Donnerstag, 18. August 2011

WORT-SCHATZ (9): Vertraulich

dasz weder lieb, freindschafft, auffrichtigkeit,dasz weder treu, glaub noch verträulichkeit 
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             Weckherlin


Während der Zusammenkunft wird mehrfach beschworen, was hier besprochen werde, sei vertraulich. Man sitzt also beisammen mit Leuten, die man kaum kennt und bei genauerer Überlegung nicht näher zu kennen wünscht und versichert sich, was keineswegs zu erwarten ist: Vertraulichkeit.

Wann immer so geredet wird, denk ich mir: Kommt mir bloß nicht so vertraulich. Sobald Vertrauen ein Thema ist, brauche ich meines gar nicht zu verlieren. Ich weiß dann, dass ich keines habe. 

Wenn jemand dir die Hand auf den Schenkel legt, dann kann das ein Übergriff sein oder eine vertraute Geste. Möglicherweise ist es auch eine vertrauliche Geste, also eine zuversichtliche. Man muss miteinander reden, sagt der Kommunikationsberater. Alles wird sorgfältig ausgehandelt, damit eine Vertrauensbasis entsteht. Wir legen genau fest, wer wen wann wie anfassen darf, beispielsweise. Wir machen einen Vertrag. Den unterzeichnen wir dann im Vertrauen auf die Vertragstreue.

Doch wie soll aus solchem Handel ein vertrauliches Lustspiel werden? Wer erst was beschließen muss, wird nie vertraulich beieinander liegen.  Ein inniger, zwangloser, rückhaltloser Verkehr, stelle ich mir vor, ergibt sich kaum aus langwierigen Kooperationsvereinbarungen. Schlimm ist und bleibt doch die Vertraulichkeit, der das Vertrauen fehlt, schluchzt die Romantikerin in mir. Und fürchtet: Eine solche Vertraulichkeit schürt die Verachtung.

Wir wollen einander nichts sagen. Wir wollen vertraulich sein und vertraut, uns rückhaltlos der wollust des schmerzes preisgeben und die sich selbst geiselnde vertraulichkeitssucht preisen, die uns bindet und löst. Dann wird sich auch das eytle Selbstvertrauen einstellen, auf das sich alle Vertraulichkeit mit dem Nächsten gründet.

Wir sind unter den Beziehungs-Händlern eine aussterbende Spezies.


Schlussfolgerung
Sei nie vertraulich, ohne dass dein Herz berührt ist.

(meinen Söhnen gewidmet)

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