Ich möchte etwas Bleibend Böses tun, dachte Frau K. Ich will töten, ohne dafür büßen zu müssen. Nichts hatte sich verändert seit sie eingesehen hatte, dass ihr der Mut und die Fertigkeit fehlten, ihr Opfer mit einem Messer abzustechen. Noch immer quälte sie die Vorstellung, ob es nicht doch möglich gewesen wäre, ein einziges Mal in ihrem Leben, ihre Träume zu verwirklichen. Aber, dachte sie, ich habe gelernt, dass meine Träume stets eine Form annehmen, die ihrer Verwirklichung im Weg steht. Täte ich, was ich tun möchte, wäre am Ende ich es, die dafür bezahlen müsste, was allerdings nur gerecht wäre. Ich will morden, ohne erwischt zu werden. Doch das ist noch nicht alles, ich habe mich geprüft und erkannt: Es genügt mir nicht, ihn sterben zu sehen. Ich weiß, dass es mir keine Befriedigung verschafft, wenn ein Gift seine Atmung lähmt oder sein Herz stillstehen lässt. Was ich wünsche, ist die Verletzung des Körpers, ich will seine Haut reißen sehen. Ich will an sein Blut, dachte sie. Das ist es. Jedoch ahnte Frau K.: An dieser Stelle könnte man mich leicht missverstehen; ich hege keine perverse Neigungen, ich giere nicht nach dem Blut, um es zu trinken; ich will es bloß sehen, sein Blut soll fließen und ich will sehen, wie sich das helle Rot beim Trocknen dunkel färbt. Sie wünschte ihm keinen sauberen Tod und wollte an seinen Lebenssaft, sie wollte diesen versickern sehen, das allein könnte ihren kalten Hass erwärmen. Das Messer hatte sie verworfen, sich abgeschminkt den Gedanken, ihn mit einem Messer abzustechen. Der Abschied davon war ihr schwer gefallen. Sie war wütend auf diese Krimiautoren, deren Werke sie verschlungen hatte, um sich zu bilden. Die da einfach drüber weggingen, als sei es leicht, einen Menschen abzustechen, dabei könnten die meisten von denen nicht einmal einem Huhn den Hals durchschneiden, was immerhin Frau K. konnte, die sich dennoch nicht zutraute, den mit dem Messer gleich zu Anfang so zu beschädigen, dass Widerstand nicht zu erwarten wäre. Es ist nicht leicht, da sollte sich keiner täuschen, dachte Frau K., jemanden abzustechen, wenn du keine Übung hast. Sie hatte andere Visionen geprüft und verworfen. Er fuhr mit der Bahn; es wäre denkbar, hatte Frau K. erwogen, ihn im geeigneten Moment vom Bahngleis zu schieben, vor einen langen Güterzug beispielsweise, der sein Fleisch zermahlen würde. Doch, wusste Frau K., wäre es schwierig, einen Augenblick abzupassen, an dem keine Zeugen zugegen wären. Frau K. studierte seinen Tagesablauf, seine Gewohnheiten, wohin er ging, wen er traf, wie er sich in der Stadt bewegte. Sie fand keinen Ansatzpunkt. Sie erwog den Beitritt zu einem Schützenverein. Das Wort Pumpgun hatte es ihr angetan. Ich hol dann gleich mal meine Pumpgun raus, dachte sie. Sie erfuhr, dass handliche Pumpguns in Deutschland verboten seien. Aus gutem Grund, dachte Frau K. Dann erlitt sie einen Migräneanfall, schaffte es gerade noch von der Haltestelle bis auf ihr Sofa und war für mehrere Tage außer Gefecht gesetzt.
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Liebe Melusine, ich meine den ersten Absatz bis "...um die es mir geht". Das liest sich m. E. etwas langatmig. Ich meine, die ersten Sätze müssen den Leser in den Text reißen wie ein Lasso. Beim Beitrag über Frau K., den Du heute veröffentlicht hast, ist das so. Die Erklärung vom Anfang, die sicher auch wichtig ist, könntest Du vielleicht im Folge-Text hier und da einfließen lassen. Nur meine persönliche Meinung, sehen andere Leser vielleicht anders. Viele liebe Grüße, Petra
AntwortenLöschenIch glaube, du hast Recht. Wie ich das umbaue, darüber muss ich noch nachdenken. Vielleicht ist der Satz: "Sie will töten, ohne dabei erwischt zu werden" der bessere erste Satz - aber das hat natürlich Folgewirkungen... Danke erstmal!
AntwortenLöschenSo - hier ist eine geänderte Version.
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