Dienstag, 2. Oktober 2012

Aus aktuellem Anlass: 100 JAHRE DEUTSCHE FAMILIE (Entwurf)

Ein Beitrag von BenHuRum



(Auf Gleisbauarbeiten wird es in den nächsten Tagen wahrscheinlich wenig Neues geben. Ich reise amtlich nach Istanbul, eine Gelegenheit, die sich ergab und die ich nicht ungenutzt verstreichen lassen konnte, seit ich - unter anderen auch in der S-Bahn auf dem Weg zum Spiel - Orhan Pamuks wunderbare Biographie der Stadt gelesen habe. Ich werde mich also auf die Suche machen nach Hüzün, dem Schwarzweiß-Gefühl des Lebens, mit dem man an der Welt und ihrem Verfall so angenehm melancholisch leiden kann. Ich kann dieses Gefühl nachahmen und seinen Reiz nachfühlen, doch bleibt mir die schöne Traurigkeit des Weltschmerzes letztlich doch immer etwas faszinierend Fremdes.  

Mein Streifen durch die fremden Städte ist von anderer Art. Ich suche nicht die Tristesse und den Verfall. Ich schwelge in bunten Farben, Üppigkeit, Lärm, Lebenslust. Mir gefällt es,  der ununterbrochenen Veränderung zuzuschauen, wie sie sich in jedem Augenblick vollzieht, und ich sehe fast immer mehr Aufbau als Verfall. Ich vergesse mich leicht in einer fremden Stadt und sauge Energie auf. Hüzün oder - wie die Portugiesen es nennen "Saudade"-  verstehe ich als Formen einer von Grund auf romantischen Welt-Anschauung , die schön sein kann und Schönes hervorbringen, der ich selbst mich jedoch immer nur mimetisch anzunähern vermag, weil sie mir äußerlich bleibt. Meine Sehnsucht gilt nämlich nicht dem Vergangenen oder Verlorenen, sondern richtet sich auf die Intensität der Gegenwart, das helle gleißende Licht, wie es auf eine melonenfarbige Eiskugel fällt, die neongrünen Partner-Badelatschen eines übergewichtigen Paares, ein knallroter Hut mit einer schwarzen Blume am Seidenband, dessen Schatten einen breiten, zum Lachen aufgerissenen Mund berührt. 

In Istanbul wohnt unsere kleine "Delegation" in einem Wohnheim. Ob es da W-Lan gibt, weiß ich nicht. Auch nicht, was unsere Gastgeber für uns geplant haben. Ich bin gespannt, aufgeregt und erwartungsvoll. Diese Reise kommt mir auch privat zur Zeit sehr gelegen. Es tut mir sicher gut, die ersten Tage nach dem Auszug von Amazing nicht unentwegt um sein leeres Zimmer zu schleichen. Morgen früh, bevor ich zum Flughafen fahre, werde ich noch eine Rezension von Morel einstellen - und wie es dann weitergeht, ob ich von unterwegs berichten kann und mag, weiß ich auch noch nicht.)

2 Kommentare:

  1. Dreihundertsechzig Grad

    Hüzün werden Sie nicht finden, liebe Melusine Barby. Die Stadt hat Fieber. Gesellschaft im Aufbruch, es brummt und quirlt. Ein Moloch hat sich aufgemacht. Eine Weltstadt, die sofort in die EU eintreten kann. Hitzige Betriebsamkeit, alle auf den Straßen - und mystisch beschwören die Gesänge der Muezzine.
    Sie müssen nachts ins 360°!!
    Nix hüzün – Cocktails und Fingerfood an der Bar und durchs Fenster die leuchtenden Minarette der 7 großen Moscheen!
    Beste Grüße
    NO

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  2. Herzlichen Dank für den Tipp! Wir werden versuchen dahin zu kommen. Heute Abend aber sollen wir schon wieder tanzen...:-). Viele Grüße M.B.

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