Montag, 24. Oktober 2011

EIN FRÜHLING, DER KEINER WAR? (Die "Arabische Welt" in der Presse von heute)

Die mutmaßliche Ermordung eines abstoßenden Diktators bei seiner Verhaftung sorgt für wenig Empörung. Denn „Ihr seid frei, Libyer.“, daher feiert man doch lieber mit, statt sich um die Menschenrechte eines Mörders zu kümmern. Und: Die Scharia soll auch wieder eingeführt werden in Libyen.

In Tunesien fand am Wochenende ein Ansturm auf die Wahllokale statt. Die „freie (Markt-) Welt“ muss sich aber nicht sorgen; im Notfall wird der IWF zur „Schock-Therapie“ eingeflogen, falls tatsächlich eine Umverteilung des Reichtums angestrebt werden sollte. Derweil kann „Persepolis“  nicht gezeigt werden, um die „öffentliche Ordnung“ nicht zu gefährden.

In Saudi-Arabien ist ein 83jähriger Thronfolger verstorben. Sein Nachfolger wird in der „Qualitätspresse" euphemistisch als „äußerst konservativ“ beschrieben. Auto fahrende Frauen mag er nicht und auf öffentliche Auspeitschungen steht er. Gleichwohl wird er sich, falls er einmal König werden sollte, sicher zu einem „geschätzten Freund“ der ölverbrauchenden Welt entwicklen.

In Frankfurt beklagt der Zentralrat der Juden in Deutschland „Israel-Bashing“. Die Politik der Regierung Netanjahu/Lieberman, insbesondere die Siedlungspolitik, verdient Kritik. Keiner israelischen Regierung jedoch kann geraten werden, in der Hamas einen Verhandlungspartner zu sehen. Die Hamas hat gerade wieder aller Welt vorgeführt, was ihr das Leben und die Wohlfahrt der eigenen Bevölkerung Wert sind, indem sie den Austausch von Gilat Shalit gegen 1027 gefangene Palästinenser als Sieg feiert.  Was immer die israelische Regierung falsch macht und wie immer gefährlich die Entwicklung zu einem nationalistischen Religionsstaat ist, die sich abzeichnet, - noch ist Israel ein demokratischer Staat, in dem ein Mensch etwas wert ist, letztlich mehr wert, als gezählt werden kann. Dass die Regierung Netanjahu den Austausch propagandistisch ausschlachtet, dass sie selbst sich in den Jahren vorher ignorant gegenüber Gilat Shalits Schicksal gezeigt hat, dass sie es zu Verhandlungsmasse gemacht hat – all das ist wahr! Auch wahr ist aber, dass die symbolische Botschaft dieses Austauschs von jedermann und  jeder Frau in der Welt verstanden wird: Überlegen erweisen sich die Gesellschaften, in denen das Individuum etwas gilt, gegenüber jenen, die es einer Volks- oder Religionsgemeinschaft zum Opfer bringen. 

Maikel Nabil, Archivbild
Quelle: zeit.de
Zuletzt bleibt an Maikel Nabil zu erinnern, einen ägyptischen Blogger und Atheisten, der im eigenen Land wenig Unterstützung erhält, weil er sich gegen das Militär und pro-israelisch geäußert hat. Seit mehr als zwei Monaten befindet sich Maikel Nabil im Hungerstreik. Seine Familie fürchtet um sein Leben. Jetzt wurde er in die Psychiatrie zwangseingewiesen.

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