All at once everything was changed
Ein Beitrag von Morel
Der Romanzyklus, der kurz nach dem Ersten Weltkrieg mit drei jungen Männern seinen Anfang nahm, besichtigt diese nun im dritten Band The Acceptance World am Ende ihres ersten Jahrzehnts als Erwachsene. Die dreißiger Jahre haben begonnen. England hat die Bindung des Pfunds an den Goldstandard aufgegeben. Alte Sicherheiten werden obsolet. Wie in unseren Tagen wanken mit den Banken auch die Regierungen. Wenn wir nun den Figuren aus den ersten beiden Bänden wieder begegnen, erscheinen sie uns als unterschiedlich gefärbte Variationen des Scheiterns. Stringham, der zynisch-melancholische Dandy, ist zum Alkoholiker geworden, seine hastig geschlossene Ehe ebenso schnell gescheitert. Templers Ehe mit dem ehemaligen Künstlermodell Mona zerbricht ebenfalls, weil sie das in der intellektuellen Boheme Londons freigiebig verschleuderte kulturelle Kapital der öden Sicherheit eines Lebens in Landhäusern und Luxushotels vorzieht. Als er in einer Winternacht vom Rücksitz einer Limousine das Anwesen Templers erblickt vergleicht der Erzähler es mit einem Indianerreservat, das es dem Stamm der Geschäftsleute ermögliche, am Leben zu bleiben, fern von den Zumutungen einer immer aggressiver werdenden Außenwelt.
Protestmärsche durch den Hyde-Park, marxistisches Gedankengut, künstlerische Avantgarden - das Zeitungsmaterial der Zeit lagert sich in dem Roman als Echo aus einer Welt ab, die inzwischen zwar vergangen ist, aber in anderen Formen Wiederauferstehung feiert. Traumgleich gleitet der Erzähler durch ein Leben, das er sowenig beherrscht wie ein Taucher den Ozean. Diese Unsicherheit der Perspektive spiegelt sich in den Figuren wider, ihre Individualität verschwimmt. An einer Stelle heißt es vom Erzähler und einem anderen Literaten (denn das ist dieser mit einem ersten Roman neben seiner Anstellung in einem Kunstverlag inzwischen geworden), sie seien, betrachte man sie mit einigem Abstand, beinahe identische Einheiten des selben Organismus. Es sind die Leerstellen, die ihre Individualität ausmachen, in denen sie auftauchen, um kurz nach Luft zu schnappen.
Besonders deutlich wird dies in The Acceptance World in der Affäre des Erzählers mit Jean Templer. Schon im ersten Roman hatte er sich in sie verliebt. Jetzt begegnen sie sich wieder und wie wir es von Powell gewohnt sind, gibt er uns an der Stelle des unmöglichen Blicks in eine erdabgewandte Seele nur ein kalt schimmerndes allegorisches Bild. In diesem Fall ist es - eine seltsame Parallele zum Großen Gatsby - eine Leuchtreklame am Straßenrand. Im nachweihnachtlichen England leuchtet eine junge Frau im Badeanzug auf, die am Tag und in der Nacht, im Sommer und im Winter, ewig in einen Pool springt, den sie nie erreicht, "to which she endlessly glides". "Freiwillig" kehrt sie immer wieder auf ihr Sprungbrett zurück. Diesen ewigen Kreislauf durchbricht das neue Paar nun mit seiner ersten Umarmung. Die mit den Wort "All at once everything was changed" beschriebene Veränderung ist aber eine des Moments ohne Dauer, sie bleibt im Banne der Leuchtreklame ein ewiger Absprung ins Glück.
Diese Wiederbegegnung, wie so manch andere Ereignisse des Romans, wurden dem Erzähler von Mrs. Erdleigh, einer spiritistisch begabten Bekannten seines Onkels, vorhergesagt. Die Treffsicherheit dieses Orakels verstärkt den Eindruck, einem Schauspiel beizuwohnen, in dem jede überraschende Wendung ein von einem unsichtbaren Publikum mit Beifall bedachtes Ende vorbereitet, dass keine der Figuren erleben wird. Mrs. Erdleigh ist eine Abgesandte des Autors im Buch, wahrscheinlich nicht die einzige. Von allen Protagonisten des Romans ist Widmerpool, der Mann der Ambitionen und des Willens, der nach eigener Auskunft erfolgreichste. Nach seiner Karriere im Reich des Industriemagnaten Donners, wirft er sich mit dem ihm eigenen Elan in die auch heute wieder für Zeitungsschlagzeilen sorgende Welt des Anleihenhandels. Denn darum geht es in der Acceptance World, um die Akzeptanz als Handelspartner, der für Zahlungen gerade stehen kann. Aber nicht nur jeder Kredit, auch alle anderen menschlichen Aktivitäten sind unsichere Wechsel auf die Zukunft, wie der Erzähler zu Beginn des letzten Kapitels bemerkt.
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