Dienstag, 21. Dezember 2010

FRÜHSTÜCK AM STRAND VON MALIBU (Zum Tod von Blake Edwards)

'Quelle:
http://www.ruggedelegantliving.com
von Morel


In ihrem Nachruf auf den letzte Woche verstorbenen Filmregisseur Blake Edwards erinnert die New York Times noch einmal an ein Interview aus dem Jahr 2001. Darin erzählte der Filmregisseur, der wie viele Komiker zur Depression neigte, von einem  Selbstmordversuch am Strand von Malibu. Er beabsichtigte, sich mit einer Rasierklinge die Pulsadern aufzuschlitzen. Beim Versuch seinen Hund abzulenken, der lieber mit einem Ball spielen wollte, verrenkte er sich die Schulter und verletzte sich an der im Sand liegenden Rasierklinge. Diese wahrscheinlich leicht ausgeschmückte Geschichte klingt so, als wäre Edwards ähnlich wie Hrundi V. Bakshi, der von Peter Sellers gespielte aufgrund einer Verwechslung ins Haus eines Hollywood-Produzenten eingeladene Statist, in der Lage, eine Villa innerhalb von zwei Stunden in Schutt und Asche zu legen.

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In den letzten Jahren hat sich der Ruf von Blake Edwards verbessert. Während der sich am klassischen Hollywood orientierende Leslie Halliwell seine Filme in der Regel nur kurz abfertigte (Breakfast at Tiffany’s habe kein Tempo und sei sentimental, The Party dauere viel zu lang, The Pink Panther immerhin wäre etwas für Leute mit gröberen Geschmacksnerven) entdeckte eine neue Generation von europäischen Cineasten und Kritikern in Edwards ähnlich wie in Jerry Lewis einen an amerikanischer Ignoranz gescheiterten und verkannten Künstler. Aus dieser Perspektive wird die von Halliwell bemängelte Langatmigkeit ein Kunstmittel, das Edwards sich von Laurel und Hardy abgeschaut habe. Auch die Sentimentalität wird zu einer Art von höherem Trash promoviert. Moon River, die Leitmelodie aus Breakfast at Tiffany’s, tauchte zuletzt gerne im Arthouse-Kino auf, zum Beispiel bei Pedro Almodovar (La mala educación) oder Arnaud Desplechin (Rois et Reine).

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Anders als die klassischen Hollywood-Regisseure musste Blake Edwards nicht in die Traumfabrik gehen, um Geld zu verdienen, er wurde dort geboren. Sowohl sein Stiefvater, wie auch dessen Vater, waren im Filmgeschäft tätig. Der Erfolgsdruck dieser väterlichen Vorläufer ist das Treibmittel, das Edwards Komödien vorantreibt. Seine männlichen Protagonisten bleiben ewige Söhne: im Versuch, ihre Väter zu übertreffen, zerstören sie das Erbe und damit auch ihre eigene Autorität. Immer stehen sie ungewollt im Scheinwerferlicht und fallen dann aus der Rolle. Auch in seinen romantischen Komödien ist der vom Vater geworfene depressive Schatten überdeutlich (und wird dann durch den Süßstoff der Sentimentalität erfolgreich aufgehellt). Der erfolglose Schriftsteller und die arbeitslose Schauspielerin in Breakfast at Tiffany’s sind beide gezwungen, sich zu prostituieren (und das nicht im übertragenen Sinne). Beide jagen sie dem Erfolg nach, der sich trotz des Happy Ends, wenn sich Regentropfen und Tränen effektvoll vermischen, nicht einstellen will. Dabei kennt die von Audrey Hepburn gespielte Hauptfigur den Notausgang aus dem Hamsterrad der unerfüllten Ambitionen: er liegt in der Erfindung des eigenen Lebens. Das versuchen ihr die Männer in ihrem Leben – der mürrische Doc, der überhebliche Schriftsteller und der väterliche Gangster – auszureden. Doch die Väter sind hier einmal keine Bedrohung, sondern harmlose Nervensegen, die sich wieder zurück in die Provinz schicken lassen. Und der die Lügen von Holly Golightly entlarvende Schriftsteller vergisst: die Forderung nach Authentizität ist der Trick, mit dem die Erfolgreichen sich die Konkurrenz vom Leib halten. Wir anderen müssen mehr scheinen, als wir sind. Die viel gerühmte Eleganz von Blake Edwards war seine Medizin gegen Depression: wenn schon alles zu Grunde geht, dann wenigstens mit Stil. Nie waren die Straßen New Yorks so leer, nie die Fassaden so glatt wie in den Anfangsszenen von Breakfast at Tiffany's.

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