Samstag, 11. Dezember 2010

PUNK PYGMALION (6)


Fortsetzung des Briefromans "Punk Pygmalion" (Teil 1-5 hier::)


Endlich, nachdem sie fast eine Woche nicht für mich erreichbar war, hat Emmi sich gemeldet. Gestern am Telefon klang sie ein wenig atemlos. „Ich hatte einfach keine Zeit. Ansgar kam am Sonntag; wir waren seitdem dauernd zusammen bis er am Mittwochabend zurück nach Kopenhagen fuhr.“ „Also dann...?“ Emmi antwortete schlicht: „Ja.“ Eine unangenehme Pause entstand. Aber ich wollte nicht Begeisterung  heucheln, obwohl ich Abwehr und Angst empfand. „Er hat sich verändert und ich auch. Aber ich muss mich auch nicht rechtfertigen, weißt du.“ „Nein, natürlich nicht.“ „Er hat mir gleich Donnerstagmorgen eine e-mail geschickt. Die könnte ich an dich weiterleiten, für dein Blog.“ „Weiß er das?“ „Ich habe ihm erzählt, dass du die Briefe veröffentlichst. Wir haben es zusammen angeschaut. Er musste lachen, auch über die Änderungen, die du vorgenommen hast, und seinen neuen Namen.“ Ich schwieg wieder. „Er mochte sich nicht, so wie er damals war. Aber er sagte auch, dass die Gefühle, wie sie beschrieben werden, echt waren und heftig.“ „Und das gefiel dir?“ Jetzt wurde Emmi trotzig: „Warum nicht?“ „Weil über er dich bestimmt hat, als gehörtest du ihm.“ „Das würde ich jetzt nicht mehr zulassen.“ „Bist du sicher?“ „Lies, was er mir geschrieben hat.“

Hier ist die Mail, die Emmi an mich weiterleitete:

Kare Emmi,

wie schön das war, Dich wiederzusehen, brauche ich nicht zu schreiben, denn das haben wir einander noch nicht einmal an den Tagen und Nächten in Hamburg  sagen müssen, das konnten wir uns gegenseitig zeigen. Du hast dich sehr verändert und löst doch in mir nach einem Vierteljahrhundert wieder dies heftige Begehren aus, vor dem ich mich – gebe ich zu –  gefürchtet hatte. Diesmal, liebe Emmi, konnten wir das in Zärtlichkeit überführen, eine Zartheit, zu der ich damals einfach nicht fähig war.

Hattest du auch Angst, dass wir einander nach wenigen Minuten stumm gegenüber sitzen würden? Diese erste Viertelstunde im Café entschied alles, glaube ich. Es war beides da: die ursprüngliche Anziehung unserer Körper, aber diesmal auch die Möglichkeit miteinander zu sprechen. Deine Arbeit bewundere ich sehr. Dass du Musik machen musst, war mir damals schon klar. Die Richtung aber, die du einschlagen würdest, konnte ich mir nicht vorstellen. Nun setzt du dein Talent ein, um anderen einen Weg zu sich zu weisen. Als ich dir zuhörte, konnte ich mir gut vorstellen, wie es dir gelingt, ihre Begeisterung und Selbstheilungskräfte zu wecken.

Wir haben beide Wunden davon getragen und Schmerz verursacht. Dass ich ein Vater bin, aber nicht mit meinem Sohn lebe, werde ich immer als ein Versagen an entscheidender Stelle betrachten. Und ich glaube, ich konnte wenigstens erahnen, wie schwer es für dich gewesen ist,  die Hoffnung auf eigene Kinder aufzugeben.

Du weißt, wie sehr ich mir wünsche, dass es weiter geht mit uns beiden. Wir sind nun alt genug, hoffe ich, einander sein zu lassen, obwohl wir uns lieben. (Das habe ich mir lange überlegt, ob ich es wage, das Wort LIEBE schon zu schreiben, aber alles andere wäre feige.)

Ich freue mich sehr auf Dich.

Ansgar

PS. Anbei noch eine Zeichnung von damals, die ich gefunden und eingescannt habe. Grüß Deine Freundin von mir (die mit dem Blog). Ich bin selbst gespannt auf die nächsten Briefe. Denn sie macht eine ganz neue Geschichte daraus, obwohl ich uns natürlich wieder erkenne.


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