Donnerstag, 31. Januar 2013

Müde bin ich...

Mein Kopf dröhnt immer noch. Ich schlafe viel. Wenn ich nicht schlafe, schaue ich keine Talkshows. Was bei Jauch oder Will oder sonstwo gelabbert wird, erfahre ich besten- oder schlimmstenfalls am nächsten Tag aus der Timeline bei Twitter. Das reicht mir auch. Gerade jetzt, in der #aufschrei-Phase, wo alle Medienwelt sich offenbar die dummdreiste Frage zu stellen erlaubt, ob Sexismus in deutschen Landen ein Problem sei. Das ödet. Weil jeder Vollpfosten nur die Statistiken anschauen muss oder eine Herrhausen-Biographie lesen oder mal seiner Mutter zuhören: Frauen verdienen hierzulande überdeutlich weniger als Männer und sitzen nur sehr selten auf Chefposten (bester Nährboden für übergriffiges Verhalten, denn Geld ist Macht und schafft "Freiheiten", die Mann sich rausnimmt), männliche Vorstände zum Beispiel börsennotierter Konzerne betrachten den geschäftsabschließenden gemeinsamen Bordellbesuch als selbstverständliches Netzwerken, das auch von der Steuer absetzbar sein sollte (in diesem Klima gedeihen manche nicht, aber gewisse Ideen über die sexuelle Verfügbarkeit von Frauen prächtig) und selbst Mama wurde schon auf offener Straße von ein paar daher gelaufenen "männlichen" Teenagern angepöbelt (weil es bei dem Thema eben nicht um Komplimente und nicht um Flirtversuche geht, gelle?). Jetzt fragt ihr (TM) euch bloß noch, warum Frauen sich nicht wehren "nach 40 Jahren Feminismus", oder? 

Das ist alles langweilig. Männer sind nicht so. Nur manche. Wo ich arbeite, gehöre ich zu denen, die ganz gut geschützt sind: heterosexuell liiert, mit Kindern. Das ist akzeptiert. Da kommen allenfalls die üblichen dämlichen Altherren-Sprüche. Manchmal gehe ich auf Sitzungen zwischendurch aufs Klo, weil es in meiner Wahnvorstellung so widerlich nach Altmännerpisse aus Plastikbeuteln riecht. Das ist aber nur selten der Fall. Es ist auch seit der letzten Pensionierungswelle ein bisschen besser geworden. Ich glaube, es ist viel unangenehmer, in diesem Umfeld ein weiblicher Single über 30 zu sein, weil viele (auch  Frauen) glauben, so eine sei zwanghaft auf (Hetero-)Partnersuche. Bei einem männlichen Single über 30 gilt es eher als Freiheitsstatement, dass er allein lebt. Noch schwieriger ist es für die, die in einer schwulen oder lesbischen Partnerschaft leben. Das wird im Grunde nicht thematisiert. Ich lebe nicht in einer Medienwelt. Sondern in der hessischen Provinz. Wo die Toleranz bloß äußerlich ist, aber in Wirklichkeit in jedem Pausenraum die heterosexistischen Ausgrenzungsmechanismen ununterbrochen abgespult werden. Ich bin da nicht unbeteiligt. Das Reden über Kinder, Haushalt, Garten ist ein willkommener Lückenfüller bei all den Leuten, denen eine sonst eben gar nichts zu sagen hat. Ich kann Schweigen mit Menschen, denen ich nicht nahe stehe, immer noch schlecht ertragen. Also quatsche ich über das, wovon ich annehme, das es im Horizont der anderen liegt. Und trage auf diese Weise zur Ausgrenzung all jener, die diesen Schutz: heterosexuelle Beziehung, Familie nicht haben, bei. Das tut mir leid. Ich arbeite dran.

Ich bin immer noch verdammt müde. Wenn ich nicht schlafe, lese ich. Barbara Pym: Jane and Prudence. Geschichten von Alice Munro. Träume davon, über Edith Warthons "Ethan Frome" und "Summer" zu schreiben, die ich im Dezember gelesen habe. Eine Idee ploppt auf, die ich beim Aufwachen wieder vergessen habe. Ich habe nur einige Romane männlicher Autoren im letzten Jahr gelesen. Es interessiert mich einfach meistens nicht: die dargestellte Männer-Welt, die klischeelastigen Frauenbilder, der häufig so pseudo-ironische "alles nicht so gemeint"-Stil, der ausgestellte Weltschmerz, die bedeutungschwangere Künstlerattitüde, der immer wieder nicht bestandene Bechdel-Test. So what? Ich fange an mit solchen Texten und bin gelangweilt, denke: Das habe ich alles schon tausendmal und besser gelesen. Selbstverständlich: Nicht alle Männer schreiben so und sowas. (Immer noch lese ich prozentual häufiger männliche Autoren, als zum Beispiel beim Perlentaucher Romane weiblicher Autorinnen rezensiert werden :-), nur damit das klar ist! ) (Ich kann mich durchaus auch in ein - männliches? - Desinteresse an jener Art von Prosa hineindenken, die ich schätze: kaum Handlung, eingeschränktes Personal, keine vernichtende Gesellschaftskritik, keine Melancholie und viel zuviel Dialoge :-) ). 

Ich war zu krank am Wochenende, um Django Unchained zu sehen und ich bedauere es nicht allzu sehr. Unsere Söhne waren begeistert. Ordentlich Blut wird verspritzt, eine Leichenspur durch den Süden gezogen, eine vom Herrn durch den Mann "befreite" Frau und Filmzitate satt, wird mir erzählt. Ich hoffe, mein Genesungsprozess verläuft wie geplant und ich kann stattdessen an diesem Wochenende in den Lincoln-Film gehen. Spielbergs Film interessiert mich gegenwärtig nach den Kritiken, die ich gelesen habe, wesentlich mehr als Tarantinos Bilder- und Gewaltorgie. Der Kult um bestimmte Autoren und Regisseure in gewissen Männerzirkeln, fast immer verbunden mit schenkelklopfender Anerkennung für sogenannte "Tabu-Brüche", also in meiner Wahrnehmung peinlich pubertäre Provokationen, löst bei mir Abwehrreaktionen aus. Wahrscheinlich ist es trotzdem ein guter Film. 

Ich muss jetzt noch ein wenig schlafen. Und dann lesen. Und wieder schlafen.

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13:48 Uhr .... So, und da erwache ich aus meinem Schönheits- und Gesundungschläfchen und werde mal wieder drauf gestoßen, dass alles doch noch schlimmer ist, als ich wahrhaben möchte. Auf dem Gesichtsbuch amüsiert sich grade eine aus meinem beruflichen Umfeld, deren Freundschaftsanfrage ich dummerweise nicht ignoriert hatte, über einen widerwärtigen Witz, in dem eine Frau von ihrem Mann einem Gorilla zur Vergewaltigung "vorgeworfen" wird. Ist es nicht komisch? Das sind die Menschen, zu denen ich höflich lächelnd "Guten Tag" und "Auf Wiedersehen" sagen muss. So ist es. Und ich will es immer wieder nicht wahrhaben. Wie schlimm es wirklich ist.

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