Donnerstag, 20. September 2012

Der Amazing zieht aus

Am Nachmittag, als ich nach Hause kam, habe ich noch geschimpft: Überdeutlich waren im Wohnzimmer die Spuren eines hastigen Aufbruchs hinterlassen worden, die Tesafilm-Rolle, die ich rausgelegt hatte und die Flugblätter, die er an den schwarzen Brettern der Universität aufhängen wollte, hatte er vergessen. "Verdammt", habe ich gerufen. "Das wird nie was mit der Zimmersuche." Dass es schwierig werden würde, eine bezahlbare Studentenbude zu finden, hatten wir geahnt. Dass es so schwierig sein würde, überraschte uns doch. Die unterschiedlichen Temperamente taten ein Übriges, um die Stimmung aufzuheizen. Der Amazing ist lässig und ich bin hysterisch. Wenn ein Problem auftaucht, werde ich hyperaktiv. "Du musst Aushänge machen. Und vor Ort sein. Morgens früh schon.", textete ich  ihn zu. Der Amazing lässt die Dinge auf sich zukommen. Am 1. Oktober beginnt seine Einführungswoche am neuen Studienort, am 15. das Semester. "Zur Not pendele ich eben.", sagte er. Ich war sauer. Hatte ich nicht immer gegen die "Heimschläfer" polemisiert? Ich wollte kein "Hotel Mama" für den Studenten werden. 

Gestern Abend rissen sie dann freudestrahlend die Tür auf, gerade als ich es mir unter einer warmen Decke gegen die Herbstkälte gemütlich gemacht hatte. "Wir haben eine Wohnung", wedelten sie mit dem Mietvertrag. Der Amazing zieht mit einem Freund in eine Drei-Zimmer-Wohnung. In eine l e e r e Drei-Zimmer-Wohnung. Ich werde schon wieder aktiv. Wo steckt denn der Ikea-Katalog. "Du musst..." "Wollt ihr..." "Habt ihr ausgemessen..." "Frage den Papa, wann er sich Urlaub nehmen kann..." "Ruf den Opa an, ob er Zeit hat, dir zu helfen..." Der Amazing grinste. Sein Freund auch. Die kennen mich schon. 

Ich freu mich für sie. Aber dann wurde mir ganz schlecht, plötzlich. Der Amazing zieht aus. Ich werde heulen, ist ja klar. "Mensch", sagte ich, als wir uns in der Küche noch mal zusammen setzten. "ich werd dich doch total vermissen." "So schnell wirst du mich nicht los.", antwortete der Amazing, und nahm mich in den Arm: "Am Wochenende komme ich nach Hause, oft. Und stell dir mal vor: Jedes Wochenende gibt´s dann ein Willkommens-Mahl." Ich sah, wie ihm schon das Wasser im Mund zusammen lief bei dem Gedanken.

4 Kommentare:

  1. Irgendwie schaffen sie es immer. "Mama, locker bleiben!" ist einer der Sätze, den ich in den letzten Wochen häufig von meiner Tochter zu hören kriege. Und ich glaube sogar, dass sie diese Gelassenheit von mir geerbt hat, es gab eine Zeit, da war ich auch so. Eigentlich auch heute noch, wenn es nicht ausgerechnet um das Wohl und Glück der Kinder geht.
    Ich wünsche Dir von Herzen dasselbe, das Du mir vor kurzem gewünscht hast: Möge der Schmerz sacht sein!

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  2. Danke! (Leider bin ich nicht der gelassene Typ. Außer im Berufsleben. Da bin ich ganz ruhig. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum ich meine Arbeit so gerne mache :-). )

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    1. PS. Ist sie schon weg, deine? War es leicht, eine Wohnung oder ein Zimmer zu finden? Das war ja auch sehr kurzfristig.

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    2. Ab 1. Oktober. Diese Woche nochmal viele Wohnungsbesichtigungstermine. Zum Glück gibt es eine Notfallunterkunft, falls es nicht rechtzeitig klappt.

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