Im Blog-Roman „Melusine featuring Armgard“ geht es weiter zurück. (Es wird in strenger Chronologie rückwärts das Scheitern einer Ehe von 2009 nach 1989 erzählt. Hier.)
Im September 2009 spielen Tomasz Hosni und Karim Choudja, die den Grant McLennan Memorial Fellowship Award gewonnen haben und ein Studienjahr in Berlin verbringen, den Song TRAIN SPACE ein, den Tomasz geschrieben hat. An den Drums werden sie begleitet von Anne Barnhelm, die mit Karim auch den Refrain singt: SESSION. (I´d dive for your memory).
Dive for your memory: Ich ahnte nicht, woran sich Tomasz und Karim erinnern würden. Zwei achtjährige Jungen verbrachten im November 1989 Ferien in einem YMCA Camp in New South Wales, Australia. Ich sehe sie dort stehen im rosafarbenen Morgenlicht: den schwarzgelockten irisch-syrischen Karim, schüchtern mit der Fußspitze im Sand wühlend, aus den Augenwinkeln Tomasz beobachtend, der schon den Ruf eines Draufgängers genießt. Scheinbar gelangweilt kickte er Steine durchs Gebüsch. Karim entdeckte auf einem dürren Ast einen Kookaburra. Er hob den Zeigefinger an die Lippen. „Kookaburra sits in the old gum tree. Merry, merry king of the bush is he. Laugh, Kookaburra, laugh Kookaburra, gay your life must be.“ Der wilde Tom aber hob einen Stein auf und warf. Das Lachen des Vogels brach ab. Den noch warmen Körper, der zu Boden gefallen war, legte Tomasz Karim in die Hände. „Rage and love, guilt and hate, that´s me.“ Eine Freundschaft fürs Leben begann. „Himmel und Hölle sind keine verschiedenen Orte.“ Zwanzig Jahre sorgten sie für einander, bevor Karim ein Motorrad mit Tomasz auf dem Rücksitz an einen Baum in Brandenburg fuhr. Dive for your memory.
Unsere Erinnerungen sind trügerisch. Wir erzählen uns, was erklärt, wie wir in der Gegenwart leben. Ein jeder mag schicksalhaft verwickelt sein. Nirgends soll der Zufall walten oder die berechenbare Wahrscheinlichkeit. „Was ist das, das in uns lügt, mordet, stiehlt?“ Dass er den Vogel tötete, um den Freund zu binden, gab Tomasz´ Niederlagen und Leiden späterhin Sinn. Er fesselte die Liebe an Gewalt und Besessenheit von da an oder auch früher schon, doch weiter als 1989 werde ich nicht mit ihm zurückgehen. „It´s my mother.“, flüstert er mir nächtlich ins Ohr. Schuld ist immer die Mutter. Doch ich will sie nicht kennenlernen. Ein andermal dagegen behauptet er: „I´m a motherless child.“ Er strickt sich Legenden, der dunkle Tom.
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