Montag, 14. November 2011

GEGEN DIE SPAR-SAMEN (oder: Wenn dann der Erde Grün von Neuem euch erglänzt)

1. Schwemme
Sie hören kein Gesetz, und keine Not
Und keinen Richter; die Gebräuche sind
Von unverständlichem Gebrause gleich
Den friedlichen Gestaden überschwemmt.

„Es gibt“, sagte einer auf dem Empfang, „nur zwei Sorten Menschen, die an unbegrenztes Wachstum glauben: Wirtschaftswissenschaftler und Wahnsinnige.“ Und mich. Dass Volkswirte, wie andere Gläubige auch, Wahnvorstellungen anhängen und daher als eine Untergruppe der sonstigen Wahnsinnigen gelten können, davon sind die meisten denkenden Menschen überzeugt. Wer ernsthaft über „vollkommene Märkte“ schwafelt, den „homo oeconomicus“ als real existierendes Wesen annimmt oder von den „Selbstheilungskräften der Märkte“ spricht, dem ist nur mit starken Medikamenten noch zu helfen. Geschenkt. (Für: „Die Ökonomie der Verschwendung“, immer!)

2. Wachstumskräfte

Dann steht die weite lebensreiche Welt
Wie sein verlornes Eigentum vor ihm,
Und ungeheure Wünsche regen sich
In seiner Brust und wo sie hin sich wirft,
Die Flamme, macht sie freie Bahn.

Doch: Auch ich glaube an stetiges Wachstum. An die unendliche Ausdehnung des Universums. Daran, dass immer Neues entsteht. Und deshalb auch an den Tod. Das ist der Dünger. Alles Leben geht daraus hervor, dass es vergeht, aber nicht verschwindet. Der Wandel ist der Motor. Weil ich das glaube, bin ich zuversichtlich. Und nicht sparsam. Feindlich stehe ich den Beharrungskräften gegenüber, die die Wucherungen einhegen wollen. Unkraut gedeiht, zum Glück! Produktivität braucht Mutation. Alle Mutationen resultieren aus Kontaminationen. Bastarde entstehen. Die Bemühung um Reinheit muss bekämpft werden.  Das glaube ich.


3. Knechtschaft

Das Heiligtum hast du geschändet, hast
Mit frechem Stolz den schönen Bund entzweit,
Elender! Als die Genien der Welt
Voll Liebe sich in dir vergaßen, dachtst du
An dich und wähntest karger Tor, an dich
Die Gütigen verkauft, dass sie dir,
Die Himmlischen, wie blöde Knechte dienten!

Deshalb sind mir die Bedenkenträger und Pessimisten aller Coleur, ob sie sich ein grünes Mäntelchen umhängen oder schwarz in der Wolle gefärbt sind oder rot vergesellschaftet, ein Gräuel. Das ist auch der Grund, warum ich das Psychologisieren so verabscheue, diese dauernde Suche danach, warum eine ist, wie sie ist. Entscheidend ist doch bloß, was sie daraus macht. Ich habe es schon einmal in anderem Zusammenhang geschrieben: Die Opferhaltung kotzt mich an. Das ganze Leben als Zwangsjacke verstehen. Und nicht mal über den Clown im Kostüm lachen können. Alles für die anderen. Oder wegen der anderen. Oder „dem System“. „Hätte ich nur...“  „Könnte ich doch...“ „Wäre es nicht...“ Wir müssen alle sterben. Bis dahin gilt es, die Zwänge in Möglichkeiten zu transformieren. Das Gift in unseren Adern in Produktivkraft verwandeln. Monster gebären. Schöne Ungeheuer, die sich miteinander vermählen.


4. Krisis

O stille! Gute Götter! Immer eilt
Den Sterblichen das ungeduldige Wort
Voraus und lässt die Stunde des Gelingens
Nicht unbetastet reifen. Manches ist
Vorbei; und leichter wird es schon. Es hängt
An allem fest der alte Tor und da
Er einst gedankenlos,  ein stiller Knab
Auf seiner grünen Erde spielte, war
Er freier, denn er ist; o scheiden! – selbst
Die Hütte, die mich hegte, lassen sie
Mir nicht – auch dies noch Götter!

Ja, es stimmt. Auch ich bin eine Irre. Ich glaube nicht an die Marktwirtschaft. In Ewigkeit. Amen. Aber an die unerschöpfliche Produktivität der Menschen. Ich glaube sogar daran, dass es ein nachkapitalistisches Zeitalter geben wird. 1986 stellten Jean-Marie Straub und Daniele Huillet im Frankfurter Filmmuseum ihren Hölderlin-Film „Der Tod des Empedokles“ vor. (Der Philosoph, der sich in den Ätna stürzt, weil er sieht. Wie hörbar der Wind durch die sizilischen Bäume streicht. ) Jean-Marie Straub legte sich fest: Es begann mit dem Geld. Von da her: der Untergang der Menschlichkeit. Das glaube ich nicht. Es geht weiter. Eben auch: von da her. Wohin ? –  Das können nur die Götter sagen. Und die Seher. Die stürzen müssen. Doch wir – sollen leben! Vielleicht ohne Geld. Tauschhandel wird verboten! Stell dir das mal vor! Kann eine denken. Kein Grund, sie einzusperren. Kein Sturz in den Ätna. Die Fallhöhe entfällt. Es rauscht. So grün.




5. Schöpfung ist Wirrnis

Die ist sein Garten! Dort im geheimen
Dunkel, wo die Quelle springt, dort stand er
Jüngst, als ich vorüberging – du
Hast ihn nie gesehen?

Es gibt keine traurige Wiederkehr des Immergleichen. Spiralen schlängeln sich hinan. Wir kriechen nicht. Es geht auf der Rutsche auch nach unten, klar. Jedoch: Bewahre Haltung. Biege dich geschmeidig im Wind. Lausche. Rausche. Schaffe. Den Göttern gleich. Man kann die Götter nicht kaufen. Die Göttinnen erst recht nicht. Darum geht es. Freie Liebe ist keine Prostitution. Keine Hand wäscht und wichst die andere. Die Bestechlichen hören nichts, aber sie bluten auch. Daran ist zu denken. Auch die Hochfliegenden sollen Mitleid haben. Wir brauchen den Euro nicht. Aber: Europa. Kam auf dem Rücken eines Stiers übers Mittelmeer. Opfer einer Vergewaltigung. Mach was draus!

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