Freitag, 23. November 2012

Meine Lieblings-SCHUND-Literatur: PLUM und BONES

Das Lesen von Krimis aller Art war viele Jahre lang eine Sucht, der ich verfallen war. Ich habe die großen Klassiker gelesen (Chandler, Hammett, Sayers, Christie), aber auch  jeden daher gelaufenen "Pust´ ihn um Joe", der gerade billig am Bahnhof zu kriegen war. Angetan hatten es mir vor allem die Serien amerikanischen Autorinnen, die Privatdetektivinnen entwarfen, deren Entwicklung ich über viele Jahre mitverfolgen konnte: Sara Paretskys "V.I Warshawsky", Sue Graftons "Kinsey Millhone" und Marcia Mullers "Sharon McCone". Inzwischen hat mein Suchtverhalten sich etwas abgeschwächt. Ich lese nur noch selten Krimis. Bloß zwei Serien bin ich über die Jahre treu geblieben. Es sind dies zwei Serien, die sich weit entfernt haben von jenen coolen Privatdetektivinnen, die Paretsky, Grafton oder Muller entwickelten und die dem männlichen Klischee vom ´lonely wolf´ nachempfunden waren. Im Mittelpunkt dieser beiden Serien stehen dagegen Frauen, die auf den ersten Blick gegenüber den sportlichen, einsatzerprobten und beziehungsgestörten Detektivinnen der oben genannten Krimi-Ladys ein emanzipatorischer Rückschritt zu sein scheinen. 


“I'm telling you, it's fucking hard to be classy.” 

In Janet Evanovichs "Stephanie Plums Novels" geht es um eine Heldin, die unsportlich und völlig überfordert ist. In ihrem Job als "bounty hunter" gerät sie von einer chaotischen Situation in die nächste und in jedem Roman verschrottet sie mindesten ein unzulängliches Fahrzeug, dessen Ratenzahlungen sie sich ohnehin nicht leisten kann. Sie wird von ihrer polnisch-ungarisch-stämmigen Familie gegängelt; ihre Mutter bügelt sich den Frust von Seele und trinkt nebenbei, ihr Vater verbringt die Tage vorm Fernseher und grunzt allenfalls mal und Grandma Mazur (mein Liebling) muss in beinahe jeder Folge davon abgehalten werden, eine Leichenfeier, bei der sie sich durchschnorrt, zu sprengen. Stephanie schafft es nicht mal, einfache Fälle wie die Festnahme eines über 80jährigen Exhibitionisten unfall- und abfallfrei zu lösen. Behindert wird sie nicht nur durch ihre eigene Unzulänglichkeit, sondern auch durch Lula, eine ehemalige - sehr stattliche wie sie selbst findet, andere sagen eher übergewichtige - Prostituierte. Die soll eigentlich in Cousin Vinnies Kopfgeld-Agentur die Akten sortieren. Stattdessen zieht Lula es vor, bei Stephanie als "shot gun" mitzufahren, was sie nur allzu wörtlich nimmt, wovon mancher Kleingangster in Trenton, New Jersey, ein Lied zu singen weiß. Evanovich lässt kein Klischee über ethnische und soziale Gruppen aus und schafft es dennoch, jede Figur überplastisch aus diesem Klischee hervortreten zu lassen. Alle sind in diesen Romanen noch schriller, abgedreht, bekloppter, verfressener und geiler als das Klischee es für möglich hält. Deshalb wirkt das Ganze so phantastisch realistisch. Das gilt noch mehr für die völlig weggetretenen Ableger der Serie, in denen "Diesel" auftaucht, ein "over six feet of gorgeous, hard-muscled, slightly tanned" Super-Held, der durch Wände gehen und sich in Luft auflösen kann. Mit "Diesel" überschreitet Evanovich endgültig die Schwelle zur Phantastik. Dagegen wirken die zwei Männer, die ansonsten Stephanies Liebesleben abwechslungsreich gestalten, beinahe überreal: Joe Morelli, jeder italienischen Mamas Lieblings-Schwieger-Macho und der dunkle Ranger, der etwas unheimlich, aber unglaublich sexy ist. Wann immer Stephanie in Schwierigkeiten kommt, stehen diese beiden Männer bereit, um sie zu retten. Auch das ist das simpelste Hetero-Klischee: Kleines Frauchen wird vom starken Mann aus den Händen des Biests gerettet. Aber Stephanie, die Unzulängliche, wirft sich danach nicht dem Retter an den Hals, sondern unverdrossen ins nächste Abenteuer, gewiss, dass ihre beiden Männer, obwohl leidlich eifersüchtig aufeinander, sie im Ernstfall doch wieder gemeinsam aus der Bredouille holen. Warum ich den Unsinn so gern lese? Weil ich selten bei einer Lektüre so oft so laut lachen muss. Und weil ich ohne Grandma Mazur und Lula einfach nicht mehr sein will.

