „…er wird die Flamme der Barbarei durch Europa tragen…“ Nach dieser Engführung religiöser Intoleranz mit der deutschen Geschichte, fallen wir wieder auf die erste Ebene zurück. Die Phantasien entfalten nun aber ihre Wirkung: „…ich reibe meinen Daumen über das Zündrad, entfache die Flamme, halte sie an die Tischdecke…“ Danach geht der Sohn nach Hause, schreibt die Geschichte, die wir lesen und bittet am Ende um Verzeihung: “…Vater, denn ich weiß, was ich tue“ Am Ende darf sich der Leser fragen, welches Gegenfeuer in dieser fulminant geschriebenen Erzählung brennt. In jedem Fall ist es das Feuer der Inspiration: die kurze Erzählung lesend, erfahren wir, wie Literatur entsteht. Eine Schöpfung im Geiste der Verneinung der Welt.
(Eigentlich wollte ja ich, Melusine, Guido Rohms kurze Geschichte "erlesen". Gelesen habe ich sie selbstverständlich. Morels Besprechung oben aber könnte ich nur doppeln. Lesen Sie die "Kurze Geschichte der Brandstifterei". Sie könnte Sie befeuern. --- Gespannt bin ich auf Rohms Reaktion darauf, dass er nun eine POETIK hat.)
Ich lese diesen Beitrag n i c h t, weil wie der Zufall es so will, die kleine Erzählung sich schon von Amazon auf den Weg zu mir befindet. Wenn ich sie vollständig gelesen habe, bespreche ich sie in meinem Blog, erst d a n a c h werde ich Ihren Beitrag lesen. Morgen fällt mir das Buch zu, logisch, am Ende fällt alles.
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