Samstag, 2. Februar 2013

Wie ich einmal im Reisebüro war...

Sportlich nur im Krankheitsfall
"Die besten Pläne von Menschen und Mäusen..." Gerade halbwegs genesen wollte ich eine Erzählung weiter-, vielleicht fertig schreiben, die im Fiebertaumel, verschwitzt im Nachthemd (alles gelogen: Ich trage Pyjama oder Trainingsanzug, wenn ich krank bin) entstand: "Tunnel" lautet der Arbeitstitel. Ein wenig phantastisch. Die Bedeutung? Kann ich nicht sagen. Nicht im Sinne von: "will nicht", sondern wirklich: "kann nicht". Ich schreibe nie Fiktion, um "etwas" auszudrücken, was auch anders zu sagen wäre, also als "eine Moral von der Geschicht´". Ich lese auch nicht auf der Suche nach sowas: nach Gesellschaftskritik, politischer Stellungnahme, literaturhistorischer oder philosophischer Verortung. ("Mir doch egal" - auch das.) Wenn ich etwas lese, das in mir den Verdacht auslöst, es solle mir so etwas "untergejubelt" werden, bin ich eher frustriert. Warum denn nicht gleich sagen, was gemeint ist? Diese ganze Verrätselung um schöner Sprachspiele und -melodien willen interessiert mich nicht sonderlich. Ich kann das goutieren wie einen gut gepflegten Garten, eine artistische Darbietung oder eine sportliche Meisterleistung. Applaus! Applaus! Und gut. 

Die besten Pläne also hatte ich - und nur mehr keine Zeit dafür. Denn statt zu schreiben, saß ich im Reisebüro. Fest. Beinahe anderthalb Stunden auf dem Wartebänkchen. Schlimmer als beim Arzt. Nachdem jetzt die ersten harmlosen Wutattacken sich in Luft aufgelöst haben ("Ja, dann fliegt doch, wohin der Pfeffer wächst."), betrachte ich die Wartezeit als lehrreiche Studiengelegenheit. Es ist eben doch vieles nicht so, wie ich mir vorstelle. Gedacht hätte ich bis heute: Das Reisebüro als Geschäftsidee hat keine Zukunft. Ich gehe nie in Reisebüros. Ich drucke meine Zugtickets online aus, ich buche meine Flüge online und Hotels oder Ferienwohnungen ebenso. Bequem auf dem Sofa studiere ich die schönen Fotos und wähle die günstigsten Optionen. Diesmal allerdings war ein Gutschein einzulösen - eben just in jenem Reisebüro. Und ich lernte: Es gibt Menschen (und offenbar nicht zu wenige), für die ist der Besuch im Reisebüro, die gemeinschaftliche Planung der Reise mit der professionellen Reiseberaterin von geradezu therapeutischer Wirkung. Drei Paare saßen drei Beraterinnen gegenüber und planten komplexe und komplizierte zweiwöchige Fernreisen. Was da alles entschieden und bedacht werden muss! "Also, wenn Sie einen Tag früher fliegen, dann hätte ich da sogar die Möglichkeit, dass Sie in einem A 380, auf dem oberen Deck..." "Na, das wäre..." "Ah, allerdings, da ist schon einiges geblockt." Vier Flüge werden es für dieses Paar: Frankfurt - Singapur und von dort an irgendeinen Strand, den Namen habe ich vergessen, und dann wieder retour. Schon die Auswahl des ersten dauert. Es geht ja nicht nur um den A 380. Der Mann gibt sich unkompliziert: "Ich fliege auch mit einem anderen Flugzeug. Also, da bin ich nicht so." Die Frau wiegt lächelnd den Kopf. "Gang oder Fenster?" "Hmm." Man kann sich nicht entscheiden. Das hat ja alles Vor- und Nachteile. So oder so. "Wir halten jetzt mal die drei Alternativen fest. Ich speichere die mal." Nebenan geht´s in die USA. Die Hotels: "Das ist ein anderer Standard. Was die Sterne angeht." "Gibt´s da auch mal ein Upgrade?""Wie lange wollen wir in Atlanta bleiben?" "An was für ein Auto hatten Sie gedacht?" Darüber hat man sich noch keine Gedanken gemacht. Da guckt man sich jetzt erstmal die große Auswahl an: vom Sportwagen bis zum Wohnmobil. "Da haben Sie sogar eine Mikrowelle." Vis-a-vis soll die Reise auch in die Vereinigten Staaten gehen, aber Westküste. Ist auch nicht einfacher. Wie rum soll man fliegen? Man wedelt wild auf einer imaginären Weltkarte herum. Zwischenstopp wo? Ob es vielleicht doch Sinn macht, eine Nacht in Chicago zu verbringen? "Also, Chicago, ich weiß nicht...", sagt die Reiseberaterin und da weiß ich, dass ich von ihr keinen Rat brauche, bestimmt nicht, wenn sie Chicago nicht der Reise wert findet. Egal, die Beratung des Paares geht weiter und noch lang. Man ist bei allem unentschieden und unkompliziert. Man lacht über Automatik-Autos. In Singapur gibt es, erfahre ich, einen Nachtzoo. "Echt?" Will man jetzt in Washington übernachten oder nicht? "Mein Cousin war da mal." Das dauert. Jeder will noch was erzählen. "Traumhaft, der Strand, da waren wir schon vor zwei Jahren." "Menpower ist ja billiger bei denen." "Wenn´s anders nicht geht, verzichten wir auf die A 380. Das muss echt nicht sein." Anderthalb Stunden. Am Ende wird an keinem Tisch ein Abschluss getätigt. Alles wird unverbindlich bis Montag reserviert. Dann sieht man weiter. "Was für ein Stress." Der Westküsten-Fan wischt sich die Stirn. Jetzt bin ich dran. Ruckzuck. Hotel: Radisson Blu Amsterdam. Datum. Zugnummer. Usw. Ich zahle die Differenz zum Gutschein und gehe. War genau 5min am Schalter, 2 Minuten 30 sec. hat der Ausdruck der Zugtickets und des Hotel-Vouchers gedauert. Ich bin eine untypische Kundin für Reisebüros, so sieht´s aus. Es macht auch keinen Spaß, stelle ich mir vor, Leute wie mich zu bedienen: keine Fragen, kein Geplänkel, keine Witze. Gut, dass ich normalerweise im Netz buche. Da bin ich besser aufgehoben.

Vielleicht haben auch Buchhandlungen eine Überlebenschance, denke ich auf dem Nachhauseweg. Die Leute sind so verschieden. Ich werde nur von meinem Lieblingsverkäufer in meinem Lieblingsmodegeschäft gerne beraten. Sonst nicht. Sonst habe ich eine Liste dabei oder im Kopf, wo draufsteht, was ich will plus die zwei oder drei Alternativen, falls es nicht so klappt. Aber andere Leute gehen gerne einkaufen. Oder in Reisebüros. Oder in Buchhandlungen. Um zu schwätzen. Zu Räsonnieren. Und sich die Entscheidung schwer zu machen. Das verstehe ich nicht. Ist aber ok.

Jetzt habe ich keine Zeit mehr. Am "Tunnel" zu schreiben. Jetzt ziehe ich mich um und male mich an und dann fahre ich mit dem Morel nach Frankfurt. Wir gehen mit Freunden essen und später ins Kino: "Lincoln". Freue ich mich drauf. Auf die Freunde. Aufs Essen. Auf den Film.

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