“Forest Gump had it wrong. Life is not a box of chocolate; it's a kaleidoscope. In the flip of a wrist, realities are shredded and the world takes on a totally new shape.”


Carolyn Haines "Bones"-Novels ist die andere Serie, die ich liebe. Deren Heldin ist nicht ganz so unfähig wie Stephanie, aber auch ziemlich fehl am Platz als Privatdetektivin. Sarah Booth Delaney hat eine Farm in Mississippi-Delta geerbt, die sie nicht halten kann. Ihr Plan, in New York als Schauspielerin zu reüssieren, ist grandios gescheitert. Als "Daddy´s Girl" ist sie ohnehin eine Totalversagerin, weil sie sich immer noch keinen gut verdienenden Kerl geangelt hat. Da beschließt sie, es als Privatdetektivin zu versuchen und schlittert mit Freundin und Geschäftspartnerin Tinkie Richmond, die alles richtig gemacht hat und Gattin des örtlichen Bankdirektors ist, von einem Krimiabenteuer ins Nächste. Auch die Bones-Serie hat ihre phantastischen Elemente. Sarah Booth wird von einem Geist heimgesucht, Jitty, die einmal als Sklavin auf der Farm arbeitete und als Gespenst in Verkleidungen aus allen Epochen auftauchen kann, immer in der Absicht, Sarah Booth an ihre Verpflichtung zu erinnern, die Delaneys fortzupflanzen. Beim Lesen der Bones-Fälle muss ich weniger oft laut lachen, als wenn Stephanie Plum mit Lula unterwegs ist, dafür freue ich mich immer wieder an dieser außergewöhnlichen Frauenfreundschaft zwischen der ledigen, bindungsscheuen Sarah und der äußerlich so angepassten Tinkie. Auch die Männer, die Sarah Booth kennenlernt und mit denen sie sich gelegentlich einlässt, entsprechen every girl´s Traummann-Klischee. Am Ende jedoch ist die Beziehung zwischen den beiden Frauen das verlässlichste und wichtigste Band. Dieses charmante Duo wird von Zeit zu Zeit um Cece ergänzt, die im lokalen Zeitungsblatt die Klatschspalte betreibt und daher über alle und jede das weiß, was keine wissen soll. Cece war früher mal ein Mann und wurde von ihrer Familie wegen der Geschlechtsumwandlung verstoßen.

Beide Serien sind, das gebe ich zu, stock-hetero. Sie erfüllen mit den Männer-Figuren, die ein wenig holzschnittartig daher kommen, jeden feuchten weiblichen Hetero-Wunschtraum (blond, dunkel, groß, muskulös, hart, zärtlich - es ist alles dabei). Mehr Klischee geht nicht. Aber am Ende kommt es darauf nicht an. Denn zum Schluss fährt Stephanie weiter mit Lula als "shot gun" durch Trenton, um Kleinstkriminelle zu erschrecken und führt Tinkie Sarah zum Essen aus. Deshalb lese ich diese Serien so gern: Weil sie witzig sind und schrill, phantastisch und weiblich. 

Janet Evanovich: Stephanie Plums Novels 1-18 (auf Englisch sind sie wesentlich witziger als in der deutschen Übersetzung)

Carolyn Haines: Bones Novels (die neuesten sind nichts ins Deutsche übersetzt)

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