Dass ich euch nicht leiden kann, sieht man nicht dauernd. Nur manchmal blitzt es vielleicht auf in meinen Augen. Ich sehe mich ja nicht, wenn es soweit ist. Vor dem Spiegel pose ich allerdings und fletsche die Zähne. Ja, ich mag euch nicht. Wäre ich frei wie der Wind, wehte ich euch von den Bergen hinunter und spülte euch in die See. Wäre ich stark wie ein Bär, zermalmte ich euch mit meinem Kiefer. Wäre ich fett wie ein Elefant, wälzte ich euch platt. Dabei hasse ich euch nicht. Ihr seid mir bloß lästig und widerlich. Im trüben Gewässer eures seichten Geschwätzes sitze ich ab. Von euren schlappen Bewegungen werde ich ausgebremst und von euren fetten Armen aufgehalten. Sie gab sich einen Ruck und erhob sich von der Frühstückstafel. „Sei nicht albern“, sagte sie sich.
„Frau K.?“ „Ich denke, da sind wir auf einem guten Weg. Sie ist kooperativ.“ „ Das kann man sagen. Wir sollten ihr ein Weihnachten bei ihrer Familie gönnen“ „Sie hat keine.“ Er blätterte in den Akten. „Sie haben Recht. Unter diesen Umständen...“ „Als sie damals in der Bahn zusammenbrach, bereitete es einige Mühe, sie zu identifizieren.“ „Ohne alles, tatsächlich, als bereite sie ein Attentat vor. Selbst die Etiketten waren aus der Unterwäsche geschnitten.“ „Sie las Krimis. Viele.“ Er lachte. „Besucht jemand sie?“ „Ein ehemaliger Arbeitskollege war einmal da. Doch das ist eine Weile her.“ „Nun, ich denke, wir warten noch bis nach Neujahr. Dann sehen wir weiter.“ „Was liest sie jetzt?“ „Historisches. Kriegsreportagen. So was.“ „Mach eine Notiz wegen eines Weihnachtspräsents.“ „In Ordnung.“ „Herr P.?“ „Tja...“
Frau K. hatte das geschmolzene Wachs aus der Kerze gepult und knetete es zwischen ihren Fingern. „Ist der Adventskranz nicht schön geworden?“ Schwester Jutta stand hinter ihr. Frau K. nickte und schloss kurz die Augenlider. Als sie die Augen wieder öffnete, starrte sie in die Flamme. Wäre ich ein Feuerwerfer, versengte ich eure Wohnstätten.
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Fortsetzung einer lang verschollenen Serie: Frau K. in der S-Bahn
und hier als Word-Datei in der richtigen Reihenfolge: Geschichten von Frau K.
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