Montag, 13. Februar 2012

WILDERMUTHS ELBIN (Fassung vom 13. Februar 2012)


Die gherne woude doghen tsuete ellende,
Die weghe ter hogher minnen lant,
Hi vonde sijn lief, sijn rike, ten ende;
Dies gheeft die trouwe zeghel ende pant.*

Hadewych

WUNDBRAND
Wie die herkam aus dem klösterlichen Hügelland: Minniglich hatte sie gehaust hier hundert Jahr und mehr. Nistete sich rein. Battisttücher steifweiß glänzend unter der Monstranz ausgebreitet, dass das Blut leuchtete barmherziger. Deren Geist aber zog zu den Säulen hin, wo die Füße nicht stehen. Es fiel das Querhaus oder sie mit hinab, wer weiß das schon? Wie ein Brand aus den Fenstern züngelte  sie sich gleich einer Dachreiterin rot ins Gewölbejoch. Danach blieb die nicht am kühlenden Brunnen stehen; wankend hinaus ins Freie musste sie sich zivilisieren. Stätten blieb sie nicht treu, aber dem Licht. Doch findest du sie nicht mehr unter dem Kaffgesims seither: Das Mutterhaus steht leer.

WILDERMUTH
Wildermuth, wie sie dich nannte , Mann, von der Höhe herab dein Blick über die Felder, wilderst du im fremden Gebüsch, schlägst dich durch die Aue ihr zu, gegen die Windrichtung federt dein Schritt, im Lichte der Waffe ist sie dein Wild, keuchend zwischen dem Lauch windet sie sich unter deinem Griff. Hältst du das Getier fest zwischen Läufen, streckt es die Glieder, beugt es den Hals, wetzt du die Messer, lässt sich die ein Fell über die Ohren ziehen. Wilder Mut treibt zur Jagd.


WIRTSHAUS
Als Wildermuth den Gastraum betrat, hatte der Rothe Löwe seine Pranke schon tief in den Schenkel des Wildes gegraben.  Das  war erstarrt. Wildermuth, der an der Theke ein Pils bestellte, schüttelte beinahe unmerklich den Kopf. Der Löwe fühlte das Blut durch die Venen seiner Beute pulsen. Die Gazellenaugen fanden verstört längst keinen Halt mehr. Warum fliehe ich nicht? Um sie flackerte das Gelächter. Sie schloss die Lider. Er ist ein Fleischfresser und wird es ewig bleiben. Sie streckte ihren Hals vor seinen Kiefer. Beiß zu. Wildermuth setzte das Glas an die Lippen. Die Trägheit des Raubtiers ekelte ihn. Der zieht das Wild an, das sich selbst erlegt. Die Fangzähne gruben sich ein. Im Gejohle des Stammtischs nebenan ging ihr Stöhnen unter.


WAIDWUND  
Es schauderte selbst den Mutigen vor dem Elbengeschlecht. Drum mied er die Lichtung und mähte eine Schneise ins Dickicht. Als ahnte er, was ihm blühte in den Hainen. Doch brauchte er die blasshäutige Gebieterin der nächtlichen Tänzer im Mondenlicht nur hinzuwerfen, dacht´ er: So war die Wilde ungezähmt ihm zwischen den Wurzeln unterworfen. Den fauligen Geruch aus dem Maul des prolligen Löwen suchte er zu vergessen in dieser Umarmung. Aber da hatte er doch schon längst von der Beute des verwegenen Kumpanes blutig getrunken.

Den ganzen Herbst über blieb sie dem Waldesrand fern, wo ihre Herolde den Wildermuth zerrissen hatten. Erst als gnädig der Schnee die blutgetränkte Erde bedeckte, setzte sie ihren Fuß zurück auf den  gefrorenen Boden und benetzte das Grab mit Tränen. Wo die Elbenkönigin weinte, sollen die Früchte und Blumen in den Äckern gedeihen.

Mich ekelt vorm Kuss deines toten Mundes, Mann, den ich rief, Wildermuth, doch wie kann ich ohne dich sein?


WILDWECHSEL
Jahr um Jahr war hingegangen und sie hatte geliebt. Als das Dach eingestürzt war im Feuer und sie gestählt davon geritten in die Nacht, hatten die Äste der Linde ihre Arme gestreift und die Blätter ihr Haupt gestreichelt. Sie mied die Städte und blieb dunkel im Waldgestöber. Unbereut den einen gefreit und mit jenem sich wilden Muts im Laub gewälzt.

