Sonntag, 25. August 2013

SPÄTVORSTELLUNG: The man from Laramie (1955)




Ein Beitrag von Morel

James Stewart war über 1,90 groß und wog zeit seines Lebens weniger als 80 Kilo. Dies prädestinierte ihn zu Beginn seiner Karriere für die Rolle des schlaksigen, leicht ungeschickten Liebhabers, der in sein Glück eher hineinstolpert, als dass er es am Schopfe packen würde. Gleichzeitig waren alle seine Rollen von provinziellem Trotz geprägt – in die US-Folklore eingegangen ist etwa Mr. Smith, der 24 Stunden in Washington palavert, um ein Gesetz zu verhindern (seitdem wird bei jedem der sogenannten Filibuster  – wie zuletzt der tapfere Auftritt von State Senator Wendy Davis im Senat von Texas – an Capras Film erinnert). Ungeschick und Trotz verbanden sich aber in Stewarts Filmen der 30er und 40er Jahre mit Charme und Menschlichkeit: der ungeschickte jungenhafte Mann weckte Mitleid bei den Frauen und brachte die Männer zum Schmunzeln. In den 50er Jahren förderten besonders Filme von zwei Regisseuren dagegen die dunkle Seite von James Stewart zu Tage. Die Filme mit Alfred Hitchcock wie Vertigo und Rear Window, sind inzwischen Filmgeschichte (und nicht mehr nur einfach Krimis). Die Serie von Western mit Anthony Mann, die in den 50er Jahren gefeiert wurden, dagegen inzwischen beinahe schon wieder vergessen. Bei beiden Regisseuren schlagen Ungeschick und Trotz von James Stewart um – in Menschenfeindlichkeit und Rachedurst. Darin spiegeln sie ihre Zeit wieder – die Siegesparaden mündeten in die Paranoia des Kalten Krieges. Der dünne, schlanke Mann fand niemanden mehr, der ihn in die richtige Richtung schubste, also verrannte er sich.

So auch in The Man from Laramie, gedreht von Anthony Mann. Stewart ist der ehemalige Armeeoffizier Lockhart, der inkognito den Tod seines jüngeren Bruders aufklären will. Hierzu kommt er in die archetypische Westernstadt Coronado, wo die Waggomans das Sagen haben. Dabei handelt es sich um eine mutterlose Familie: der halbblinde Vater Alec, der verzogene und arrogante Sohn Dave und der ehrgeizige Vic, der die Ranch managt. Blind für seine Umgebung lebt der Vater nur noch in seinen pingelig geführten Abrechnungen: die Zahlen überlagern die sichtbare Welt. Typisch für die Western von Anthony Mann: die Nationalgeschichte hat sich aus der Prärie verzogen, dagegen ist die Psychoanalyse eingezogen und mit ihr die griechischen Sagen. Folglich hat der blinde Patriarch einen immer wiederkehrenden Traum, der ihn vor einem Fremden warnt, der seinen Sohn töten werde. Er versucht daher die gewalttätigen Konflikte zwischen Lockhart und seinem Sohn durch Geld zu lösen. Vergeblich, denn Lockhart will aufklären, wer den Apache-Indianern die Waffen verkauft hat, mit denen sein Bruder erschossen wurde (das Thema Verrat und Überläufer ist dann doch auch wieder politisch). Lockhart schlägt sich in dieser patriarchalischen Welt auf die Seite der Frauen: er flirtet auf seine unbeholfene, steife Art mit Barbara Waggoman, der Nichte Alecs, die aber mit Vic verlobt ist. Und er wird Vorarbeiter bei Kate Canady, der letzten unabhängigen Farmerin. Kate hätte Alec beinahe einmal geheiratet, lange her, aber dann ist die falsche Frau aufgetaucht und die Tragödie nahm ihren Lauf. Denn natürlich ist Vic, der sich für den wahren Sohn und Erben hält, der Waffenschmuggler und kurz vor Ende des Films der Mörder von Sohn und Vater. Lockhart verfolgt ihn in die Berge, wo er ihn zwingt, das Waffenversteck zu zerstören. Die um ihre schon bezahlte Ware gebrachten Indianer erschießen ihn dann. Als Lockhart sich von Barbara verabschiedet, gibt er ihr den Rat, sich bei Gelegenheit in Laramie einmal nach einem Captain Lockhart zu erkundigen. Damit legt er die Rolle des gesetzlosen Cowboys an und tritt wieder auf die Seite der Autorität über.

Das Drehbuch dieses Films gibt James Stewart als Lockhart eigentlich die Chance, seine edelmütige Seite zu zeigen. Er ist auf  Rachemission, verzichtet aber am Ende überraschend auf Gewalt. Der Held macht sich daher nicht schuldig und hat Aussicht auf die Gründung einer Familie (nachdem er die Herrschaft der pervertierten Waggoman-Familie beendet hat). Dieser Gewaltverzicht fällt ihm schwer: seine Wagen werden schon zu Beginn des Films verbrannt, in einer unvergesslichen Szene schießt ihm Dave Waggoman aus kurzer Distanz durch die Hand, immer wieder demütigt ihn der überhebliche Erbe. Daher prägen sich die entgleisenden Züge des Gesichts von James Stewart ein, seine gefletschten Zähne, die starren Augen. Er wäre gerne souverän, aber sein Rachedurst zerfrisst ihn von innen. Er ist nicht in der Lage Frieden zu stiften (wie es sich Kate wünschen würde), sondern löst den entscheidenden Krieg aus, indem er die latenten Konflikte zwischen Alec, Dave und Vic unabsichtlich zum Ausbruch bringt. Er ist nichts als der wahr gewordene Alptraum des Patriarchen. Wie in vielen Western sind die Frauen abwesend, eine verpasste Chance auf ein anderes Leben. Kate wäre die richtige Frau für Alec gewesen und Vic hätte sich mit dem bescheidenen Leben an der Seite Barbara zufrieden geben müssen. Der Hochmut bestraft sich hier am Ende selbst. Coronado ist nicht der Wilde Westen, der noch zivilisiert werden muss (was sonst immer die Aufgabe der Frau ist), sondern die gescheiterte Zivilisation, in der Männer und Frauen allein bleiben. In The Man of Laramie geht es nicht um den Fortschritt, sondern um den Aufschub des Endes. Später werden dann die Western Segio Leones oder Clint Eastwoods dieses Ende zelebrieren – aber hier gibt es noch ein unsichtbares Laramie, wo die Welt noch in Ordnung ist. Die Tage in Coronado waren nur eine Episode.

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