Mittwoch, 21. November 2012

KEINE PARTY - Die TALKING HEADS im Krieg


Ein Beitrag von Morel

Ein Lieferwagen voller Waffen, mit laufendem Motor, Gräber an der Autobahn, Orte die niemand kennt, Pistolenschüsse in der Ferne, langsam gewöhne ich mich dran, lebte in einem Stadthaus, lebte im Ghetto, lebte in jedem Viertel der Stadt.

Auf Partys hört ja keine auf Texte. Doch die Depressionslyrik von Pink Floyds berühmten Mittsiebziger-Alben hat eine ganze Generation zerstört. Hanging on in quiet desperation is the English way. Aber später lief bessere Musik mit besseren Texten.

Das ist keine Party und auch keine Disco, hier wird nicht herumgealbert, keine Zeit zum Tanzen oder Flirten, echt keine Zeit für so was.

Nur auf die englischen Texte hörte wieder keine und keiner. Der Himmel als ein Ort an dem nie etwas passiert. Im Grunde hat niemand besser die Utopie des Kapitalismus als Hölle auf Erden beschrieben als eine der beliebtesten Party-Bands der ersten Hälfte der 80er. Aber wir hörten nicht zu, sondern tanzten. Dandys und Desperados, eine Bassistin und afrikanische Trommeln, im Zentrum ein dürrer Neurotiker, der stotternd und stammelnd keinen Unterschied zwischen Himmel und Hölle erkennen konnte.

Die Botschaft an den Empfänger übertragen, vielleicht gibt es auch irgendwann einmal Antwort, ich habe drei Pässe, eine Menge Visas, keiner kennt meinen richtigen Namen, auf einem Hügel werden Lastwagen beladen, bereit für die Fahrt, ich schlafe am Tag und arbeite nachts, vielleicht komme ich niemals nach Hause. Das ist keine Party und auch keine Disco, hier wird nicht herumgealbert, das ist kein Schlammclub und kein CBGB, echt keine Zeit für so was.

Der Weltuntergang war in den 80er Jahre Titelseitenthema, so wie heute das Ende der Finanzwirtschaft. Die Angst, die Millionen Menschen angeblich hatten, aber eher ein Gerücht. Die Zukunftslosigkeit dagegen beinahe angenehm, die Gegenwart wurde so unendlich wie in den philosophischen Seminaren das Post-Histoire. Der Weltuntergang war etwas, wozu man tanzte, nichts, was man tatsächlich abzuwenden versuchte.

Habt ihr von Houston gehört? Und von Detroit? Habt ihr von Pittsburgh, Pennsylvania gehört? Stellt euch nicht ans Fenster, wenn ihr Pech habt sieht euch da jemand, ich habe Lebensmittel, ein wenig Erdnussbutter, um ein paar Tage zu überleben, aber keine Lautsprecher, keine Kopfhörer und keine Platten zum Anhören. Warum studieren, warum das Abi nachholen, diesmal wird es anders ablaufen, kann keinen Brief schreiben, keine Postkarte abschicken, kann gar nichts schreiben. Das ist keine Party und auch keine Disco, hier wird nicht herumgealbert, würde dich gerne küssen oder in den Arm nehmen, echt keine Zeit für so was.

Die Leute, die zu diesen Texten tanzten, zogen in keinen Krieg, sondern vor Kasernen. Später aber war dieses Zwischenreich der ironischen Feier des Jetzt plötzlich vergangen. Mit einem Mal kehrte der Krieg wieder aus der apokalyptischen Phantasie in die Realität zurück. Die Musik von Fear of Music klingt nicht nach Nostalgie, sondern immer noch nach Zukunft. Nur dass aus den Verkleidungen als Student, Hausfrau oder Mann im Anzug plötzlich Wirklichkeiten wurden. Als gesunde Neurotiker laufen wir für die Fitness, verbrennen Notizbücher und achten immer darauf was wir sagen.

Probleme im Transit, kamen durch die Straßensperre, wir mischten uns unters Volk, wir nutzen Computer, hören die Telefone ab, schon klar: das ist nicht erlaubt, wir ziehen uns an wie Studenten oder wie Hausfrauen, tragen Anzug und Krawatte, hab meine Frisur geändert, schon so oft, dass ich gar nicht mehr weiß, wie ich aussehe, du bringst mich zum Zittern, ich werde ganz sanft, wir gäben ein gutes Team ab, überanstreng dich nicht, ich kann fahren, du solltest ein wenig schlafen, hol dir Anweisungen, folge den Schildern, dann ändere deine Adresse, vielleicht morgen, vielleicht am nächsten Tag, wann immer es dir am besten passt, hab meine Notizbücher verbrannt, wozu braucht man die zum Überleben, ein Schmerz in der Brust, brennt wie Feuer, versuche gesund zu bleiben, mich fit zu halten, will mich nicht anstecken, versuche vorsichtig zu sein, keine Experimente, achte lieber darauf, was du sagst.

Fear of Music, produziert von Brian Eno und den Talking Heads, erschien 1979, inzwischen sollte die Botschaft endlich angekommen sein, Antwort ist jetzt aber keine mehr zu erwarten. Die Übersetzung ins Deutsch kam zu spät.

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