Die schönen männlichen Helden verschwinden im 18. Jahrhundert aus den epischen Werken. Erzählt wird nicht mehr von Königssöhnen, die Drachen erschlagen, nicht mehr von edlen Anführern mächtiger Heerscharen, die Reiche erobern und am Ende die Hand einer Königstochter ergreifen. Kein Schwert schmückt mehr die Hüften, kein Messer schmiegt sich in die Hand, kein Helm ziert das Haupt.
Der bürgerliche Held trägt Hosen. Er ist pünktlich und unermüdlich in seiner Pflicht. Er erweitert seine nützlichen Kenntnisse und schwitzt nicht schlecht, wenn er sich müht um Broterwerb und Kapitalakkumulation. Man sieht sofort, dass dieser Kerl wenig zum Roman taugt: Stur und steif, ehrgeizig und ehrpusslig, sparsam und still, so gibt der sich. Da steckt eine enorme Anstrengung und Anpassungsleistung dahinter, die dem Körper und Sinn alle unnütze Begehrlichkeit am Arbeitstage austreibt. Merkwürdig enthaltsam scheint dieser Held gegenüber Wein, Weib und Gesang. Es fehlt ihm an Kultur und Geist, an Witz und Geschmack. Das können selbst seine eifrigsten Propagandisten schon früh nicht mehr leugnen.
In der „Arbeit“ steckte weder in der Antike noch im Mittelalter schon das Glückversprechen, dass erst die bürgerliche Ideologie ihr angedichtet hat. Noch die Arbeit der Mönche wurde als Sündenabtrag verstanden. Aristokraten gewannen ihre Identität gerade aus der Distanz zur Mühsal der Arbeitswelt. Arbeit als Zwang, um die Existenzbedürfnisse zu befriedigen, war bis weit ins christliche Mittelalter hinein eine Herabwürdigung. Im Klang der Worte für „Arbeit“ im Lateinischen und Englischen "labor/labour", im Griechischen "ponos", im Französischen "travail" schwingen noch die Mühsal, Pein und Unlust mit, die Arbeit ehemals verhieß. Labour und travail sind zudem die Worte auch für das Gebären. Produktion (männlich) und Reproduktion (weiblich) galten als notwendig, aber schmerzvoll und erniedrigend.
Allerdings kommt es im Gegenzug zur Aufwertung der Frauen in den neuen epischen Werken: den Romanen. Die bürgerliche Frau verkörpert den neuen Adel, als jenen Teil des Mannes, den er sich leisten kann, nicht arbeiten zu lassen. (Dass die Schmerzen der Geburt – denn er zeugt und zeugt, selbstverständlich! – ins hinterste Kämmerlein verlegt werden und über sie nur noch geflüstert wird, steht auf einem anderen Blatt, aber hiermit in engem Zusammenhang.) Was Frauen arbeiten, wird folgerichtig als Arbeit nun nicht mehr verstanden. Im Idealbild legen sie ihre Hände in den Schoss und senken das Köpfchen sittsam. Während der bürgerliche Mann das „stahlharte Gehäuse“ (Max Weber) der Arbeitsverherrlichung um sich schließt, hält er sich eine zart-weiche Frau, die „das Andere“ verkörpert, das er von sich abspaltet.
Das Konzept führt zu Perversionen. Denn die Frau, die ihn lieben soll, wird zum Teil des Privateigentums, über das er sich seine neue Identität ausbildet. Er idealisiert sie und erniedrigt sie ihm gleichen Atemzug. Romane entstehen nun zuhauf, deren Heldinnen entführt und geschändet werden. „Pamela“ von Richardson ist der Prototyp. Was er von sich abspaltet, seine Gier und seine Lust, lässt er als Autor an der Fiktion des Weibes aus. Und sie, als Leserin, genießt es: das schöne Leid der schönen Seele. Immer schwingt in den frühen Geschichten der Heldinnen mit, dass sie fürchten, dem Verführer zu verfallen.
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danke für das Foto und die Verwendung des Wortes ehrpusselig, das hab ich noch nie gehört!
AntwortenLöschenIch wundere mich immer wieder aufs Neue, wie viel von dem, was ins unserer Gesellschaft normal und schon immer dagewesen sein soll, erst mit dem Bürgertum geschaffen wurde.
Tolles Bild, ja.
AntwortenLöschenDer Trick war: Es wurde alles "Natur" - deshalb wirken diese Paradigmen so "normal" und ahistorisch. Claudia Honegger hat das für die Humanwissenschaften, insbesondere die Medizin großartig beschrieben:
Die Ordnung der Geschlechter