da kommt der wind, und häkelt es vom haid,
es
steigt, es flattert, und es ist verschwommen.
Annette von Droste Hülshoff
Wie so vieles verschwindet auch das
Häkeldeckchen. Der Schnettwittchen-Kontrast von dunkel gemasertem Holz, auf dem
zierliche weiße Spitzendeckchen aufliegen, ist aus der Mode geraten. Wo
orientalisches Ornament (industriell gefertigt) sich als Zitat sogar bei Ikea halten kann, ist diese mitteleuropäische Handarbeit, die jede noch so
unwahrscheinliche Gefahr des horror vacui aus der Innenraumgestaltung
verbannt, wohl endgültig passé. Kein kleines Mädchen wird heutzutage mehr gezwungen,
die Häkelnadel in die Hand zu nehmen, um das traute Heim zu verzieren.
Das Mädchen, das ich war, heulte dagegen nicht selten über einer Häkelei, wenn ihm
die ungelenke Handarbeit in der Schultasche verschmutzt war und als Schande
vorgewiesen werden musste vor der ganzen Klasse. Einzig dass meine Mutter
keinen Wert darauf legte, eine Tochter zu haben, die fein
häkeln konnte, rettete mich. Denn ich war zwar rebellisch, aber längst kein
unabhängiger Geist. Hätte sie sich gewünscht, dass ich auf diesem Gebiet
reüssierte, wäre ich mir ungenügend vorgekommen. Es entstand ein Paar überaus
hässlicher braungelber Topflappen, die sie nach wenigen Wochen in einer
Schublade verschwinden ließ. Wenn es ganz bitter wurde, überredete sie Tante
Mariechen, mir „zur Hand zu gehen“. In Wahrheit machte die mir dann das
Werkstück fertig, das ich im Schulranzen transportierte und das nie so unzerdrückt, fein und rein ankam, um es der Lehrerin vorzulegen, wie sie
es mir übergeben hatte.
Ich sehe die kleinen Deckchen dennoch gern
und bewahre eines sorgfältig auf, das ich von der Oma geerbt habe. Es ist das
Filigrane und Löchrige, das mich anzieht, das Spitzenschlüpfrige und Durchlässige, der unnötigste Schleier, der
nichts verdeckt. So sehr die Häkeleien eine biedermeierliche Innenwelt
heraufbeschwören, aus der man sich nicht nach draußen traut, so sehr erinnern
sie an ein Lebensgefühl, dem noch kein Zwang zur Effizienz bis ins Privateste
eingeschrieben war. So kann ich mit Annette von Droste-Hülshoff sagen: „Ein Zauber häkelt mich wieder, arbeite mich
ab und bin matt genug.“ Die Häkelei webt eine nur scheinbar lose
Verbindung, die alles einlullen kann und die Welt heimelig verschrumpelt.
Doch traurig wird mir ums Herz, denke ich
daran, dass mit der Handarbeit auch das Wort verloren gehen wird. Keiner wird
sich mehr lose weibliche Seelen anhäkeln,
nichts Gehäkeltes wird sich verhaken
und kein Unterarmmuskel sich spannen um sich beim andern sachte einzuhäkeln. Niemandem wird nach den
Augen gehäkelt werden mit
todbringenden Häkelnadeln und keine
einzige mehr gehäkelt für schlechtes
Betragen. Es wird nur noch geschimpft und gemäkelt, nur noch gestochen und
gepikst, angebunden und zugebunden, gewebt und vernäht werden.
Eine Verrohung der Sitten wird zu beklagen
sein, die auch nicht wirkungslos am literarischen
Leben vorüber gehen wird; das heißt: wahrscheinlich ihre verheerende Wirkung
längst unerkannt und unwiderstehlich entfaltet. Denn schon Jean Paul wusste: „Wie in einem Roman, so häkeln sich im Leben
tausend leise zusammengerückte Geringfügigkeiten endlich fest in einander.“ Das konnte er nur sagen und schreiben,
solange jede seiner Leserinnen mit einem Häkelhaken wohl umzugehen wusste.
Jetzt wird nicht mehr locker aneinander
gehäkelt, sondern eine sorgfältig austarierte Konstruktion entwickelt, strukturiert
und analysiert, keine Wendung zu viel und kein Zacken zu wenig, keine Spitzchen
und Stößchen. Man ist modern und sogar postmodern und gar nicht gemütlich. Ich
bin dafür. Und vermisse doch ein wenig das duftig-zarte Elfenkleid der
überflüssigen Häkelei.
Schlussfolgerung:
Häkel dich fest, aber bleib locker.
Stereotype, wie wir sie lieben |
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