Montag, 3. Dezember 2012

DANKE, Alice!

Alice Schwarzer wird heute 70. Habe ich gar nicht gewusst. Ich habe keinen Kalender mit Geburtsdaten von "wichtigen" Leuten. Aber dann habe ich gelesen, dass die Mädchenmannschaft u.a. dazu NICHTS sagen wollen. Außer dann vielleicht doch noch Kritik an der Art der Berichterstattung über Schwarzer in den Mainstream-Medien üben. Die war immer schon schlimm. Früher, als Alice Schwarzer als Hardcore-Emanze fertig gemacht wurde und heute, wo sie everybody´s Lieblingsfrauenrechtlerin ist. (Fuck ´em!) Mich haben die Werbe-Fotos von Alice Schwarzer auf den Litfaßsäulen für Springers fieses Männer-Titten-Blatt "BILD" auch schwer geärgert. Alice Schwarzer ist NICHT "größer als der Feminismus" (SZ) und sie ist auch NICHT "das Gesicht des Feminismus" (FAZ) oder der "feministische Vatikan" (WELT, hihi) oder die "Frontfrau des deutschen Feminismus" (dradio).

Dass die (mittel-)alten Männer (und einige Frauen) in den Redaktionsstuben der "Qualitätspresse" und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keine Ahnung von den verschiedenen Strömungen des Feminismus haben, wen wundert´s (Von was haben die überhaupt eine Ahnung?) Dass sie die Alpha-Mädchen hui fanden, als sie auf hohen Absätzen daher trippelten und einen fetten Schmollmund zogen, aber pfui, als die ihnen klar machten, dass die Norm-Anmache des weißen Mannes mit Eiertreten beantwortet wird und sie kein bisschen zufrieden sind, wenn sie mit am Konferenztisch sitzen dürfen im netten Kostümen, who cares? Die sitzen auf ihrem absteigenden Ast und pfeifen sich was im Wald. 

Ja, eine kann in vielen Punkte uneins sein mit Alice Schwarzer. Mit ihrer Selbstinszenierung, wegen ihrer Islamophobie und und und...Ich finde es trotzdem schade, dass es einigen jüngeren Feministinnen so schwer fällt über allen Dissens hinweg die Leistungen von Alice Schwarzer anzuerkennen. Ich bin 47 Jahre alt. Als ich geboren wurde hätte mein Vater noch den Arbeitsvertrag meiner Mutter unterschreiben müssen. Dass eine Frau ihren eigenen Namen auch in einer Ehe behalten konnte, schien undenkbar. In der Nachbarschaft war keine einzige Frau versicherungspflichtig berufstätig. Wenn mein Vater staubsaugte, wurde sorgsam darauf geachtet, dass ihn keiner der Nachbarn von draußen sehen konnte. Vergewaltigung in der Ehe war keine Straftat, sondern ein männliches Privileg; es reichte nach einem Urteil des Bundesgerichtshof nicht mal, wenn die Frau es über sich ergehen ließ, nein, sie sollte auch "Beglückung" zeigen. Die Bundestagsdebatte von 1987 zu dem Thema ist mir in grässlicher Erinnerung geblieben. 

Rechtliche Gleichstellung in Arbeitsleben und Familie, das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und das Recht auf Abtreibung sind nicht alles, worum es Feministinnen geht. Aber sie sind auch nicht nichts. Alice Schwarzer hat um diese Rechte ein Leben lang gekämpft. Und sie hat viel dafür einstecken müssen. Sie hat nicht alles erreicht. Sie hat sich mehr als einmal geirrt und sie war nicht immer fair. Sie ist Allianzen eingegangen, die ich mehr als fragwürdig finde. Aber: Ich verdanke ihr und ihren Mitkämpferinnen dennoch viel. Und dafür sage ich: Danke, Alice Schwarzer! Herzlichen Glückwunsch!

10 Kommentare:

  1. "Ja, eine kann in vielen Punkte uneins sein mit Alice Schwarzer. Mit ihrer Selbstinszenierung, wegen ihrer Islamophobie und und und...Ich finde es trotzdem schade, dass es einigen jüngeren Feministinnen so schwer fällt über allen Dissens hinweg die Leistungen von Alice Schwarzer anzuerkennen."

    Das trifft ziemlich den Kern, was es zu Schwarzer und allem, was über sie gesagt und geschrieben wird, zu sagen gibt.

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  2. Bascha Mika hat es, finde ich, gut auf den Punkt gebracht:
    http://www.fr-online.de/meinung/kolumne-die-sieben-leben-der-a-s-,1472602,20977244.html

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  3. Endlich ein positiver Artikel. Ich verstehe nicht, wie man als Feministin gegen Schwarzer sein kann - man muss nicht alles für gut heißen, aber sich ganz abwenden? Ohne Schwarzer und allen anderen Frauen wären wir nicht da, wo wir jetzt sind.