Mann, den ich rief, Wildermuth.

Liegt erlegt jetzt zu meinen Füßen für immer. Wie kalt und weiß die tödlichen Hände des Jägers auf ebenem Holz. Das Blut so purpurn aus deiner Kehle rann. Was trankst du dem rothen Löwen zu, der seine Zähne in meiner Schwester Kehle grub? Arg sprechen meine Elben von dir.

Und doch jammerst du mich, mein Unglücksmann.

Noch nach deiner Leiche gelüstet es mich. So sinke ich hin, dein Blut zu trinken feurigen Sinns.

  
WILDE BRUT
Der Elbin erwuchs aus Wildermuths Liebe ein Sohn. Den hielt sie über des Vaters schaurigem Grab. Sie flohen alsbald die Stätten ihres Volkes und tauchten ins Neonlicht. Wo sie sich bückte unter die Leute, doch dem Kinde den Rücken streckte. Wie raubte die Liebe ihr jegliche Kraft. So zog´s sie mit Macht unter die Kuppel des Doms. Elben-Wort lässt Lügen schweben. Auch die Meinen gaben nach, als ich sie verließ, und beugten die Knie vor dem Kreuz. Dort droben ist keiner mehr.  Fort tanzen sie wie je zwischen den Bäumen nun auf dem Asphalt.

Gäbe ich dir die Flügel, Knabe des wilden Mannes, flögest du mir davon. Noch müssen wir unter der Löwenbrut hausen, bis deine Wildheit sich vermännlicht hat. Dann gehst du dahin, Wildermuth, und ich dort ins Gebälk unter dem hohen Altar. Wo alles von Neuem beginnt, Sohn der Unmenschlichen, in feurigem Schein. Auch Steine werden schmelzen.

Seine Hand in der ihren hasteten sie durch die menschliche Flut.


WETTERWENDISCH
Die Luft war nebulos. Es fröstelte die Elbin im Morgengrauen. Ein Wetter zog auf, ahnte sie. Draußen vor den Toren, wo des Wildermuths Blut den Boden tränkte, wollte sie den Boten ihres Volkes treffen. Sie blähte die Nüstern und roch den Wald. Sehnsüchtig rieb sie ihre Wange an der Rinde der alten Linde. Hinterlistig griff da eine Hand in ihren Schenkel. „Das Kreuz“, flüsterte es an ihrem Ohr und sie erkannte die Stimme des Königs. „Du selbst....“ Mit seinen Zähnen durchbiss er die Kette an ihrem Hals.  Das Zeichen glitt zwischen ihren Brüsten hinab. „Dreimal krähte auf dem Dach schon der blecherne Hahn. Rück das Wechselbalg heraus.“ Er bohrte sich tiefer in ihr Fleisch. „Waide mich...“ Sie roch das modrige Baummoos und ersehnte den Fall. „Mein Sohn.“ „Du kennst das Wort.“  Entblößt, wusste sie, lagen ihre Lebensnerven vor ihm. „Daher kommts....“ Ein Gewitterwind riss sie endlich ins sprossende Gras hernieder.


WUNDSTARRE
 Als der Schatten einer Wolke über das Gesicht der Elbin zog, schlug sie die Augen auf. Würzig duftete das Gras, in dem sie sich ausstreckte. Wohlig wollte der Leib sich auf dem feuchten Boden wenden. Wie ein Blitz aber fuhr das Erkennen in ihre Glieder. Während ich mich dem Sturm hingab, verriet ich den Sohn des Jägers. Auf dem Alten Berg ließ ich wiederum geschehen, wovor ich zu fliehen nur vorgab. Schon klatschten ihre nackten Füße auf den Beton. Keuchend erreichte sie die menschliche Bleibe. Vergebens war ihre Eile. Das Kind des Wildermuth, das sie zurück gelassen, war nicht mehr daheim. 

Nur durch meine Schuld gewinnt der Leidensmann, der alles vergibt, seine Macht über das alte Volk. Weil ich nicht treu bleiben kann, führte mich schon die Mutter fort. Weiß verbindet sie meine blutigen Wunden; erstarrt ruhe ich im steinernen Schiff wie eine Tote. Immerdar.



*He would gladly suffer sweet exile
The roads to the land of high love
Would find his beloved  and his country at the end;
Of this, fidelity gives seal and pledge.

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