Dienstag, 7. Mai 2013

KYRENAISCHE ANTIPODEN: Parodiere Event (neue Serie)



Ein Beitrag von BenHuRum

„Kein einziges der scheinbar ganz spezifischen Stilmittel in Heideggers Sprache, das Stilmittel der radikalen wie das des weltumspannenden Denkens, das der Entbanalisierung der Quellen wie das des ´begründenden´ Denkens und ganz allgemein all die Stilmittel, die die schwammige Rhetorik der Homilie ausmachen, diese Variationen über die Wörter eines heiligen Textes, der zu Matrix eines endlos-eindringlichen Kommentars wird, der ein per definitionem unerschöpfliches Thema dennoch erschöpfen will – keines dieser Stilmittel stellt etwas anderes dar, als den exemplarischen äußersten Fall, die absolute Legitimierung, der berufsbedingten Ticks und Tricks, die den ´Kathederpropheten´ (wie Max Weber gesagt hat) dazu verhelfen, alle Tage wieder die Illusion des Nicht-Alltäglichen zu erzeugen. Alle diese Stilmittel des erzpriesterlichen Prophetentums können also nur auf der Basis jenes geheimen Einverständnisses ganz glücken, das Autor und Interpreten in der Bejahung jener Voraussetzungen vereint, die mit der soziologischen Definition des ´vom Staat besoldeten kleinen Propheten´ (noch einmal Max Weber) impliziert sind: Keine dieser Voraussetzungen dürften den Interessen Heideggers mehr entgegenkommen, als die Verabsolutierung des Textes, die jede gebildete Lektüre praktiziert, die auf sich hält.“

Pierre Bourdieu: Was heißt sprechen? Die Ökonomie des sprachlichen Tausches, 1990

Wiewohl im Zentrum der Mini-Serie „Kyrenaische Antipoden“ aus dem stetig wachsenden Werke des BenHuRums (das sich in seiner aus vielfältigen Quellen wuchernden Ausdehnung mit Leichtigkeit dem Verdikt des Reduktionismus entzieht) der silbern schimmernde Astral-Leib jener Replikantin steht, der wir das Pseudonym „Kyrenaische Hyndin“ verliehen haben, stellen wir auf Bitte von Frau Prof. Dr. Martina Holzschlag (Aftersteg) eine Arbeit an den Beginn dieser Serie, in der die Hyndin nicht etwa fehlt, sondern schlicht abwesend ist und – wie jede sehen kann – aus rein formalen Gründen auch sein muss. Ebenfalls bat uns Frau Prof. Dr. Holzschlag ihrem heutigen Beitrag, mit dem also zugleich die kleine Serie ihren Anfang nimmt, oben stehendes Zitat aus der überaus lesenswerten deutschen Übersetzung von Pierre Bourdieus „Ce que parler veut dire. L´économie des échanges linguistiques(1982) vorauszuschicken. Regelmäßigen Leserinnen und Leser von „Gleisbauarbeiten“ werden die Gründe hierfür sicherlich ein- und heimleuchten.


FRÜHLINGSSTAU

von Prof. Dr. Martina Holzschlag (Aftersteg)


Oberhalb von Wieden liegt der Finstergrund. Noch aus diesem alten Namen erblühen im frühen Jahr die pastellenen Tulpen und nur wer sie pflücket erringt den Strauß. Wo sie aber stehen bleiben können im tiefen Grunde, steht eine jede für sich, wie sie doch wächst aus selbigem Boden gleich den anderen. Der aber ist getilgt aus dem Bilde, das an die Wand gelangt, scheinbar. Jedoch: Gärtner und Floristinnen kennen noch Wege. Sie ahnen, was es heißt im Frühtau zu Tale zu schlendern. Der Ursprung liegt im Kelche verborgen, woher und wodurch eine Sache ist, was eine Sache ist und wie sie ist. „Wer von Sachen redet, kann uns gestohlen bleiben.“, spricht dagegen der tätige Künstler, der nicht sein will, sondern machen. Künstler und Werk sind sich hier einig in der Vermeidung des Wechselbezugs auf jenes Dritte, nämlich die Kunst, von der sie keinen Namen haben. Sie beharren stattdessen auf jener verworfenen Alltäglichkeit, in der es nach Wasser eine jede Blüte noch dürstet. Sie entsprechen freilich, so räumt dieses Blatt des BenHuRum, dem einen Text beizugeben ich gebeten wurde, unumwunden ein, keiner Wirklichkeit, sondern sind ursprünglich nur in jener Weise, die sich nicht entnehmen, sondern bloß erschnupppern lässt. Hier jedoch erliegen wir einer holländischen Selbsttäuschung, denn was als Gezücht des Treibhauses ins Bild gerückt wird, kann den Duft des finsteren Grund, von dem her es sich behauptet, nicht länger mehr erfinden. Das Dinghafte der Blüte indes erweist sich doch noch im frühen Werk. Jedoch: Es liegt kein Tau  auf den grünen Blättern. Nichts kann hier für ein Ding an sich genommen werden: Nicht die Tulpe in der Vase, nicht das Reh auf der Lichtung, nicht der Käfer im Gras, nicht die Katze auf der Mauer. Alle diese Benennungen sind beliebige Namen. Jenseits der Sprache liegt die Schau. Wer an den Namen klebt, kann das Vorliegende nicht sehen. Der tiefe Grund wird dem bodenlos, der so weiter denkt. Der Künstler jedoch, der einer ist, bleibt stehen und besinnt sich der Kyrenaiker. Doch davon beim nächsten Male mehr.

Konzentrieren Sie sich auf Ihre Nasenspitze. 

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