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  4. Alice Schwarzers beste Freundinnen sind Friede Springer und Angela Merkel. Herzlichen Glückwunsch.

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  5. @ Peter Brunner. Mit Basha Mikas Vorstellung von zeitgemäßem Feminismus habe ich auch meine Schwierigkeiten. Wut-Buch , aber dennoch nicht das Bedürfnis, mich von ihr oder Alice Schwarzer grundsätzlich abzugrenzen. Der Gegner auf den ich meine Energien verschwende sind die letzten Zuckungen des auslaufenden Patriarchats, das wie andere verendende Riesen noch einmal um sich schlägt, all überall. Andererseits: Es ist so sehr am Ende, das ich selbst da nicht mehr sehr viel Kraft drauf verwenden will. Mich interessiert, was Frauen in aller Vielfalt, im Dissens, in heftigen Auseinandersetzungen j e t z t Neues anfangen können, miteinander und mit Männern (manchmal, vielleicht) und jede für sich.

    @Manitu Sie ist fragwürdige Allianzen eingegangen. Schrieb ich ja. Aus meiner Sicht ist das bloß eine Geschmacksfrage, welche Hände zu schütteln man widerlicher findet. Ich träfe lieber Merkel und Springer, als zum Beispiel Schröder (Gerhard) und Burda (Hubert). Aber - wie gesagt - das ist reine Geschmacksfrage. Und müßig. Denn ich genieße das Privileg, mich mit solchen Leuten überhaupt nicht abgeben zu müssen.

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  6. ... habe meine Zustimmung mal in den berühmten 140-Zeichen weitergepiept, auf dass der feine Artikel weit flattern möge! :)

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  7. danke, liebe melusine! für dieses notwendige buntfärben einer ewigen freund-feind-/schwarzer-weißer-krümelei. ein mensch ist nicht geeignet, um durchweg für alle ein ideal zu sein. ein mensch ist nicht geeignet, sich selbst eine einheit zu sein. eine bewegung darf auch niemals in einem einzelnen körper/menschen verschwinden, was aber nicht allein diesem körper/menschen zur last gelegt werden darf, sondern vor allem der rezeption. alice ist ein mensch mit vielen facetten, die ich persönlich schätze und mit schatten, die sie mir unsympathisch machen. aber deshalb jene verdienste, die ich gutheiße, leugnen? das wäre stumpf. noch stumpfer, sie zu der bewegung zu ikonisieren, die es als einheit eben nicht gibt. weder als alice schwarzer - noch als feminismus.

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  8. danke, liebe melusine! für dieses notwendige buntfärben einer ewigen freund-feind-/schwarzer-weißer-krümelei. ein mensch ist nicht geeignet, um durchweg für alle ein ideal zu sein. ein mensch ist nicht geeignet, sich selbst eine einheit zu sein. eine bewegung darf auch niemals in einem einzelnen körper/menschen verschwinden, was aber nicht allein diesem körper/menschen zur last gelegt werden darf, sondern vor allem der rezeption. alice ist ein mensch mit vielen facetten, die ich persönlich schätze und mit schatten, die sie mir unsympathisch machen. aber deshalb jene verdienste, die ich gutheiße, leugnen? das wäre stumpf. noch stumpfer, sie zu der bewegung zu ikonisieren, die es als einheit eben nicht gibt. weder als alice schwarzer - noch als feminismus.

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    1. Dir auch: Danke! So sehe ich es auch. Und es ist gerade gut, wenn der Feminismus keine "einheitliche" Bewegung ist. Es genügt mir als Basis, dass sich Menschen (auch männliche!) zusammenfinden, die mit dem Patriarchat (den in ihm entwickelten Macht- Arbeits- und Lebensverhältnissen zwischen den Geschlechtern, der in ihm entstandenen Kultur der Liebesbeziehungen zwischen den Geschlechtern und den Zuschreibungen von charakterlichen Eigenschaften und erlernten Fähigkeiten auf der Basis von biologischen Geschlechtsmerkmalen) nicht einverstanden sind und daran arbeiten wollen, es zu überwinden. Wie eine postpatriarchale Zukunft aussehen sollte, welche Wege zu beschreiten sind, darüber gibt es - hoffentlich fruchtbaren - Streit. Meine Hoffnung wäre eine radikale Liberalisierung all dieser Verhältnisse auf der Basis eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle (aber das noch einiges zu klären wäre und das Paradies nicht entstehen würde - zum Glück! - ist mir auch klar),. Aber in einem feministischen Blog las ich kürzlich: Liberalismus ist Scheiße! Na, daran habe ich jetzt mal zu knabbern! ;-)! Und warum nicht?

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