"Ohne Zweifel gehört die Mode zu den Erscheinungen jener Neuerungssucht, die in unserer Zivilisation wahrscheinlich mit der Geburt des Kapitalismus aufgetreten ist. Das Neue ist, durch und durch institutionalisiert, ein käuflicher Wert. Doch der modischen Neuheit scheint in unserer Gesellschaft eine anthropologische Funktion zuzukommen, die bei aller Zweideutigkeit wohldefiniert ist: indem sie unvorhersehbar und systematisch, regelmäßig und unbekannt, zufällig und strukturiert zugleich ist, verbindet sie auf phantastische Weise das Intelligible, ohne das die Menschen nicht leben könnten, mit der Unvorhersehbarkeit, die man dem Mythos des Lebens beilegt."
(Roland Barthes: Die Sprache der Mode)
Mode ist menschlich. Biber tragen keine Pelze. Das Natürliche kann mir gestohlen bleiben. Ich will ein kleines Schwarzes. Denn ich habe einen Hang zum Klassischen. Das ist grade „in“ und mein Begehren entspricht damit dem Zeitgeist. Zumal in Deutschland, wo man immer schon mehr auf „Qualität“ und „Beständigkeit“, statt auf Form und Originalität setzt, wie Barbara Vinken in der Frankfurter Rundschau vom 18. November behauptet.
Mode ist weiblich, sagt Vinken. Nicht von Natur aus, sondern seit der französischen Revolution. Seither trägt der Profi-Mann „Arbeitskleidung“ – hält sich gedeckt bedeckt, um im Anzug ins Kollektiv einzuschmelzen. Gerade die erotische Zone (Po, Beine Geschlecht) werde durch die bürgerliche Männer-Modenorm neutralisiert. Vergleicht man den Angestellten-Look mit der Männer-Mode des 16. Jahrhunderts , kann man der Frau nur Recht geben. Schade eigentlich.
„Die Kleider der Moderne inszenieren den Körper der Frau als einen zur Arbeit unfähigen. Er soll nicht funktionieren, sondern repräsentieren.“, so Vinken – nämlich den Mann, dem die Frau gehört. Man kann diesen Prozess von den Empire-Kleider des späten 18. Jahrhunderts, die noch einen gewissen Bewegungsspielraum boten, bis zu Wespentaillen-Silhouetten des 19. Jahrhunderts nachvollziehen. Die Frau im Schnürleibchen fiel stilvoll in Ohnmacht, sobald sie sich ein wenig rührte.
Die Nachwirkungen dieser modischen Arbeitsteilung der Geschlechter sind bis heute spürbar: Der Spielraum männlicher Selbstdarstellung durch Mode ist immer noch relativ beschränkt. Umgekehrt ist es für Frauen oft genug schwierig modisch und professionell zu wirken. Viele Frauen glauben, sie müssten die Inszenierung von Weiblichkeit „opfern“, um als gleichwertig anerkannt zu werden. Das habe ich früher genauso empfunden (nicht gedacht, tatsächlich habe ich „früher“, also vor 20 Jahren, kaum über so etwas nachgedacht). Inzwischen bin ich unsicher: Sollten Frauen die Darstellung von Weiblichkeit als „erotisches Kapital“ einsetzen, um sich in einer noch immer von männlichem Begehren dominierten (Arbeits-)Welt, durchzusetzen, wie Catherine Hakim vorschlägt? Solange das Ziel ist, systemimmanent aufzusteigen, spricht nichts dagegen. Wenn frau aber die Utopie einer Gesellschaft hat, in der keine/r gezwungen ist, sich selbst als Ware zu optimieren, ist der Einsatz erotischer Anziehungskraft zur „Wertsteigerung“ mindestens ambivalent.
Ich habe ein Kleid, klein und schwarz, ersteigert. Klassisch, weiblich, dezent sexy. Finde ich. Die Gelegenheit, bei der ich es anziehen will, steht schon fest (und: Wenn ich ehrlich bin, stelle ich mir auch schon vor, wie ich es ausziehe.)
Zum Thema Mode als erotisches Kapital zu betrachten, fühle ich mich nicht berufen zu kommentieren. Zu stark ist meine Abneigung gegen den Kapitalismus.
AntwortenLöschenZum Thema Anziehen und Mode kann ich sagen, dass ich es sehr geniese andere Menschen anzusehen, die modisch und schick gekleidet sind, auch wenn ich die Hosen und schlichtes Oberteil zu meiner Arbeits-, Alltags- und Sonntagskleidung ausgewählt habe.
Überhaupt mag ich exzentrische, extrovertierte Menschen gerne zusehen und die haben oft einen ausgefallenen modischen Geschmack.
Mir geht´s genauso mit dem "erotischen Kapital". Andererseits denke ich mir: Solange Männer überall die "patriarchalische Dividende" einstreichen (also Teilhaber sind an der traditionellen männlichen Vorherrschaft und die Vorteile daraus bewusst-unbewusst wahrnehmen), sollten Frauen auf ihre spezifischen Möglichkeiten innerhalb dieses Systems nicht per se verzichten. Meine Utopie von einem selbstbestimmten Leben a l s Frau sieht aber anders aus: Da will ich mich anziehen, um mir (und anderen?) Freude zu machen und nicht um meinen "Wert" zu steigern.
AntwortenLöschenIch finde ausgefallene, auch schrille Kleidung auch toll. Allerdings trau ich mich meist nicht, so was zu tragen. Weil ich nicht so gerne auffalle, glaube ich. Das empfinde ich als anstrengend. Aber ich bewundere Leute, dies können und wollen - Männer und Frauen.