Ein Beitrag von BenHuRum |
„Kein
einziges der scheinbar ganz spezifischen Stilmittel in Heideggers Sprache, das
Stilmittel der radikalen wie das des weltumspannenden Denkens, das der
Entbanalisierung der Quellen wie das des ´begründenden´ Denkens und ganz
allgemein all die Stilmittel, die die schwammige
Rhetorik der Homilie ausmachen, diese Variationen über die Wörter eines
heiligen Textes, der zu Matrix eines endlos-eindringlichen Kommentars wird, der
ein per definitionem unerschöpfliches Thema dennoch erschöpfen will – keines
dieser Stilmittel stellt etwas anderes dar, als den exemplarischen äußersten
Fall, die absolute Legitimierung, der berufsbedingten Ticks und Tricks, die den
´Kathederpropheten´ (wie Max Weber gesagt hat) dazu verhelfen, alle Tage wieder
die Illusion des Nicht-Alltäglichen zu erzeugen. Alle diese Stilmittel des
erzpriesterlichen Prophetentums können also nur auf der Basis jenes geheimen
Einverständnisses ganz glücken, das Autor und Interpreten in der Bejahung jener
Voraussetzungen vereint, die mit der soziologischen Definition des ´vom Staat
besoldeten kleinen Propheten´ (noch einmal Max Weber) impliziert sind: Keine
dieser Voraussetzungen dürften den Interessen Heideggers mehr entgegenkommen,
als die Verabsolutierung des Textes,
die jede gebildete Lektüre praktiziert, die auf sich hält.“
Pierre Bourdieu: Was heißt sprechen?
Die Ökonomie des sprachlichen Tausches, 1990
Wiewohl
im Zentrum der Mini-Serie „Kyrenaische Antipoden“ aus dem stetig wachsenden
Werke des BenHuRums (das sich in seiner aus vielfältigen Quellen
wuchernden Ausdehnung mit Leichtigkeit dem Verdikt
des Reduktionismus entzieht) der silbern schimmernde Astral-Leib jener
Replikantin steht, der wir das Pseudonym „Kyrenaische
Hyndin“ verliehen haben, stellen wir auf Bitte von Frau Prof. Dr. Martina Holzschlag (Aftersteg) eine Arbeit an den
Beginn dieser Serie, in der die Hyndin nicht etwa fehlt, sondern schlicht
abwesend ist und – wie jede sehen kann – aus rein formalen Gründen auch sein
muss. Ebenfalls bat uns Frau Prof. Dr. Holzschlag ihrem heutigen Beitrag, mit
dem also zugleich die kleine Serie ihren Anfang nimmt, oben stehendes Zitat aus
der überaus lesenswerten deutschen Übersetzung von Pierre Bourdieus „Ce que parler veut dire. L´économie des
échanges linguistiques“ (1982) vorauszuschicken. Regelmäßigen
Leserinnen und Leser von „Gleisbauarbeiten“ werden die Gründe hierfür
sicherlich ein- und heimleuchten.
FRÜHLINGSSTAU
von Prof. Dr. Martina Holzschlag
(Aftersteg)
Oberhalb
von Wieden liegt der Finstergrund. Noch aus diesem alten Namen erblühen im
frühen Jahr die pastellenen Tulpen und nur wer sie pflücket erringt den Strauß.
Wo sie aber stehen bleiben können im tiefen Grunde, steht eine jede für sich,
wie sie doch wächst aus selbigem Boden gleich den anderen. Der aber ist getilgt
aus dem Bilde, das an die Wand gelangt, scheinbar. Jedoch: Gärtner und
Floristinnen kennen noch Wege. Sie ahnen, was es heißt im Frühtau zu Tale zu
schlendern. Der Ursprung liegt im Kelche verborgen, woher und wodurch eine
Sache ist, was eine Sache ist und wie sie ist. „Wer von Sachen redet, kann uns
gestohlen bleiben.“, spricht dagegen der tätige Künstler, der nicht
sein will, sondern machen. Künstler und Werk sind sich hier einig in der
Vermeidung des Wechselbezugs auf jenes Dritte, nämlich die Kunst, von der sie
keinen Namen haben. Sie beharren stattdessen auf jener verworfenen
Alltäglichkeit, in der es nach Wasser eine jede Blüte noch dürstet. Sie entsprechen
freilich, so räumt dieses Blatt des BenHuRum, dem einen Text beizugeben ich
gebeten wurde, unumwunden ein, keiner Wirklichkeit, sondern sind ursprünglich
nur in jener Weise, die sich nicht entnehmen, sondern bloß erschnupppern lässt.
Hier jedoch erliegen wir einer holländischen Selbsttäuschung, denn was als
Gezücht des Treibhauses ins Bild gerückt wird, kann den Duft des finsteren
Grund, von dem her es sich behauptet, nicht länger mehr erfinden. Das Dinghafte der
Blüte indes erweist sich doch noch im frühen Werk. Jedoch: Es liegt kein Tau auf den
grünen Blättern. Nichts kann hier für ein Ding an sich genommen werden: Nicht
die Tulpe in der Vase, nicht das Reh auf der Lichtung, nicht der Käfer im Gras,
nicht die Katze auf der Mauer. Alle diese Benennungen sind beliebige Namen.
Jenseits der Sprache liegt die Schau. Wer an den Namen klebt, kann das
Vorliegende nicht sehen. Der tiefe Grund wird dem bodenlos, der so weiter denkt.
Der Künstler jedoch, der einer ist, bleibt stehen und besinnt sich der
Kyrenaiker. Doch davon beim nächsten Male mehr.
Konzentrieren
Sie sich auf Ihre Nasenspitze.
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